Georg Gustav Erbkam war der Architekt der Lepsius-Expedition nach Ägypten in den Jahren 1842-45. Auch wenn Elke Freier den Namen „Lepsius-Expedition“ als fehlgeleitet empfindet, möchte ich ihn im Folgenden dennoch beibehalten, da die Bezeichnung seit dem 19. Jahrhundert etabliert und auch allgemein
üblich ist.
Die sehr sorgfältige, mit zahlreichen Querverweisen und Referenzen versehene…mehrGeorg Gustav Erbkam war der Architekt der Lepsius-Expedition nach Ägypten in den Jahren 1842-45. Auch wenn Elke Freier den Namen „Lepsius-Expedition“ als fehlgeleitet empfindet, möchte ich ihn im Folgenden dennoch beibehalten, da die Bezeichnung seit dem 19. Jahrhundert etabliert und auch allgemein üblich ist.
Die sehr sorgfältige, mit zahlreichen Querverweisen und Referenzen versehene Edition von Erbkams Tagebüchern der Expedition steht in direktem Zusammenhang mit den bereits 2013 erschienenen Reisebriefen Erbkams und ergänzt diese hervorragend. Während die Reisebriefe bereits an Dritte gerichtet waren, sind die Tagebücher deutlicher vom unmittelbaren Eindruck geprägt, ungefilterter und im Zweifel auch kritischer in der Wertung von Mitreisenden oder Situationen. Erbkam schrieb seine Tagebücher oft bis tief in die Nacht, nach einem arbeitsreichen Tag. Bemerkenswert ist die Sorgfalt, die er in seine Beschreibungen legt, sowohl was den faktischen Inhalt als auch seine innere Einstellung angeht. Ihm war stets bewusst, dass diese Reise ein einmaliges Ereignis in seinem Leben bleiben würde und dass angesichts der Fülle des Erlebten diese Aufzeichnungen zu seinem einzig verlässlichen Gedächtnis werden würden. Lepsius führte zwar ein akribisch genaues Grabungstagebuch, das in seiner Zeit Maßstäbe setzte, aber er war kein Chronist seiner sozialen Umgebung, es sei denn, er bewegte sich in Herrscherkreisen. Seine bereits 1852 veröffentlichten „Briefe aus Ägypten“ sind bezüglich des Zusammenlebens wenig ergiebig und er neigte sowieso nicht zu klaren Worten der Kritik. Erbkam dagegen bemerkt bereits früh die sozialen Spannungen, die insbesondere durch den Gipsformer Carl Franke ausgelöst wurden, der im späteren Verlauf die Expedition auch verlassen musste. Franke war damit neben dem Maler Johann Jakob Frey, der aus gesundheitlichen Gründen ausschied, der einzige Teilnehmer, der die Reise nicht beendete. Todesfälle gab es, trotz der ausgesprochen risikobehafteten Reiseroute keine, alle Teilnehmer konnten die Früchte ihrer Arbeit noch jahrzehntelang ernten.
Die Edition ist eine wortgenaue Transkription, wobei die von Erbkam verwendeten Abkürzungen dankenswerterweise (im Schriftbild erkennbar) ergänzt werden. Erbkam erwähnt des Öfteren von ihm angefertigte Zeichnungen, die, soweit identifizierbar, mit Querverweisen auf seine Feldskizzenbücher versehen oder als verkleinerte Faksimiles eingebunden sind. Ebenfalls werden Lepsius‘ Grabungsbücher, seine Briefe, sowie die umfangreiche Expeditionspublikation „Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien“ und die bereits erwähnten Reisebriefe Erbkams referenziert. Interessant ist das auch vor dem Hintergrund, was in diesen parallelen Quellen erscheint und was nicht. Das Bild wird sich voraussichtlich noch weiter komplettieren, wenn die kürzlich entdeckten Tagebücher Max Weidenbachs ebenfalls editiert werden (in Vorbereitung). Mehrere Indizes zu den erwähnten Personen, Orten und Sachschlagworten bieten im Anhang zusätzlich Orientierung und Nutzen.
Die Lepsius-Expedition war eine epochale Leistung. Hervorragend geplant, minutiös und mit Fleiß durchgeführt, ausgesprochen ertragreich und bis heute von großem wissenschaftlichen Wert. Durch die Erschließung des privaten Archivmaterials „der zweiten Reihe“ bekommt der Leser zunehmend alternative bzw. komplettierende Sichten auf den Expeditionsverlauf und die Gruppendynamik, zumal gerade Lepsius oft abwesend war und die Expeditionsroute in einigen Fällen auch geteilt wurde. Erbkam ist ein genauer Chronist, der nicht nur die Kontakte mit hochgestellten Persönlichkeiten, sondern auch das Lagerleben protokolliert und die fremdartige Schönheit der Landschaften zu genießen weiß. Für den heutigen Leser sind die unmittelbaren Schilderungen von großer Authentizität und Direktheit und erlauben einen faszinierend lebendigen Blick in die Vergangenheit. Für die Wissenschaft erschließen sich dagegen neue Facetten, insbesondere zur Arbeitsorganisation, den gruppendynamischen Prozessen und privaten Ansichten der Expeditionsteilnehmer.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)