Skurril, schrill und voller Leben. – Willkommen in Sigges fabelhafter Welt! Seit Sigge Stockholm verlassen hat, ist sein Leben so viel besser geworden! In Omas Hotel, dem ROYAL GRAND GOLDEN HOTEL in Skärblacka, fühlt er sich wie zu Hause, und in der Schule ist niemand mehr gemein zu ihm. Noch besser wird es, als die coolen Zwillinge Sixten und Jona ihn bitten, in ihrer Hip-Hop-Band mitzumachen und bei der Weihnachtsshow der Schule aufzutreten. Ärgerlich ist nur, dass die Zwillinge überhaupt keinen Wert auf Proben legen - oder auch nur Texte zu schreiben! Das stresst Sigge ziemlich. Er fragt sich, warum es so schwer ist, wirkliche Freunde zu finden. Ist das der Preis dafür, unbedingt beliebt sein zu wollen? »Mein genialer Tod« ist die lang erwartete Fortsetzung zu »Mein geniales Leben« (nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2022 in der Sparte Kinderbuch).
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2022Lässig oder Loser
In „Mein genialer Tod“ erzählt Jenny Jägerfeld leichtgängig von Schwerem
Die Oma ist das größte Ereignis. Selbst im Alltag trägt sie zitronengelbe Stöckelschuhe und grüne Glitzerleggins. Und wenn sie sich bei Eiseskälte in ihr Corvette-Cabrio setzt, auch mal ihren schwarzen Zobelpelz. Kochen ist nicht so ihr Ding, obwohl sie in einem ehemaligen Hotel lebt, in dem sie jetzt ausgestopfte Tiere sammelt. Und natürlich hat die einstige Hippie-Aussteigerin, die Charlotte statt Oma genannt werden will, auch extravagante Meinungen, zum Beispiel zum Schuleschwänzen: Das findet sie nun wirklich nicht so schlimm.
Für ihre Enkel ist diese Oma ein Geschenk. Mit viel Coolness federt sie ab, dass die Tochter mit drei Kindern ohne sichtbare Väter bei ihr eingezogen und angesichts quälend vieler Arbeitsschichten kaum zu Hause ist. Die Oma hält es mit ein paar Zigaretten locker aus, dass die vierjährige Bobo fast nur mit einem ausgestopften Pinguin spricht. Sie macht sich nichts daraus, dass die achtjährige Schwester Majken dafür umso lauter davon erzählt, dass sie beim Schul-Krippenspiel den Jesus spielen darf. Und sie stützt auch den ältesten Enkel Sigge, den von vielen Fragen umgetriebenen Ich-Erzähler des Jugendbuchs „Mein genialer Tod“.
Die bereits mehrfach ausgezeichnete schwedische Jugendbuchautorin Jenny Jägerfeld – 2017 wurde ihr der schwedische Astrid-Lindgren-Preis verliehen, eine der höchsten Auszeichnungen im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur – hat ein Faible für skurrile Settings und ebensolche Figuren. Der Vorgängerband „Mein geniales Leben“, im vergangenen Jahr auf Deutsch erschienen, war denn auch für den diesjährigen Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. „Mein genialer Tod“ führt nun die Geschichte aus dem Hotel Oma fort – und schafft es erneut, leichtgängig von schweren Themen zu erzählen und damit vielleicht auch Jungs zum Lesen zu bringen.
Denn Sigge vereint viele Eigenschaften, die zur Identifikation einladen, nicht nur weil er geschickt auf Inlinern unterwegs ist. Wer bin ich? Wie sehen mich die anderen – und wie wichtig ist mir das? Diese Fragen treiben wohl nicht nur Sigge um. Der von Stockholm in ein Dorf namens Skärblacka verpflanzte Zwölfjährige fühlt sich tief verunsichert; nach früheren Mobbing-Erfahrungen fällt es ihm schwer, anderen Kindern wirklich zu vertrauen.
Ihm ist natürlich nicht entgangen, dass er mit seiner hellbraunen Haut und den schwarzen Locken anders aussieht als der schwedische Durchschnitt. Doch nur langsam wird ihm bewusst, dass seine Selbsteinschätzung als „Loser“ gar nicht stimmt: Sigge hat nicht nur eine sehr spezielle, von der japanischen Kultur faszinierte Freundin namens Juno gefunden, mit der zusammen er eine „Dating-App für Haustiere“ entwickelt. Von lässigen Zwillingen, den Klassenstars, wird er sogar gefragt, ob er eine Hiphop-Crew mitbegründen will, die bei der Schulweihnachtsfeier rappt.
Die Vorbereitungen für diese Feier geben den Rhythmus der turbulenten Handlung vor, die den Helden gemäß gängigen Plotmustern erst in immer schwierigeren Situationen verzweifeln lässt, bevor er am Ende erleichtert durchatmen darf und sogar einen Erfolg auf der Bühne feiert – nur um zu merken, dass ihm das gar nicht entspricht. Doch zuvor lernt Sigge noch einiges mehr in diesem dicken Schmöker, der zwar viele lustig-verspielte Szenen und Dialoge bieten mag, in den Kernbotschaften jedoch schnörkellos direkt daherkommt.
Die zielen insbesondere aufs Thema Freundschaft: Sigge wird klar, dass man sich entschuldigen kann, wenn man jemanden enttäuscht. Dass es Zeit braucht, bis man andere kennen und verstehen lernt. Und dass es Gefühle gibt, die übers Freundschaftliche hinausgehen und darauf hindeuten können, dass man dem eigenen Geschlecht zuneigt – und auch dazu stehen darf. Doch dieses nur angerissene Thema wird vermutlich in einem weiteren Band in den Mittelpunkt rücken; Ratschläge von Oma garantiert inklusive.
ANTJE WEBER
Soll Sigge auf der
Schulweihnachtsfeier
rappen?
Jenny Jägerfeld:
Mein genialer Tod.
Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Verlag Urachhaus,
Stuttgart 2022,
410 Seiten, 19,90 Euro. Ab 10 Jahren.
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In „Mein genialer Tod“ erzählt Jenny Jägerfeld leichtgängig von Schwerem
Die Oma ist das größte Ereignis. Selbst im Alltag trägt sie zitronengelbe Stöckelschuhe und grüne Glitzerleggins. Und wenn sie sich bei Eiseskälte in ihr Corvette-Cabrio setzt, auch mal ihren schwarzen Zobelpelz. Kochen ist nicht so ihr Ding, obwohl sie in einem ehemaligen Hotel lebt, in dem sie jetzt ausgestopfte Tiere sammelt. Und natürlich hat die einstige Hippie-Aussteigerin, die Charlotte statt Oma genannt werden will, auch extravagante Meinungen, zum Beispiel zum Schuleschwänzen: Das findet sie nun wirklich nicht so schlimm.
Für ihre Enkel ist diese Oma ein Geschenk. Mit viel Coolness federt sie ab, dass die Tochter mit drei Kindern ohne sichtbare Väter bei ihr eingezogen und angesichts quälend vieler Arbeitsschichten kaum zu Hause ist. Die Oma hält es mit ein paar Zigaretten locker aus, dass die vierjährige Bobo fast nur mit einem ausgestopften Pinguin spricht. Sie macht sich nichts daraus, dass die achtjährige Schwester Majken dafür umso lauter davon erzählt, dass sie beim Schul-Krippenspiel den Jesus spielen darf. Und sie stützt auch den ältesten Enkel Sigge, den von vielen Fragen umgetriebenen Ich-Erzähler des Jugendbuchs „Mein genialer Tod“.
Die bereits mehrfach ausgezeichnete schwedische Jugendbuchautorin Jenny Jägerfeld – 2017 wurde ihr der schwedische Astrid-Lindgren-Preis verliehen, eine der höchsten Auszeichnungen im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur – hat ein Faible für skurrile Settings und ebensolche Figuren. Der Vorgängerband „Mein geniales Leben“, im vergangenen Jahr auf Deutsch erschienen, war denn auch für den diesjährigen Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. „Mein genialer Tod“ führt nun die Geschichte aus dem Hotel Oma fort – und schafft es erneut, leichtgängig von schweren Themen zu erzählen und damit vielleicht auch Jungs zum Lesen zu bringen.
Denn Sigge vereint viele Eigenschaften, die zur Identifikation einladen, nicht nur weil er geschickt auf Inlinern unterwegs ist. Wer bin ich? Wie sehen mich die anderen – und wie wichtig ist mir das? Diese Fragen treiben wohl nicht nur Sigge um. Der von Stockholm in ein Dorf namens Skärblacka verpflanzte Zwölfjährige fühlt sich tief verunsichert; nach früheren Mobbing-Erfahrungen fällt es ihm schwer, anderen Kindern wirklich zu vertrauen.
Ihm ist natürlich nicht entgangen, dass er mit seiner hellbraunen Haut und den schwarzen Locken anders aussieht als der schwedische Durchschnitt. Doch nur langsam wird ihm bewusst, dass seine Selbsteinschätzung als „Loser“ gar nicht stimmt: Sigge hat nicht nur eine sehr spezielle, von der japanischen Kultur faszinierte Freundin namens Juno gefunden, mit der zusammen er eine „Dating-App für Haustiere“ entwickelt. Von lässigen Zwillingen, den Klassenstars, wird er sogar gefragt, ob er eine Hiphop-Crew mitbegründen will, die bei der Schulweihnachtsfeier rappt.
Die Vorbereitungen für diese Feier geben den Rhythmus der turbulenten Handlung vor, die den Helden gemäß gängigen Plotmustern erst in immer schwierigeren Situationen verzweifeln lässt, bevor er am Ende erleichtert durchatmen darf und sogar einen Erfolg auf der Bühne feiert – nur um zu merken, dass ihm das gar nicht entspricht. Doch zuvor lernt Sigge noch einiges mehr in diesem dicken Schmöker, der zwar viele lustig-verspielte Szenen und Dialoge bieten mag, in den Kernbotschaften jedoch schnörkellos direkt daherkommt.
Die zielen insbesondere aufs Thema Freundschaft: Sigge wird klar, dass man sich entschuldigen kann, wenn man jemanden enttäuscht. Dass es Zeit braucht, bis man andere kennen und verstehen lernt. Und dass es Gefühle gibt, die übers Freundschaftliche hinausgehen und darauf hindeuten können, dass man dem eigenen Geschlecht zuneigt – und auch dazu stehen darf. Doch dieses nur angerissene Thema wird vermutlich in einem weiteren Band in den Mittelpunkt rücken; Ratschläge von Oma garantiert inklusive.
ANTJE WEBER
Soll Sigge auf der
Schulweihnachtsfeier
rappen?
Jenny Jägerfeld:
Mein genialer Tod.
Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Verlag Urachhaus,
Stuttgart 2022,
410 Seiten, 19,90 Euro. Ab 10 Jahren.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Antje Weber freut sich, dass es eine Fortsetzung zu Jenny Jägerfelds Buch "Mein geniales Leben" gibt. In "Mein genialer Tod" erzählt die vielfach ausgezeichnete schwedische Autorin erneut von der schrägen Oma Charlotte und ihren drei Enkeln aus der Perspektive des 12-jährigen Sigge, erklärt Weber. Jägerfeld wandelt dabei der Rezensentin zufolge viele schwere Themen, wie beispielsweise "Anders-Sein" und Mobbing in leichte Kost um. Das ist ein schöner "dicker Schmöker" über Gefühle, Freundschaft und mehr, der sicherlich noch einen weiteren Band mit sich bringen wird, schließt Weber.
© Perlentaucher Medien GmbH
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