Benni macht ein Praktikum im Frankfurter Krankenhaus und hat Angst, dass er es nie schaffen wird: Blut abzunehmen, vom nerdigen Benni zum coolen Ben zu werden, den allgegenwärtigen Kruzifixen in der beengten Wohnung seiner Mutter zu entkommen. Eingeengt fühlt sich auch Jule, und zwar von dem Weltbild ihrer Eltern. Denn die haben absolut kein Verständnis für vegane Ernährung, Freitagsdemonstrationen oder Anti-Rassismus-Plakate. Und sie würden schon gar nicht verstehen, dass ihre Tochter eigene Ideale vertritt und Teil einer Veränderung sein möchte, die die Welt so dringend braucht. Als die beiden innerlich zerrissenen Teenager aufeinandertreffen, wird ihr Leben bunter, komplizierter, aber auch so viel erträglicher!
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Anna Heidrich skizziert den Inhalt des zweiten Jugendromans "Mein Leben als lexikalische Lücke" von Kyra Groh: Die Autorin beschreibt darin eine Liebesgeschichte zwischen der, laut ihrer Instagrambiografie feministischen, veganen und aktivistischen Anna und dem introvertierten Außenseiter Ben, der seinen Vater nie kennengelernt hat und ein Medizinstudium anstrebt, um sich ihm näher zu fühlen, erzählt Heidrich. Die Geschichte spielt an verschiedenen Orten, aber immer in Frankfurt und wird abwechselnd aus der Perspektive Bens oder Annas erzählt, informiert sie. Groh beschreibt hier der Rezensentin zufolge die Generation Z mit ihren neuen Idealen, vor allem zum Klimaschutz. So weit, so gut, aber die erzieherisch motivierten Kommentare und Wertungen der eigentlich individuellen Stimmen irritieren die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.09.2021Liebe im Café Adorno
Kyra Groh inszeniert Jugend als Störpotenzial
Der zweite Jugendroman von Kyra Groh „Mein Leben als lexikalische Lücke“ ist als Liebesgeschichte angelegt. Die sechzehnjährige Jule, die sich auf ihrem Instagram-Account als „Feminist. Activist. Vegan“ beschreibt und sich mit ihrer Clique politisch engagiert, trifft auf Ben, einen introvertierten Außenseiter, der Medizin studieren will, um sich seinem Vater näher zu fühlen, den er nie kennengelernt hat.
Schauplatz von Kennenlernen, erstem Kuss und Zusammensein ist Frankfurt am Main – der Edeka-Markt bei Jules Schule, die Falafel-Bude Aroma, das Café Adorno. Abwechselnd geben die Kapitel aus Sicht von Jule und Ben Auskunft über das Geschehen. Die erste Liebe ist eng verknüpft mit Fragen nach der eigenen Identität und der Befreiung aus beengten Familienstrukturen. Jule und Ben erleben die Phase des Übergangs von der Kindheit zum Erwachsenenalter als Zerreißprobe und Familienkrise. Sie lernen, eigene Bedürfnisse und Wertvorstellungen zu formulieren, und versuchen, sie zu realisieren. „Für etwas einzustehen ist Arbeit. Jeden Tag. Nicht nur auf Demos und in der Wahlkabine.“
Jule wünscht sich, so selbstbewusst wie ihre Lieblingsbloggerin Zeynep zu sein, die das Motto vertritt: „Wenn man tagein, tagaus die Klappe hält, darf man sich nicht beschweren, dass die Welt immer beschissener wird.“ Von solchen Statements ist Jule anfangs weit entfernt. Ihr Vater dominiert mit seinen „Früher war alles besser“-Salven das Familienklima. Seine Art, Ausländer und Andersdenkende abzustempeln, schüchtert Jule ein. Sie traut sich nicht, zu ihrem Veganismus und ihrer Begeisterung für die „Fridays for Future“-Bewegung zu stehen. Lieber meidet sie die Diskussion, will nicht als Klimahysterikerin abgestempelt werden – es ist „einfacher, Dinge heimlich durchzuziehen statt sie auszusprechen“. Aber als sich ihr Bruder einer rechtsradikalen Gruppe anschließt, wachsen ihr Wunsch und ihr Mut: „Ich will laut sein. Ich will stören.“
Ben hat mit anderen Problemen zu kämpfen. Dass es ihm an Selbstvertrauen fehlt, hat nicht nur mit dem Mangel an Freunden, sondern auch mit seinem US-amerikanischen Vater zu tun, dessen Name ihm den Besuch einer internationalen Schule ermöglicht hat, der ansonsten aber ein Phantom geblieben ist. Hinzu kommt der fehlende Freiraum zu Hause: Der Abiturient teilt sich mit seiner Mutter eine Zweizimmer-Wohnung. Er ist das Zentrum ihres Lebens, das ansonsten vom Katholizismus geprägt ist. Den Auszug fürs Studium zögert er hinaus, seit diese Zukunftsplanung bei der Mutter einen Nervenzusammenbruch ausgelöst hat. Sie will nicht wahrhaben, dass er nicht mehr an Gott glaubt und allein ihr zuliebe betet. Als Ben Jule kennenlernt, kommt es zum Konflikt.
Kyra Groh inszeniert Jugend als Störpotenzial, das Bestehendes anzweifelt und neue Ideale verwirklichen will. Das lässt sich an der Generation Z, die sich mit ihrem Einsatz für den Klimaschutz von Vorgängergenerationen abgrenzt, eindrücklich zeigen. Was irritiert, ist der didaktische Impetus, der den individuellen Stimmen durch das Einschleusen von Kommentaren und Wertungen hier und da in den Mund gelegt wird.
ANNA HEIDRICH
Kyra Groh: Mein Leben als lexikalische Lücke. Arctis Verlag 2021. 450 Seiten, 18 Euro.
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Kyra Groh inszeniert Jugend als Störpotenzial
Der zweite Jugendroman von Kyra Groh „Mein Leben als lexikalische Lücke“ ist als Liebesgeschichte angelegt. Die sechzehnjährige Jule, die sich auf ihrem Instagram-Account als „Feminist. Activist. Vegan“ beschreibt und sich mit ihrer Clique politisch engagiert, trifft auf Ben, einen introvertierten Außenseiter, der Medizin studieren will, um sich seinem Vater näher zu fühlen, den er nie kennengelernt hat.
Schauplatz von Kennenlernen, erstem Kuss und Zusammensein ist Frankfurt am Main – der Edeka-Markt bei Jules Schule, die Falafel-Bude Aroma, das Café Adorno. Abwechselnd geben die Kapitel aus Sicht von Jule und Ben Auskunft über das Geschehen. Die erste Liebe ist eng verknüpft mit Fragen nach der eigenen Identität und der Befreiung aus beengten Familienstrukturen. Jule und Ben erleben die Phase des Übergangs von der Kindheit zum Erwachsenenalter als Zerreißprobe und Familienkrise. Sie lernen, eigene Bedürfnisse und Wertvorstellungen zu formulieren, und versuchen, sie zu realisieren. „Für etwas einzustehen ist Arbeit. Jeden Tag. Nicht nur auf Demos und in der Wahlkabine.“
Jule wünscht sich, so selbstbewusst wie ihre Lieblingsbloggerin Zeynep zu sein, die das Motto vertritt: „Wenn man tagein, tagaus die Klappe hält, darf man sich nicht beschweren, dass die Welt immer beschissener wird.“ Von solchen Statements ist Jule anfangs weit entfernt. Ihr Vater dominiert mit seinen „Früher war alles besser“-Salven das Familienklima. Seine Art, Ausländer und Andersdenkende abzustempeln, schüchtert Jule ein. Sie traut sich nicht, zu ihrem Veganismus und ihrer Begeisterung für die „Fridays for Future“-Bewegung zu stehen. Lieber meidet sie die Diskussion, will nicht als Klimahysterikerin abgestempelt werden – es ist „einfacher, Dinge heimlich durchzuziehen statt sie auszusprechen“. Aber als sich ihr Bruder einer rechtsradikalen Gruppe anschließt, wachsen ihr Wunsch und ihr Mut: „Ich will laut sein. Ich will stören.“
Ben hat mit anderen Problemen zu kämpfen. Dass es ihm an Selbstvertrauen fehlt, hat nicht nur mit dem Mangel an Freunden, sondern auch mit seinem US-amerikanischen Vater zu tun, dessen Name ihm den Besuch einer internationalen Schule ermöglicht hat, der ansonsten aber ein Phantom geblieben ist. Hinzu kommt der fehlende Freiraum zu Hause: Der Abiturient teilt sich mit seiner Mutter eine Zweizimmer-Wohnung. Er ist das Zentrum ihres Lebens, das ansonsten vom Katholizismus geprägt ist. Den Auszug fürs Studium zögert er hinaus, seit diese Zukunftsplanung bei der Mutter einen Nervenzusammenbruch ausgelöst hat. Sie will nicht wahrhaben, dass er nicht mehr an Gott glaubt und allein ihr zuliebe betet. Als Ben Jule kennenlernt, kommt es zum Konflikt.
Kyra Groh inszeniert Jugend als Störpotenzial, das Bestehendes anzweifelt und neue Ideale verwirklichen will. Das lässt sich an der Generation Z, die sich mit ihrem Einsatz für den Klimaschutz von Vorgängergenerationen abgrenzt, eindrücklich zeigen. Was irritiert, ist der didaktische Impetus, der den individuellen Stimmen durch das Einschleusen von Kommentaren und Wertungen hier und da in den Mund gelegt wird.
ANNA HEIDRICH
Kyra Groh: Mein Leben als lexikalische Lücke. Arctis Verlag 2021. 450 Seiten, 18 Euro.
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"Der 2. Jugendroman der Autorin überzeugt mit seinen authentischen Charakteren und einem emotionalen Plot. (...) Alltagsrassismus, rechtsradikale Gruppen, die Fridays-for-Future-Bewegung, Instagram u.v.m. sind ganz selbstverständlich Teil des realitätsnahen, gelungenen Plots. Der Roman passt sich sprachlich seinen jugendlichen Protagonisten an und lässt sich flüssig lesen. Eine gelungene Selbstfindungs- und Liebesgeschichte für Mädchen." ekz-Bibliotheksdienste