Der Apfel, die Schlange, die Erkenntnis, die Schuld, die Vertreibung, das Leben danach. Was, wenn Eva heute leben würde und sich aus der gewaltvollen Beziehung mit Adam befreien könnte? Die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben hätte? Simone Hirth nimmt das biblische erste Menschenpaar als Ausgangspunkt für eine Parabel, die unversehens in der Gegenwart landet - toxische Männlichkeit, Arbeitslosigkeit und Scheidungsprozess inklusive. Sie rechnet gnadenlos ab mit dem patriarchalen Erbe unserer Gesellschaft und öffnet die Tür zu einem anderen Lebensentwurf.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Simone Hirths Roman "Malus"
"Malus" lautet der Titel von Simone Hirths viertem Roman - das lateinische Wort für Apfel (vollständig: "Malus domestica"). Es bedeutet aber auch "böse", "hinterhältig". Denn bekanntlich sorgte der Sündenfall, Evas Biss in den Apfel, für die Vertreibung aus dem Paradies.
Hier beginnt die von der in Österreich lebenden Autorin umgeschriebene biblische Erzählung. Bei ihr verlässt Eva den Garten Eden freiwillig. Bewusst trennt sie sich von Adam und erkennt, dass das Paradies "eine Farce ist". Sie "marschiert entschlossen los". Eva flieht, Adam folgt. So landen die beiden biblischen Figuren in der Gegenwart, in Wien-Meidling. Eva will sich ein eigenes Leben aufbauen - eine Herausforderung für die junge Frau ohne Einkommen, Ausbildung oder Joberfahrung. Und mit einer ungewollten Schwangerschaft.
Schon nach kurzer Zeit lernt Eva in einer Bücherei Maria Magdalena kennen, die dort als Bibliothekarin arbeitet. Sie wird für Eva zur großen Stütze. Schließlich ist Magdalena selbst aus dem "Neuen Testament ausgestiegen", als sie sich von Jesus getrennt hat: "Es hat lange gedauert, bis ich alles ablegen konnte, was ich war. Oder besser: was aus mir gemacht wurde. Es dauert eigentlich immer noch an. Für sehr, sehr viele bin ich immer noch die Hure, die die Geschichtsschreiber aus mir machten." Vor dieser Emanzipation, der Befreiung von der Stigmatisierung steht nun auch Eva. Sie gilt als Auslöserin des Sündenfalls, die sich von der Schlange hat verführen lassen und willentlich gegen Gott gestellt hat. Durch Eva manifestierte sich der biblische Mythos der Frau als Symbol der Verführerin. Diese Zuschreibungen überdauerten die Jahrhunderte - und müssen durchbrochen werden.
Das gelingt Eva etwa dadurch, dass sie sehr viele Bücher liest. Dabei handelt es sich ausschließlich um Lektüre der Werke von Schriftstellerinnen. Aber auch Äpfel spielen eine zentrale Rolle. Die eigentliche Frucht des biblischen Sündenfalls zieht sich durch die ganze Geschichte und gibt Eva Kraft. So wie auch die Schlange, die in jenen Situationen auftaucht, in denen Eva sie dringend braucht.
Magdalena hilft Eva, sich ein autonomes Leben aufzubauen. Sie nimmt Eva in ihre Wohnung auf, unterstützt sie bei der Scheidung von Adam und während ihrer Schwangerschaft. Das tut auch die Hebamme Johanna. An die Johanna von Orléans angelehnt, tauchen in ihrer Nähe immer wieder Scheiterhaufen auf. Im biblischen Sinne lassen sich Hebammen als Hexen deuten, die als Geburtshelferinnen in die Natur eingreifen wollen und damit gegen Gottes Willen handeln. Gott erklärt es Eva in einem Brief: "Du sollst deine Kinder unter Schmerzen gebären", als Strafe für ihre Flucht aus dem Paradies. Mittels des Durchbrechens der biblischen Werte erzählt Simone Hirth in ihrem Roman die Geschichte der ehedem vom Christentum stigmatisierten Frauen neu.
Die Flucht aus dem Paradies hat Eva nicht geholfen, Adam drangsaliert sie weiter und wird dabei von Gott unterstützt. So gibt der etwa Evas Handynummer an Adam weiter mit der Begründung: "Er hat ein Recht darauf, informiert zu werden. Denn du bist aus seiner Rippe gemacht." Wie in der Bibel steht das erste Menschenpaar für Mann und Frau an sich. Aus der Rippe geschaffen, ist sie nur ein Teil von ihm, womit gerechtfertigt wird, warum die Frau dem Mann unterlegen sei und auch sein sollte. Nachdem Adams Wut gegenüber Eva überhandnimmt, erstattet sie Anzeige bei der Polizei. Doch Adam tut das nur "als Trennungsstreit" ab. "Das kommt vor [...]. Verlassen wird niemand gern. Das steckt keiner leicht weg." Hirth zeigt, wie wenig ernst Frauen in Notsituationen genommen werden.
Der feministische Roman hat eine klare Botschaft. Hirth durchbricht alte Werte, dreht Zuschreibungen um. So stellt sich Adam als Prototyp toxischer Männlichkeit heraus. Empathisch und ironisch gelingt es der Autorin, auf Missstände aufmerksam zu machen und Frauen zu ermutigen, die sich aus einer belastenden Beziehung befreien möchten. Es geht um solche, die versuchen, aus ihrem Leben auszubrechen. Aber auch daran scheitern können. Auch Evas Geschichte endet tragisch. "Jeder Femizid ist einer zu viel", heißt es im Nachwort des Romans. ANNA-LOUISA SCHÖNFELD
Simone Hirth: "Malus". Roman.
Kremayr & Scheriau, Wien 2023. 176 S., geb., 24,- Euro.
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Steffi Hader, Autorin