Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
"Ich versuche in diesem Buch eine neue Definition von Deutschsein", schreibt Ali Can gleich in der Einleitung. Arbeit und Herkunft des selbsternannten Sozialaktivisten sind so eng verstrickt, dass sie im Text miteinander verschmelzen. Bekannt wurde der Sechsundzwanzigjährige mit dem Hashtag MeTwo. Seine Eltern, kurdische Aleviten aus der Türkei, flohen mit ihm 1995 nach Deutschland. Zwölf Jahre mussten sie warten, bis sie eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten. Nun verneigt sich Can vor ihrer Leistung, in der Fremde eine Existenz aufzubauen, obwohl ihnen die Abschiebung drohte und sie von Neonazis schikaniert und von Behörden erniedrigt wurden.
Er beschreibt, wie sich sein Vater, der Probleme mit dem sperrigen Beamtendeutsch hatte, Unterstützung in Dönerläden suchte. Dort wartete er, bis die Angestellten keine Kunden mehr bedienen mussten, und bat um Hilfe. "Die Erinnerung, wie er da allein an seinem Tisch saß, türkischen Tee trank und in den Unterlagen blätterte, bewegt mich noch heute", schreibt Can. Hinzu kommt das Hadern mit dem eigenen Deutschsein: "War ich irgendwie ,überintegriert'?", fragt er an einer Stelle und überträgt die Gedanken zu seiner persönlichen Situation gleich in die gesamtgesellschaftliche Debatte: "Ist Integration nicht vielmehr ein Prozess, der von Mensch zu Mensch verschieden abläuft und individuell andere Anforderungen stellt?"
Can schafft es, stets einen Schritt zurückzutreten, Diffamierungen von Menschen mit Migrationshintergrund sowie Kritik an ihrer mangelnden Integration zu analysieren und konstruktiv zu wenden. Trotzdem ist seine Diagnose bitter: In Deutschland existiere eine "zunehmende Enthemmung rassistischen Gedankenguts in der ,Mitte' der Gesellschaft"; außerdem fehle "eine zivilisierte Streitkultur bei politisch brisanten Themen".
SARAH OBERTREIS.
Ali Can: "Mehr als eine Heimat". Wie ich Deutschsein neu definiere.
Dudenverlag, Berlin 2019. 224 S., br., 15,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH