"Louise!" "Madame!" "Ich bin für niemanden zu sprechen, sollte Besuch kommen, so erklärst Du, daß ich heute nicht empfange. Ich will niemanden sehen - hörst Du, niemanden!" "Sehr wohl, Madame. - Haben Madame sonst noch Wünsche?" "Packe den kleinen Koffer, der im Schlafzimmer steht, aus!" Die Kammerfrau verschwand und ließ ihre Herrin in dem lauschigen, mit größtem Luxus ausgestatteten Zimmer allein. Marion Delorme, die bisher auf einer Chaiselongue gelegen hatte, erhob sich und trat ans Fenster. Sie hatte von hier aus einen wunderbaren Blick über die ruhig dahinfließende Seine und die im Hintergrunde auftauchende Kirche St. Germain. Ihre dunklen, feurigen Augen bekamen jetzt einen verträumten Ausdruck. Die letzten drei Tage, die sie fern von Paris verlebt hatte, zogen an ihrem Geiste vorüber. Wie glücklich war sie in dem kleinen Städtchen Blois gewesen, dem Orte, in dem einst ihre Wiege gestanden hatte und den sie von Zeit zu Zeit aufsuchte, wenn es galt, dem Manne zu begegnen, nach dem sie mit allen Fasern des Herzens verlangte. Und doch zitterte Marion Delorme vor dem Augenblick, in dem Marcel Pareche erfahren würde, wer jene Marie sei, die auch er, der unbekannte Dichter, über alles liebte. Das kleine Städtchen Blois war nur vierzig Kilometer von Paris entfernt. Wie oft waren hier Offiziere und Vertreter des Hochadels, und Marion Delorme war vielen von ihnen sehr gut bekannt. Marion schüttelte den Kopf mit dem vollen Lockenhaar. Nur nicht daran denken, das Leben auskosten, das ihr bis jetzt so freundlich gelächelt hatte. Was wollte sie eigentlich noch? Sie entstammte kleinen, bürgerlichen Kreisen, war als blutjunges Mädchen nach Paris gekommen und hatte durch ihre Schönheit den in Paris bekannten Dichter Edmond Desbarreaux derart gefesselt, daß er Marion seine heiße Liebe gestand, sie mit Geschenken überschüttete und als Gegengabe das köstliche Geschenk, das sie zu vergeben hatte, ihre Tugend, erhielt. Sie schaute zum blauen Firmamente empor. Wie merkwürdig war doch ihr Schicksal. Sie hatte niemals daran glauben wollen, daß sich die Zukunft, die man ihr einstmals prophezeit hatte, wirklich so freundlich gestalten würde. In dem kleinen Blois war es ein recht bescheidenes Dasein gewesen, das sie geführt. Der Vater hatte sich mühsam sein tägliches Brot verdient, es war schwer, die Familie zu ernähren. Sie sah nicht gerade fröhlich in die Zukunft, zumal die Eltern ständig kränkelten. Da flatterte eines Tages eine Botschaft in das Haus, die sie kaum ...
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