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Mordechai Strigler (1918–1998) begann kurz nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Buchenwald im April 1945, seine Erfahrungen im Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek in literarischer Form zu verarbeiten. Er legt jedoch keine nüchterne Schilderung des Lebens und Leidens der jüdischen Häftlinge vor, sondern reflektiert tiefgründig die Psychologie und Reaktionen der Opfer und ihrer Henker von der SS. Strigler kaschiert nicht die Fehler und menschlichen Schwächen der Opfer, über die er wie von Wesen aus Fleisch und Blut berichten möchte. »Majdanek« wurde bereits 1947 auf…mehr

Produktbeschreibung
Mordechai Strigler (1918–1998) begann kurz nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Buchenwald im April 1945, seine Erfahrungen im Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek in literarischer Form zu verarbeiten. Er legt jedoch keine nüchterne Schilderung des Lebens und Leidens der jüdischen Häftlinge vor, sondern reflektiert tiefgründig die Psychologie und Reaktionen der Opfer und ihrer Henker von der SS. Strigler kaschiert nicht die Fehler und menschlichen Schwächen der Opfer, über die er wie von Wesen aus Fleisch und Blut berichten möchte. »Majdanek« wurde bereits 1947 auf Jiddisch veröffentlicht. Yechiel Szeintuch, Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem, ist ein profunder Kenner des literarischen Werkes von Mordechai Strigler und verfasste die Einführung zur deutschen Ausgabe von »Majdanek«. »›Majdanek‹ ist aus zwei Gründen eine literarische Sensation«, schreibt Rezensentin Susanne Klingenstein in der FAZ-Rubrik »Literarisches Leben«. Sie nennt zunächst die außergewöhnliche Qualität des Lager-Schriftstellers Strigler, seine literarische Feinheit und auch Reflexionskraft. Zudem attestiert sie Strigler eine skalpellscharfe Beobachtung sowie erbarmungslose Klarheit und stellt ihn auf eine Stufe mit Literatur-Nobelpreisträger Imre Kertész. Desweiteren unterstreicht Klingenstein die Bedeutung von »Majdanek« im Hinblick auf die Entdeckung einer Holocaust-Literatur, die bislang in der Öffentlichkeit kaum oder gar nicht wahrgenoimmen wurde. Voll des Lobes ist die Rezensentin auch über Herausgeber Frank Beer und die Übersetzerin Sigrid Beisel. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Juni 2016
Autorenporträt
Der jiddische Schriftsteller und Journalist Mordechai Strigler wurde 1918 bei Zamosc (Polen) geboren. Während der Nazizeit war er Häftling verschiedener Arbeits- und Konzentrationslager. Kurz nach seiner Befreiung emigrierte er nach Paris und begann seine Erfahrungen in der Tetralogie »Verloschene Lichter« niederzuschreiben. 1952 ging er nach New York und arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 1998 für jiddische Zeitungen. 1978 erhielt er den Itzik Manger-Preis für Jiddische Literatur.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Es ist wohl auf die "freiwillige Selbstkontrolle hat in Nachkriegsdeutschland" zurückzuführen, dass Mordechai Striglers KZ-Bericht "Majdanek" hierzulande erst mit siebzig Jahren Verspätung erscheint, meint Barbara Möller. Schließlich beschreibt der Autor darin präzise die Hierarchie unter den Häftlingen und die Grausamkeiten, die sie einander antun, und rührt so an eines der letzten Tabus der NS-Aufarbeitung: der Täterschaft unter den Holocaust-Opfern. Für die Rezensentin handelt es sich um "eine interessante und zugleich furchtbare Lektüre".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.11.2016

Bittere Wahrheit
Mordechai Striglers Bericht aus Majdanek
„Eine bittersüße Saftigkeit schmiegte sich an den Gaumen und alle Glieder jauchzten auf vor unglaublicher Wonne.“ Poetisch klingt dieser Satz und doch ist darin das Bittere enthalten. Von einer Idylle kann hier keine Rede sein, genau das Gegenteil ist der Fall. Der Satz spielt in der Hölle und beschrieben werden KZ-Häftlinge, die im Wortsinne Gras fressen, um etwas in ihre leeren Mägen zu bekommen. Aufgeschrieben hat solche und ähnlich ergreifende Szenen Mordechai Strigler. Erst in diesem Jahr ist sein bereits 1946 verfasster Zeitzeugenbericht über sein Leiden im KZ Majdanek auf Deutsch erschienen. Es ist ein Buch, das auf viele Arten besonders ist.
  Strigler (1918 – 1998) war nach dem Krieg einer der bedeutendsten jiddischen Schriftsteller und Dichter. Seine Gedichte und Essays gingen in die Tausende. Zudem war er Journalist und Herausgeber der in New York erscheinenden Zeitung Yiddish Forward. Vor dem Krieg war Strigler Moralprediger in der Großen Synagoge von Warschau – und überlebte während der NS-Zeit zwölf verschiedene Ghettos und SS-Lager. 1943 war er für sieben Wochen im Lubliner KZ Majdanek, im „Reich des Todes“, gefangen.
  Dort sind er und Zehntausende andere nicht nur Opfer der SS, sondern auch dem brutalen Regime der „Funktionshäftlinge“ ausgesetzt. Mit großer Akribie und schonungsloser Offenheit beschreibt der damals 27 Jahre alte Strigler die Hierarchie der inneren Ordnung, das teuflische von den Deutschen erdachte Netzwerk jüdischer Befehlshaber, vom Stubendienst über die Blockschreiber zum Blockältesten – „sie waren auch Herren über Leben und Tod eines jeden Einzelnen von uns“. Strigler notiert die Schikanen, Erpressungen, die Schläge, die lustvollen Grausamkeiten seiner Peiniger, und er beschreibt das „ständige Hassgefühl“ auf die Juden, die unter besseren Bedingungen lebten, den „Neid auf diejenigen, die noch die Möglichkeit hatten, sich etwas zu erträumen“. Und es geht auch, als einmal einige Barackenbewohner eine Funktionshäftling übel verprügeln, um eine „Art Begierde, auch zu peinigen, die eigene Machtlosigkeit zu überwinden“.
  Eine solche Aufrichtigkeit ist nicht in jedem Zeitzeugenbericht zu finden, und auch nicht die Reflexionskraft Striglers, die die FAZ zu einem Vergleich mit Erzählungen der Holocaust-Überlebenden Primo Levi und Imre Kertész animiert hat. In der Tat erzeugen einzelne Episoden einen erzählerischen Sog, mögen die Szenen noch so abstoßend oder grausam sein. So etwa die Erzählung von den Kinder-Kapos in Majdanek, die von der SS als „Läufer“ eingesetzt wurden und zuschlugen wie die Großen. Ein solcher Bub wurde eines Tages gezwungen vor den Augen aller, seine Eltern am Galgen aufzuknüpfen. Um zu beweisen, dass er ein guter Kapo und kein Jude mehr sei.
  „Selbst wenn du am Leben bleibst, wirst du dich schämen, über solche Sachen zu schreiben. Du wirst nur schöne Reden und Wunder suchen. Die graue Wahrheit wirst du ständig ersticken, oder nur halb berichten“, sagte ein Mithäftling zu Strigler. Doch er hat es geschafft, weit mehr zu offenbaren als die Hälfte. Striglers Wahrheit ist bitter, die Lektüre tut streckenweise richtig weh. Aber durch viele Zeilen strahlt – im Angesicht des Todes – auch echte Lebensenergie. Und die Macht des Wortes über die Stockschläge.
ROBERT PROBST
Mordechai Strigler: Majdanek. Verloschene Lichter. Ein früher Zeitzeugenbericht vom Todeslager. Aus dem Jiddischen von Sigrid Beisel. Verlag zu Klampen, Springe 2016. 228 Seiten, 24 Euro. E-Book 18,99 Euro.
„Selbst wenn du am Leben
bleibst, wirst du dich schämen,
über solche Sachen zu schreiben.“
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»Mitunter entfaltet der Text einen solchen Sog, dass er wie eine Live-Reportage aus dem Lager daherkommt. (...) Mordechai Strigler hat eines der wichtigsten Zeugnisse über Majdanek geschrieben, das viel zum Verständnis der Häftlingspsyche über dieses eine Lager hinaus beiträgt.« Markus Roth in: Arbeitsstelle Holocaustliteratur, 28. September 2016