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Reformvorschläge für die EU-Fusionskontrolle
André Schmidt/Stefan Voigt: Making European Merger Policy More Predictable. Verlag Springer, Berlin 2005, 194 Seiten, 84,53 Euro.
Die Fusionskontrolle der Europäischen Union steckt gegenwärtig im tiefgreifendsten Reformprozeß seit ihrer Einführung im Jahr 1990. Das Inkrafttreten der novellierten Fusionskontrollverordnung (FKVO) im Mai 2004 war dessen (bisher) wichtigstes Ergebnis, aber keineswegs der Abschluß. Hinzu kommt vielmehr die laufende Entwicklung in der Entscheidungspraxis hin zu mehr quantitativer Analyse sowie die Reorganisation der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission.
Die Wirtschaftswissenschaftler André Schmidt (Universität Göttingen) und Stefan Voigt (Universität Kassel) liefern dazu einen ebenso originellen wie wichtigen Diskussionsbeitrag. Dreh- und Angelpunkt ihrer Argumentation ist die "Predictability", also die Vorhersehbarkeit der behördlichen Entscheidungen. Aus der Sicht der Unternehmen geht es damit um Rechtssicherheit. Bei der aktuellen Reform der EU-Fusionskontrolle (und ihrer Diskussion) wurde dieser Aspekt allerdings viel zuwenig beachtet, obwohl er aus ökonomischer Sicht von großer Bedeutung ist. Ein hohes Maß an Rechtssicherheit führt zur Bildung stabiler Erwartungen und minimiert die Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen. In der Fusionskontrolle würde ein höheres Maß an Vorhersehbarkeit bewirken, daß wettbewerbsschädliche Vorhaben unterblieben, weil die Unternehmen mit einem Verbot rechnen müßten. Die Realisierung wohlfahrtserhöhender Fusionen würde dagegen nicht verhindert, sondern sogar erleichtert.
Schmidt und Voigt sehen in diesem Punkt klare Defizite in der EU. Sie plädieren für eine umfassende Reform der EU-Fusionskontrolle, um mehr Rechtssicherheit zu erreichen. Sie argumentieren dabei auf der Grundlage jüngerer theoretischer Entwicklungen wie der Neuen Industrieökonomik und insbesondere der Transaktionskostenökonomik. Außerdem möchten die Autoren die veränderten Rahmenbedingungen der Unternehmen infolge der Globalisierung stärker berücksichtigt sehen.
Der entscheidende Vorzug ihrer Reformvorschläge liegt allerdings im umfassenden Blickwinkel, der bei vielen anderen Beiträgen zur Diskussion fehlt: Schmidt und Voigt betrachten die inhaltlichen Beurteilungskriterien nicht isoliert, sondern gehen auch auf Verfahrensfragen und die institutionellen Strukturen ein. Zentrale Vorschläge betreffen daher die Prüfkriterien zum Beispiel für den Marktzutritt ebenso wie die stärkere Trennung der Funktionen im Fusionskontrollverfahren oder die Erhöhung der Transparenz. Erst das Zusammenspiel dieser Aspekte läßt in der Praxis eine erhöhte Rechtssicherheit erwarten. Die bisher realisierten Reformen berücksichtigen dies zuwenig - und werden daher von den Autoren als nicht ausreichend kritisiert.
Untermauert werden die Reformvorschläge durch lesenswerte Fallstudien. Weiterhin präsentieren die Autoren Ergebnisse einer Umfrage unter unmittelbar betroffenen europäischen Großunternehmen, die durch den European Round Table of Industrialists (ERT) als Auftraggeber der zugrundeliegenden Studie ermöglicht wurde. Insgesamt vermittelt das vorliegende Buch viele interessante Einsichten und enthält eine Fülle konkreter Vorschläge zur Reform der EU-Fusionskontrolle.
ARNDT CHRISTIANSEN
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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