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Die Tagebuchauswahl aus fast fünfzig Jahren zeigt einen großen Künstler der Leipziger Schule bei der Arbeit, beim Nachdenken über sein Ich und die Welt. Ein bedeutendes kulturhistorisches Dokument. Werner Tübke war unbestreitbar einer der bedeutendsten deutschen Maler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seit den siebziger Jahren arbeitete der Leipziger Künstler mit namhaften Galerien in Mailand, Paris, New York, in Westberlin und Bremen zusammen, große internationale Museen kauften seine Bilder. Als Auftragsmaler in der DDR war er nicht immer unumstritten. Sein bekanntestes Werk ist das…mehr

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Produktbeschreibung
Die Tagebuchauswahl aus fast fünfzig Jahren zeigt einen großen Künstler der Leipziger Schule bei der Arbeit, beim Nachdenken über sein Ich und die Welt. Ein bedeutendes kulturhistorisches Dokument. Werner Tübke war unbestreitbar einer der bedeutendsten deutschen Maler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seit den siebziger Jahren arbeitete der Leipziger Künstler mit namhaften Galerien in Mailand, Paris, New York, in Westberlin und Bremen zusammen, große internationale Museen kauften seine Bilder. Als Auftragsmaler in der DDR war er nicht immer unumstritten. Sein bekanntestes Werk ist das 14 x 123 m große Bauernkriegspanorama im thüringischen Bad Frankenhausen, das bisher von fast 2 Millionen Besuchern bewundert wurde. Die insgesamt 26 privaten Tage- und Skizzenbücher, die der Künstler von 1950 bis 2001 führte, wurden nach seinem Tod entdeckt und werden hier zum ersten Mal veröffentlicht. Sie erlauben einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt des Künstlers. Tübke, der sich so konsequent geweigert hatte, seine Bilder zu kommentieren oder gar zu deuten, zeigt sich hier im Selbstgespräch, voller Zweifel und tastend auf der Suche nach dem eigenen Ich, nach dem, was er künstlerisch auf grandiose Weise ins Werk setzte. Er spricht skeptisch über die Zumutungen der Kulturpolitik, seine Verzweiflungen, Hoffnungen und Wirrungen, über seine biografischen und gesellschaftspolitischen Erfahrungen.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Werner Tübke (1929-2004), nach Kriegsende Verhaftung durch die sowjetische Militärjustiz, Entlassung nach neun Monaten. 1948 bis 1953 Kunststudium in Leipzig und Studium der Kunsterziehung und Psychologie in Greifswald. Danach freier Künstler und Angestellter der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, ab 1972 Professor, 1973 bis 1976 Rektor.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2017

Den Bildgedanken muss man durchstehen

Nicht ohne die Alten Meister, doch mit Sinn für bildkünstlerische Avantgarde: Ein Band gibt Einblick in die nachgelassenen Tagebücher und Notizen des Leipziger Malers Werner Tübke.

Wenn ich beginne jetzt unerwartet eine Art Tagebuch zu führen, so hat das seine Gründe. Mir scheint, man sollte sich viel mehr darüber klar sein, daß man gegenwärtig existiert, lebt." Mit diesen Zeilen setzen am 24. März 1954 Werner Tübkes Tagebuchaufzeichnungen ein. Der knapp fünfundzwanzig Jahre alte Künstler ist zu diesem Zeitpunkt am Zentralhaus für Laienkunst in Leipzig tätig und dort für die ästhetische Erwachsenenbildung zuständig. Doch was ihn wirklich umtreibt, ist weniger die Vermittlung sozialistischer Kunstprinzipien als vielmehr sein schwankendes Welt- und Selbstverhältnis. Tief beunruhigt über die Zeitläufte, ermahnt er sich, im Inneren Position zu beziehen und sich vorzubereiten. "Worauf? Auf das, was das Ende des Hiesigen sein kann: Krieg." Vor dem Hintergrund atomarer Aufrüstung und steigender Ost-West-Spannungen erlebt Tübke die eigene Gegenwart als apokalyptische Krisen- und Endzeit, die ihn zur Selbstprüfung zwingt. Allerdings erzeugt nicht nur die bedrohliche Weltlage einen gewissen Druck, sondern auch ein kritisches Kollegium: "Man wirft mir ,glänzen' vor, kokettieren mit dem Stift und mit dem Pinsel. So unrecht hat ,man' nicht. Vielleicht ist das die größere Gefahr, hemmungslos der Zeichenkunst freien Spielraum zu lassen."

Die sich bereits in diesem ersten Eintrag abzeichnende Spannung zwischen pessimistischer Weltsicht und lustbetontem Ästhetizismus sowie zwischen politischer Anteilnahme und künstlerischem Eigensinn zieht sich leitmotivisch durch Werner Tübkes Tagebücher, deren Existenz über seinen Tod im Jahre 2004 hinaus unbekannt war. Erst 2007 öffnete seine Witwe jene Schreibtischschubladen und Schränke, in denen schließlich 14 Tagebücher, 12 Skizzenbücher und mehrere Hefter mit losen Notizen zum Vorschein kamen. Auf über 3500 meist engbeschriebenen Seiten hat Tübke zwischen 1950 und 2001 seine Gedanken festgehalten. Als Schenkung von Brigitte Tübke-Schellenberger sind sie in den Besitz der Universitätsbibliothek Leipzig gelangt, wo sie in den letzten Jahren archivarisch erfasst und digitalisiert wurden. Allerdings ist die Einsichtnahme vor Ort aus Datenschutzgründen bis 2024 nicht möglich.

Umso mehr ist es zu begrüßen, dass nun eine vorzüglich edierte Auswahl in einem nobel ausgestatteten Band vorliegt, die einen repräsentativen Einblick in die Aufzeichnungen gewähren möchte. Die Herausgeber, Annika Michalski und Eduard Beaucamp, haben aus diesem Grund nicht allein biographisch oder kunsttheoretisch relevante Textpassagen für den Abdruck ausgewählt, sondern immer wieder auch in Stichpunkten fixierte Tagespläne, Unterrichts- und Vortragsnotizen, Rezepte für malerische Grundierungsarbeiten, Werklisten für Ausstellungen und alle möglichen spaltenweise notierten Begriffe, Aphorismen und Zitate, um den Charakter des Tagebuchs als "Alltags- und Allzweckinstrument" (Beaucamp) zu erhalten. Nicht nur intellektuelle Höhepunkte und biographische Tiefpunkte, sondern auch die Mühen der Ebene kommen so in den Blick.

Über ein Drittel der Aufzeichnungen stammt aus den fünfziger Jahren. Die frühen Notate zeigen den Künstler auf der Suche nach sich selbst und seiner Position in der Gesellschaft. Die Bezirksleitung wirft ihm "Eklektizismus" vor, die Parteiversammlung beanstandet seinen "Revisionismus". Im Gegenzug klagt Tübke über das "Funktionärsdeutsch" seiner Hochschulkollegen. Zugleich sieht er sich zwischen allen Stühlen. Von den "Überrealistisch-Radikalen" distanziert er sich ebenso wie von den "Formal-Radikalen". Den jungen Berhard Heisig zählt er zu Letzteren und bezeichnet ihn als "begabtes Schwein", dessen Bildentwürfe ihn nicht nur in Erstaunen versetzen, sondern sogar Minderwertigkeitsgefühle bei ihm hervorrufen. Nichtsdestoweniger hält er das "krampfige Suchen nach neuen Formen" für ein Übel und fordert dagegen: "Natur bewahren, einfach machen, empfinden, gestalten und Natur dabei wiedererlangen."

Die Verbindung zur Natur ist es offenbar auch, die ihn angesichts des "action paintings" Jackson Pollocks überraschend zum Schwärmen bringt: "Welche Konsequenz des kraftvollen Durchstehens des Bildgedankens! Weshalb soll das nicht anregend sein!" Daran geht ihm die Inkonsequenz und Halbherzigkeit seiner sich modern gebärdenden Kollegen auf, die er für "konservativ bis auf die Knochen" hält, "weil die Mittel nicht an der vordersten Front der bildkünstlerischen Entwicklung stehen und kein neues Naturverhältnis, keine neuen Einsichten in Zusammenhänge von Natur, Gesellschaft und Denken da sind". Der scheinbare Traditionalist Tübke fordert hier nicht weniger als eine formale und geistige Avantgarde!

Die Tagebücher lassen keinen Zweifel daran, wie quer Tübke von Anfang an nicht nur zum DDR-System und seinen Vorgaben, sondern auch zu den meisten modernistischen Alternativen steht. Programmatisch beruft er sich mit Vorliebe auf die Alten Meister. 1960 schwebt ihm etwa eine Synthese der Realismen von Dürer und El Greco vor, in der die "lebendige Erfassung der Gegenständlichkeit" mit der "Sehnsucht nach Stärkerer Bindung an die (göttlichen) Quellen" zusammenkommen müsse, um so zeitgenössische Themen der Arbeiterklasse zu gestalten. In der nominell atheistischen DDR war dies sicher eine verwegene, wenig erfolgversprechende Idee. Doch zehn Jahre später wird Tübke den Wettbewerb zum Wandbild in der Leipziger Universität gewinnen und mit "Arbeiterklasse und Intelligenz" (vollendet 1973) tatsächlich ein offizielles Bildprogramm in diesem Geiste verwirklichen können.

Ein spirituell hochgestimmter Ton schwingt anhaltend durch die Tagebücher. Bisweilen erscheint er ironisch gebrochen, doch Tübkes tiefes Ungenügen am orthodox-marxistischen Materialismus ist allenthalben spürbar und spiegelt sich auch in seinen Lektüren, vom Alten Testament über Augustinus und Novalis bis hin zu Heidegger, Camus und Bloch - allesamt Texte mit metaphysischem Überschuss. Mal erscheint Tübke als frommer Romantiker, mal als haltloser Existentialist.

Freilich zeugen die Tagebücher auch von Tübkes Konzessionen an die Mächtigen, die er für die Realisierung seiner Bildvisionen bisweilen braucht. Als Rektor der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig verfällt er mitunter selbst in jenen sozialistischen Funktionärsjargon, den er in früheren Jahren so abstoßend fand. Gleichwohl wird überdeutlich, dass er keinesfalls jener willfährige "Staatskünstler" war, als der er nach der Wende mitunter gehandelt wurde. Seine Notizen belegen vielmehr, mit welcher List und Vehemenz Tübke im autoritären DDR-Staat den Primat der Kunst gegenüber der Politik verteidigt hat. Als seine Maxime darf ein Zitat Romain Rollands gelten, das er bereits 1956 exzerpiert hat: "Ich bin Künstler, ich habe nur die Kunst zu verteidigen, ich darf sie nicht in den Dienst einer Partei stellen."

Tübkes öffentlicher Selbstbehauptung, die er seit seinen großen Erfolgen der siebziger Jahre auch medial wirksam in Szene zu setzen weiß, steht in den Tagebüchern ein vielfach gebrochenes, von drohendem Selbstverlust gezeichnetes Ich gegenüber, das seine brüchige Identität nur über das Spielen verschiedener Rollen zu einer notdürftigen Einheit zu bündeln vermag. Dem entspricht im Bildnerischen Tübkes geradezu obsessive Auseinandersetzung mit dem eigenen Antlitz, die sich in rund 140 autonomen Selbstporträts in Zeichnung, Druckgraphik und Malerei niedergeschlagen hat.

Dass neben Abbildungen der verschiedenen Tagebucheinbände auch zahlreiche Zeichnungen (darunter auch einige Selbstporträts) aus den Skizzenbüchern in den vorliegenden Band aufgenommen wurden, ist den beiden Herausgebern hoch anzurechnen. Ebenso dankbar darf man ihnen für ihre einleitenden Texte sein, die die biographisch-historischen Hintergründe von Tübkes Aufzeichnungen erläutern und kommentieren. Es fügt sich gut, dass anlässlich vor kurzem ein weiterer Band zur Malerei der Leipziger Schule erschienen ist.

Hier kann man etwa erfahren, wie Eduard Beaucamp seit den späten sechziger Jahren Tübke und dessen Leipziger Kollegen in Westdeutschland fast im Alleingang bekannt gemacht und gegen den Zeitgeist verteidigt hat. Vor allem aber wird man Zeuge einer ebenso vitalen wie subtilen Beschreibungs- und Charakterisierungskunst, die gerade angesichts der Person und der Werke Tübkes ihre analytische Hellsichtigkeit zur Geltung bringt.

BERTRAM KASCHEK

Werner Tübke: "Mein Herz empfindet optisch". Aus den Tagebüchern, Skizzen und Notizen.

Hrsg. von Eduard Beaucamp und Annika Michalski. Wallstein Verlag, Göttingen 2017. 396 S., Abb., geb., 39,90 [Euro].

Eduard Beaucamp: "Im Spiegel der Geschichte". Die Leipziger Schule der Malerei.

Hrsg. von Matthias Bormuth, Richard Hüttel und Michael Triegel. Wallstein Verlag, Göttingen 2017.240 S., Abb., br., 18,90 [Euro].

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eine »vorzüglich edierte Auswahl« (Bertram Kaschek, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.10.17) »Ich war überwältigt von der Fülle der Gedanken und habe ein völlig neues Bild von Werner Tübke gewonnen.« (Torsten Unger, MDR Thüringen, 12.11.2017) »Die intimen Selbstgespräche von Werner Tübke lassen den Leser und Kunstfreund tief in die Gedanken- und Gefühlswelt des großen Künstlers eindringen« (Michael Plote, Freies Wort Suhl, 04.01.2018) »Das packende Buch ist sezierende Kühle (...), ist ein Gewerbe aus Scharfsinn; zugleich aber legt es ungepanzert Tübkes Verletzlichkeit frei.« (Hans-Dieter Schütt, neues deutschland, 13.03.2018) »Ein sehr lesenswertes Arbeitsjournal mit zahlreichen Illustrationen« (Alfons Huckebrink, www.autor-des-eigenen-lebens.de, Juni 2018)