Studienarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Soziologie - Allgemeines und Theorierichtungen, Note: 1, Universität Bielefeld (Fakultät für Soziologie), Veranstaltung: Luhmann und Foucault eine kontrastive Einführung, Sprache: Deutsch, Abstract: Zu Beginn der 70er Jahre setzten die chilenischen Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela mit ihrem Modell autopoietischer Systeme den Startpunkt einer interdisziplinären Theorieentwicklung, die heute unter dem Namen Konstruktivisÿmus oder auch radikaler Konstruktivismus bekannt ist. Die Theorievorschläge Maturanas und Varelas hatten eine immens breite Wirkung in vielen unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen. Vorallem innerhalb von Philosophie, Neurophysioloÿgie, Biologie, Psychatrie, Psychotherapie und Soziologie wurden sie diskutiert und weiterentwickelt (vgl. Kneer/Nassehi, 1997, S.55). Dabei ist der Konstruktivismus weit davon entfernt eine einheitliche Theorie zu sein. Er ist vielmehr ein Oberbegriff über eine Vielzahl verschiedener Ansätze, die sich aber alle in der Grundannahme einig sind, daß Erkenntnis als Konstruktionsprozess zu verstehen ist, und die Wirklichkeit das Produkt dieses Prozesses ist. D.h. die Wirklichkeit wird nicht gefunden, sondern sie wird vom Beobachter operativ erÿzeugt. Deutlicher ausgedrückt bedeutet dies: „Die Umwelt, die wir wahrnehmen, ist unsere Erfindung“ (Foerster, 1997, S. 26), ist „Erfahrungswirklichkeit“ (Schmidt, 1987, S. 18). Damit ist aber nicht gemeint, wie oft fälschlicherweise unterstellt wird, der Konstruktivismus leugne die Existenz einer Außenwelt. Eben gerade nicht solipsiÿstisch, ist für den Konstruktivismus die Außenwelt unverzichtbar; jedoch verneint er die Möglichkeit, eine objektive Erkenntnis über sie erlangen zu können. Wie diese Sichtweise begründet wird, obgleich uns allen das, was uns unsere Sinne liefern so unmittelbar erscheint, soll in kurzer Zusammenfassung Inhalt des zweiten Kapitels dieser Hausarbeit sein. Im dritten Kapitel möchte ich dann zur Theorie psychischer und sozialer Systeme von Niklas Luhmann übergehen. Dieser, unter dem Label Systemtheorie bekanntgewordene, soziologische Theoretiker gehörte ebenfalls zu denen, die, die aus der Biologie kommenden konstruktivistiÿschen Thesen begierig aufgriffen und damit ihren Theorien einen neuen, tieferen Geÿhalt gaben. Bei Luhmann spricht man in Bezug auf diesen Paradigmenwechsel sogar von der sog. „autopoietischen Wende“, die sich zuerst in seinem 1984 erschienen Buch „Soziale Systeme“ manifestierte. Ziel dieser Arbeit soll schließlich sein, darzustellen, wo und wie Luhmann konstruktivistische Sichtweisen vertritt und wo es Weiterentwicklungen und/oder Differenzen zum konstruktivistischen mainstream gibt.