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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Das spannende und facettenreiche Leben des radikalen Schwarzenführers Malcolm X
Die Biographie zeichnet das spannende und facettenreiche Leben des Schwarzenführers Malcolm X nach. Die Münchner Historikerin Britta Waldschmidt-Nelson beschreibt dabei nicht nur anschaulich und auf umfangreiche Quellen und Zeitzeugenaussagen gestützt den Werdegang des Widersachers Martin Luther Kings, sondern rückt auch den erbitterten Kampf der Afroamerikaner in den Vereinigten Staaten der fünfziger/sechziger Jahre ins Zentrum. Bis zu Malcolm X' Tod 1965 - dem Höhepunkt des Kampfes um Gleichberechtigung, Bildung sowie die "richtige" Religion - waren das Land und die Bewegung, ungeachtet aller Erfolge, tief gespalten über die Frage gewaltbereiter, radikaler versus friedlicher und integrationswilliger Opposition. Und wohl keiner personifizierte dies mehr als der langjährige Führer des militanten Flügels der Bewegung, Malcolm X, zieht man seine Entwicklung vom radikalen, gewaltbereiten Mitglied der "Nation of Islam" zum toleranteren, womöglich am Ende auch zur Zusammenarbeit mit Martin Luther King bereiten Begründer der gemäßigten "Organization of Afro-American Unity" in Betracht.
Die radikalen Jahre sind dabei sicherlich auch dem persönlichen Schicksal Malcolm X' geschuldet. Der Angriff auf seine Familie steht symbolisch für den weißen Rassismus und verleiht seinem Widerstand und langjährigen Hass Authentizität. Geprägt wird dieser schließlich durch seine tiefe Überzeugung, dass er in den zwanziger Jahren in eine Zeit hineingeboren wurde, die Afroamerikaner trotz einiger Fortschritte seit Ende des Bürgerkrieges unverändert als Bürger zweiter Klasse erscheinen lässt. Tief verankert war das Misstrauen gegenüber allen Weißen auch in seiner Familie; der Vater konfrontiert den jungen Malcolm bereits früh mit dem historischen Erbe von Sklaverei, Segregation und Diskriminierung.
Geradezu zwangsläufig erscheint somit seine "kriminelle Karriere" in den Jahren 1940 bis 1946, die ihn am Ende siebeneinhalb Jahre Haft kostet und in die Arme der religiös-politischen Organisation "Nation of Islam" treibt. Zwei Aspekte, die die Verfasserin eindringlich in den Mittelpunkt rückt, sind in diesem Kontext besonders auffällig: Die relevanten Kapitel des Bandes zeigen nicht nur, dass das Erbe Mohammeds in den Vereinigten Staaten weder fremd noch eine reine Bedrohung von außen darstellt; bis heute ist die in bestimmten amerikanischen Milieus präsente Islamophobie Ausdruck jener im 20. Jahrhundert jahrzehntelang empfundenen inneren Zerrissenheit zumindest eines Teil der Nation. Sie belegen auch, dass Malcolm X - entgegen der nachweisbaren Fakten - in seiner Autobiographie bewusst das eigene Bild verzerrt und seine kriminellen Aktivitäten in den Vordergrund rückt. Die Gründe liegen nach Meinung der Verfasserin vor allem darin, dass er damit einem in schwarz-nationalistischen Kreisen populären Ideal schwarzer Männlichkeit und offenen Widerstands gegen weiße Autorität entsprach und zudem Leser aus den marginalisierten unteren Schichten der schwarzen Bevölkerung ansprach. Jedenfalls hörte er bereits im Gefängnis von Elijah Muhammad, einem ehemaligen Landarbeiter, der aus Protest konvertierte und die religiös-politische Organisation "The Nation of Islam" (NoI) aufbaute, um sich gegen den Rassismus der amerikanischen Gesellschaft zu wehren. Ebenjener Elijah wurde nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis für Malcolm zur Symbolfigur des schwarzen Widerstands gegen die "weißen blonden Teufel mit blauen Augen", denen die Herrschaft durch die afroamerikanischen Muslime entrissen werden sollte.
Innerhalb der NoI erfolgte der Aufstieg Malcolms zur zentralen Figur hinter und bald neben Elijah Muhammad, der mit der Organisation nicht nur ein Symbol des radikalen schwarz-muslimischen Widerstands schuf, sondern auch ein perfektes Regelwerk von Sitten und Gebräuchen, Glaubensvorstellungen und -Vorschriften installierte, welches die nahezu bedingungslose Identität seiner Mitglieder forderte. Wer Mitglied der "Nation of Islam" wurde, ersetzte seinen Nachnamen durch ein X.
Zunächst faszinierte Malcolm X die streng apolitische Haltung der NoI, ab Anfang der sechziger Jahre allerdings empfand er diese zunehmend als Einschränkung. Der von Elijah stilisierte Kampf der Kulturen, der auf amerikanischem Boden stattfand, war für ihn schließlich mehr als das - es war ein Kampf um Macht und Einfluss, um Geld und Bildung, aber auch um den Sittenkodex und die richtige Religion. Deutlich wurde dies für ihn auch auf seinen zahlreichen Auslandsreisen, bei denen er den wahren, orthodoxen Islam kennenlernte. "Mit Erstaunen" bemerkte er die Unterschiede zwischen den Glaubensdoktrinen de NoI und denen der "ummah", der weltweiten Glaubensgemeinschaft aller Muslime. Vor allem aber realisierte er, dass die mit dem Gründungsmythos des NoI verbundene radikale Verteufelung aller Weißen, wie er sie selbst noch in der von einem New Yorker Fernsehsender produzierten Serie "The Hate that Hate produced" propagierte, in direktem Widerspruch zum eigentlichen islamischen Glauben stand.
Der Bruch mit der Organisation in den Jahren 1963/64 war somit geradezu zwangsläufig und lag sicherlich auch in seiner zunehmend verfestigten Überzeugung begründet, dass ein stärkeres soziales und politisches Engagement für eine Verbesserung der Lage schwarzer Amerikaner am Ende notwendig sei. Auch wenn er bis zum Schluss kein Freund von Rassenintegration oder direkter Zusammenarbeit mit den Weißen war, so wurde schließlich die Verbesserung der Lebensbedingungen schwarzer Amerikaner für ihn zum wichtigsten Anliegen, so dass auch eine Zusammenarbeit mit der Bürgerrechtsbewegung kurz vor seinem frühen Tod immer wahrscheinlicher wurde.
Selbst an diesem Punkt aber betrachtete er Separatismus und Integrationismus nur als Methoden und nicht als Ziel des afroamerikanischen Freiheitskampfes - Ziel sei es vielmehr, als Menschen mit Respekt behandelt zu werden. Mit diesem Credo, so schlussfolgert die Verfasserin am Ende ihrer ausgewogenen Analyse, trug er auch über seinen Tod hinaus entscheidend dazu bei, dass sich das Selbstwertgefühl der Afroamerikaner positiv veränderte.
STEFAN FRÖHLICH.
Britta Wadschmidt-Nelson: Malcolm X. Eine Biographie. C.H. Beck Verlag, München 2015. 384 S., 18,95 [Euro].
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Bettina Engels, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Mai 2015
"Die Zeichen der Zeit sagen: Malcolm X muss man gelesen haben."
Frédéric Schwilden, Die Welt, 21. Februar 2015
"Eine lesenswerte Zeitreise in die Ära der Rassentrennung, die Amerika zwar abgeschafft, aber im Alltag nie überwunden hat."
Moritz Koch, Handelsblatt, 30. Januar 2015
"Ein kenntnisreiches, kluges und klar strukturiertes Buch."
Katja Ridderbusch, Deutschlandfunk, 16. Februar 2015
"Faktenreich und detailliert."
Margarete Wohlan, Deutschlandradio Kultur, 21. März 2015
"In Zeiten eines überbordenden Halbwissens und ungebremst wuchernder Meinungspublizistik im Internet setzt diese Biografie einen wohltuenden Kontrapunkt."
Heinz Gorr, Bayern 2, 17. Februar 2015
"Ein klares, kenntnisreiches Buch über die geistige Wandlung von Malcom X."
Tagesspiegel, Februar 2015