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© Perlentaucher Medien GmbH
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Ed Conway über sechs zentrale Rohstoffe
Der Arbeitsprozess erlösche im Produkt, schrieb Karl Marx im "Kapital", ihm ist nicht mehr anzusehen, dass es von Menschen mit ihren Werkzeugen aus den Rohstoffen der Erde fabriziert worden ist. Was etwa für die Taschenuhr des neunzehnten Jahrhunderts galt, trifft nicht weniger für das Smartphone unserer Tage zu. Seine Käufer haben in der Regel keinen Schimmer, wie es produziert wurde und woraus es eigentlich besteht.
Marx' Satz würde sich ganz gut als Motto für Ed Conways Buch eignen, auch wenn sein Autor kein Marxist ist. Conways Interesse gilt weniger den produzierenden Menschen als den materiellen Ressourcen, aus denen im Produktionsprozess Waren entstehen. Mangelndes Wissen über diese Ressourcen, dies lässt Conway zumindest anklingen, blendet aus, dass ihre Ausbeutung desaströse Folgen hat.
Wenig überraschend, hat Conway das Erdöl im Visier, dessen Verbrauch den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre anwachsen lässt. Gleichzeitig gäbe es ohne Öl keine Kunststoffe, vor allem Polyethylen, dank dem wir nicht mehr so viele Bäume fällen und zu Papier, Pappe und Isolationsmaterial verarbeiten müssen. Das Erdgas wiederum steckt zum Beispiel in den Tomaten; die meisten Nutzpflanzen wachsen nur dank Stickstoffdünger, der aus Erdgas hergestellt wird. Ohne Düngemittel wäre nach Conway nicht einmal die Hälfte der Weltbevölkerung zu ernähren.
Und in den Handys steckt nicht nur Lithium, sondern auch Sand. Letzterer bildet die Grundlage für Gläser, und das Offshore-Windrad, das die Abhängigkeit vom Öl beenden soll, wird aus Glas, Eisen, Kupfer und Öl "mit einer Prise Salz" gefertigt, alle diese Rohstoffe stecken in ihm. Unsere Welt, statuiert Conway, ist auf Sand und Salz gebaut.
Insgesamt sechs materielle Stoffe sowie ihre Gewinnung, Weiterverarbeitung und Veredelung stellt Conway in seinem Buch näher vor. Sie stecken in fast allen Dingen, die wir im Alltag gebrauchen: Sand, Salz, Eisen, Kupfer, Öl, Lithium. Dabei streut er Reportage-Elemente in seine gründlich recherchierte Darstellung ein. Ob im Bergwerk in Chile, in der Raffinerie im Rheinland, in der Megafabrik in Taiwan oder im futuristischen Recyclingbetrieb in Belgien: Es knallt, dröhnt und stinkt, während der Autor mit Helm oder im weißen Hygieneanzug seinen Rundgang macht. Nicht immer wurde er hineingelassen, manchmal befanden die Firmen, ihre Betriebsgeheimnisse seien zu schützen. Bezeichnenderweise sind ihre Namen im Gegensatz zu den omnipräsenten Techgiganten aus dem "Silicon Valley", die aber schon lange keine Siliziumchips mehr produzieren, wohl kaum einem Laien bekannt.
Der Autor unternimmt für seine Rohstoffe auch historische Exkurse. Sie allerdings überzeugen nicht, weil ihnen der historische Sinn fehlt. Die Geschichte etwa des Salzes, die Conway streift, dient ihm bloß dazu, dessen uralte und ungebrochene Bedeutung für die Menschheit zu demonstrieren, als ob Mentalität und sogar Wirtschaftsweise im Laufe der Jahrhunderte die gleichen geblieben wären. So sieht er in einer Anlage zur Salzgewinnung in England, die schon um 6000 vor Christus entstanden sei, die Ursprünge dessen, "was wir heute geistiges Eigentum, Technologietransfer und - Kapitalismus nennen". Mit dem modernen Kapitalismus dürfte diese Anlage freilich kaum etwas gemein gehabt haben.
Und wie nun könnte für Conway ein erfolgreicher Kampf gegen die Erderwärmung aussehen? Er sieht ihn in einer fünften Energiewende - nach den Umwälzungen, welche die Nutzbarmachung fossiler Brennstoffe, die Elektrifizierung sowie der Verbrauch von Erdgas und Erdöl gebracht hätten. Diese Wende könne gelingen dank dem Rohstoff Lithium, der nicht nur die - im Gebrauch, nicht in der Herstellung - emissionsarmen Batterien antreibt, sondern auch als Kühlmittel für die Kernfusion zur Stromerzeugung unentbehrlich sein werde; also für die künftige Atomenergie. Diesem technologischen Ausweg zugetan, bilanziert Conway am Ende seines Buchs, dass vielleicht "unsere Kinder ihre Kernkraftwerke mit der gleichen Zufriedenheit ansehen wie wir heute unsere Smartphones". URS HAFNER
Ed Conway: "Material World". Wie sechs
Rohstoffe die Geschichte der Menschheit prägen.
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2024. 544 S., geb., 26,- Euro.
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