Das ist der erste Roman des in Australien sehr erfolgreichen Peter Goldsworthy, und er überzeugt mich hundertprozentig! Goldsworthy hat bereits unter Beweis gestellt, dass er sich auf Exzentriker versteht: Die Vorlage des Films "Passion - extreme Leidenschaft" stammt von ihm. Hier ist es ein
geheimnisumwitterter, genialer Musiklehrer, der zur schicksalsbestimmenden Figur im Leben des hoch begabten…mehrDas ist der erste Roman des in Australien sehr erfolgreichen Peter Goldsworthy, und er überzeugt mich hundertprozentig! Goldsworthy hat bereits unter Beweis gestellt, dass er sich auf Exzentriker versteht: Die Vorlage des Films "Passion - extreme Leidenschaft" stammt von ihm. Hier ist es ein geheimnisumwitterter, genialer Musiklehrer, der zur schicksalsbestimmenden Figur im Leben des hoch begabten jungen Pianisten Paul wird. Pauls Eltern selbst leben für die Musik und leiden darunter, dass die Wechselfälle des Berufslebens die Familie ins tropisch-dampfige, provinzielle Darwin verschlagen haben. Paul soll aber wenigstens eine seinem Talent entsprechende musikalische Ausbildung erhalten. Der schroffe, alkoholkranke Österreicher Eduard Keller, der ein Zimmer über einer üblen Kneipe bewohnt, hat den besten Ruf in Darwin, und Pauls Vater drückt durch, dass Paul bei der Stange bleibt, obwohl Kellers Verhalten höchstgradig irritierend ist: Paul darf trotz seines bereits sehr hörenswerten Spiels die ersten sechs Sitzungen überhaupt nicht ans Klavier, da Keller "weiß, wie sich das bei dir anhört". Statt dessen monologisiert Keller über jeden Finger einzeln und begründet, warum der kleine Finger zum Klavierspiel eigentlich überflüssig sei. Keller selbst fehlt ein kleiner Finger, und das tut seiner Virtuosität keinerlei hörbaren Eintrag. Warum Keller bei seiner hervorragendes musikalischen Qualifikation überhaupt nach Darwin gekommen ist und warum er niemals öffentlich sein Spiel zu Gehör bringt, liegt für Paul und seine Familie völlig im Dunkeln. Einladungen lehnt Keller ab, und wenn er einer Folge leistet, macht seine Ruppigkeit jede Konversation zur Qual. Die Spannung seiner Eltern steigt, als sie aus einem Lexikon erfahren, dass Kellers Lehrer ein Schüler des großen Komponisten und Pianisten Franz Liszt war.
Paul nimmt die Herausforderung an und entwickelt sich, von Kellers stetiger Unzufriedenheit angespornt, zu einem großartigen Klavierspieler. Aber Kellers Geheimnis zu lüften wird zu seiner Obsession, die ihn um die halbe Welt nach Wien führt, wo er das meiste - aber nicht alles -, was er wissen möchte, erfährt. Als Konzertsolist scheitert er aber letztlich. An Kellers Totenbett findet eine Art Versöhnung statt.
Was zunächst wie eine außergewöhnlich gut gemachte Version des Themas "Traumatisierter Exilant als Täter/Opfer des Nazi-Wahns" daherkommt, entpuppt sich als psychologisch differenzierte Charakter- und Milieustudie mit absolut befriedigendem Spannungsbogen. Die Nöte des heranwachsenden Außenseiters Paul beschreibt Goldsworthy ebenso überzeugend wie die üppige tropische Natur Darwins und den Wechsel der Jahreszeiten oder die komplexe Beziehung der Eltern zueinander und zu ihrem einzigen Kind. De wahre "Hauptperson" des Buches aber ist die Musik, und auch hier erweist Goldsworthy seine Kennerschaft. Daher würde ich "Maestro" jedem Pianisten und überhaupt jedem Musikbegeisterten schenken oder aufs wärmste zum Kauf empfehlen.