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Die Beobachtungen des engagierten Menschenrechtlers Tom Koenigs
Von Mitte Februar 2006 bis Ende 2007 war Tom Koenigs, der eine bekannte Frankfurter Biographie als grüner Kommunalpolitiker aufweist, Leiter der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Afghanistan (Unama). Sie sollte im zivilen Bereich das erreichen helfen, was die internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (Isaf) im Bereich Ordnung und Sicherheit leisten sollte: die einheimischen Kräfte dabei unterstützen, das Land wieder aufzubauen und den Weg für eine friedliche innere Entwicklung zu ebnen. Nach dem raschen, jedoch unvollständigen militärischen Sieg über die Taliban seitens der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten sowie der Installierung eines Übergangspräsidenten durch eine große Versammlung afghanischer Würdenträger schien diese Aussicht nicht unrealistisch zu sein. Auch deshalb, weil sich viele Länder auf einer internationalen Geberkonferenz darüber verständigt hatten, beim Aufbau Afghanistans finanziell, personell und konzeptionell tatkräftig mitzuwirken.
Um diese Tatkraft war es jedoch nicht so gut bestellt. Und Präsident Karzai und seine Regierung in Kabul brachten nur Ansätze für einen Wiederaufbau zustande. Als die im übrigen durchaus widersprüchlichen Erwartungen der Menschen in Afghanistan unerfüllt blieben, war dies auch das Signal für die Wiederkehr der Taliban. Ein neues Kapitel des afghanischen Krieges begann - der Aufstand der Taliban, zuerst nur in den südlichen und den Grenzprovinzen zu Pakistan. Koenigs erlebt mit, wie sich der nicht nur, aber hauptsächlich durch die aus den pakistanischen Grenzgebieten nach Afghanistan einsickernden Taliban eskalierende Aufstand langsam intensiviert. Sein Buch montiert tagebuchartig aufgeschriebene Eindrücke und Berichte in chronologischer Reihenfolge hintereinander.
Weil er sich bei seinen Aufzeichnungen nicht auf die hohe Ebene der Politik beschränkt, sondern auch gern und mit einer gewissen Selbstironie auf die alltäglichen Lebensbedingungen, ihre Beschwernisse, aber auch ihre manchmal unübersehbaren komischen Aspekte eingeht, liest sich das Buch nicht nur spannend, sondern auch durchaus vergnüglich. Zuweilen - das soll auch nicht unter den Tisch fallen - nervt der eigentümliche und eigensinnige Hang des Autors ein wenig, sich in Heinz-Rühmann-Manier als listiger und bürokratieerfahrener Antibürokrat zu stilisieren. Aber meist ist man doch sehr beeindruckt von dem nachhaltigen Engagement des Unama-Leiters für die Menschenrechte und von seiner schier unermüdlichen Kommunikationsarbeit. Denn reden, reden, reden muss man in dieser Position ohne Ende. Und wenn man dann auch noch zuhören kann, sogar mit einer gewissen Nachdenklichkeit, dann lässt sich in dieser Position schon das eine oder andere erreichen.
Man nimmt Koenigs gern ab, dass er ein nachdenklicher Zuhörer und Beobachter ist. Sein Bericht über den Fall des zum Christentum konvertierten Abdul Rahman und über die Hintergründe gerät zu einem Lehrbeispiel dafür, wie aus individuellen und familiären Umständen ein nationaler und im Handumdrehen auch ein internationaler "Kulturkonflikt" entstehen kann, bei dem so gut wie alle Beteiligten sich in Positionen manövrieren ließen, die einer angemessenen, das heißt menschenrechtsgemäßen Lösung im Wege standen. Koenigs schildert auch die mühevolle Lösung des Konflikts hinter den medial aufgebauten Drohkulissen.
In seinen internen Lagebeurteilungen kommt Koenigs zu skeptischen Urteilen: Die vom Westen angestoßenen Entwicklungsprojekte helfen nicht wirklich. Bei kleinen Projekten, schreibt er, die die Nöte der Leute betreffen, mag Entwicklungshilfe etwas Einfluss haben. Aber viel sei das nicht. Die Antidrogenpolitik ist völlig gescheitert. Die Korruption ist die Pest des Südens, was nicht heißt, dass es im Norden keine gäbe. Bei seinem eigenen Vorschlag, wie man das afghanische Drogenproblem, das ja auch unser Drogenproblem ist, angehen könnte, steht der libertäre Gedanke von der generellen Drogenlegalisierung Pate. Ganz unabhängig davon, ob dieser Gedanke theoretisch tragfähig ist - er wird sich sobald nicht realisieren lassen. Über das Buch verstreut finden sich auch ein paar seltsame Urteile zur deutschen Politik, etwa über Schäuble (damals Bundesinnenminister) oder die rot-grüne Regierung 1998 bis 2005, die "mit Joschka" den Multilateralismus in den Mittelpunkt der deutschen Außenpolitik gestellt habe. Das ist aber bereits "mit Konrad" (Adenauer) geschehen. Insgesamt eine aufschlussreiche und lohnende Lektüre.
WILFRIED VON BREDOW
Tom Koenigs: Machen wir Frieden oder haben wir Krieg? Auf UN-Mission in Afghanistan. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2011. 272 S., 19,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
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