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Marcel Reich-Ranicki wurde viel bewundert und viel gescholten, war bekannt und populär, einflussreich und schließlich aber auch umstritten. Mit seinem „Literarischen Quartett“ bewies er viele Jahre lang, dass die Vermittlung von Literatur im Fernsehen höchst unterhaltsam sein kann und dass gerade das Fernsehen wie kein anderes Medium imstande ist, der anspruchsvollen Literatur den Weg zum Leser zu bahnen. Was steckte hinter seinem unvergleichlichen Aufstieg, hinter diesem verblüffenden Erfolg?
Als Reich-Ranicki, kaum neun Jahre alt, aus seiner polnischen Geburtsstadt Wloclawek an der
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Produktbeschreibung
Marcel Reich-Ranicki wurde viel bewundert und viel gescholten, war bekannt und populär, einflussreich und schließlich aber auch umstritten. Mit seinem „Literarischen Quartett“ bewies er viele Jahre lang, dass die Vermittlung von Literatur im Fernsehen höchst unterhaltsam sein kann und dass gerade das Fernsehen wie kein anderes Medium imstande ist, der anspruchsvollen Literatur den Weg zum Leser zu bahnen. Was steckte hinter seinem unvergleichlichen Aufstieg, hinter diesem verblüffenden Erfolg?

Als Reich-Ranicki, kaum neun Jahre alt, aus seiner polnischen Geburtsstadt Wloclawek an der Weichsel nach Berlin übersiedelt, verabschiedet ihn seine Lehrerin mit den Worten: „Du fährst, mein Sohn, in das Land der Kultur.“ Doch das Land der Kultur stellte sich schon dem Kind nicht ohne düstere Seiten dar. Wie ein roter Faden zog sich diese zwiespältige und widerspruchsvolle Erfahrung durch sein weiteres Leben: Das Glück, das er der deutschen Literatur verdankte, der deutschen Musik und dem deutschen Theater, schien untrennbar verknüpft und verquickt mit der deutschen Barbarei.

Im Jahre 1938, kurz nach dem Abitur an einem Berliner Gymnasium, wurde Reich-Ranicki nach Polen deportiert. Als Jude erfuhr er im Warschauer Getto die schrecklichsten Demütigungen die Menschen Menschen bereiten können. „Immer wieder haben wir versucht“, so schreibt er, „unsere Trauer zu vergessen und unsere Angst zu verdrängen. Die Poesie war unser Asyl, die Musik unsere Zuflucht.“ Zusammen mit seiner Frau Tosia überlebte er das Inferno - durch Zufall und auf dramatische Weise. In Polen der Nachkriegsjahre wurde er Kommunist und Zeuge des größten Verrats, den die herrschende Partei der Idee einer gerechten Gesellschaft zufügen konnte. 1958 kehrte er nach Deutschland zurück, wurde beinahe sofort als Kritiker anerkannt und bald auch gerühmt - musste sich immer wieder überzeugen, dass er trotz aller Erfolge nie dazugehörte, dass er als Fremder behandelt wurde.

In diesem Buch, das weder Triumphgesang noch Klagelied ist, bewährt sich der Kritiker als tempramentvoller und anschaulicher Erzähler und als unbestechlicher Zeuge des Jahrhunderts. Farbig pointiert und anekdotenreich schildert Reich-Ranicki die Stationen seines so bewegten wie bewegenden Lebens. Er berichtet über die „Gruppe 47“, er beschreibt seine Jahre als ständiger Kritiker bei der Wochenzeitung „Die Zeit“ und später als Literaturchef der „Frankfurter Allgemeinen“, er erinnert sich an Begegnungen mit großen Schriftstellern seiner Zeit, mit Bertolt Brecht und Anna Seghers, mit Elias Canetti und Thomas Bernhard, mit Böll, Frisch und Grass und vielen anderen. So skizziert er ein aufschlussreiches und überraschendes Bild des literarischen Lebens in Deutschland.

Autorenporträt
Marcel Reich-Ranicki, geboren 1920 in Polen, lebte von 1929 bis 1938 in Berlin. Nach der Deportation durch die Nazis überlebte er nur knapp das Warschauer Ghetto und kehrte nach dem Krieg nach Deutschland zurück, wo er seine Karriere als Literaturkritiker begann: Er war von 1960 bis 1973 Literaturkritiker der "Zeit" und leitete von 1973 bis 1988 den Literaturteil der "FAZ", wo er noch bis zu seinem Tod als Kritiker und Redakteur der "Frankfurter Anthologie" tätig war. Von 1988 bis 2001 leitete er "Das Literarische Quartett" des ZDF. Nahezu alle Deutschen kennen Marcel Reich-Ranicki - er war "der" Kritiker und enfant terrible der Medienlandschaft. In seinem geschriebenen wie gesprochenen Wort spürte man jederzeit die Leidenschaft und Konsequenz, mit der er sich für Literatur einsetzte. Seine 1999 erschienene Autobiographie "Mein Leben" wurde zum Millionenbestseller und 2008 von Dror Zahavi mit Matthias Schweighöfer in der Hauptrolle verfilmt. Er erhielt zahlreiche literarische und akademische Auszeichnungen. Marcel Reich-Ranicki verstarb 2013 in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2000

Woher kommt die Kraft?

Man fragt sich natürlich, woher ein Mensch, der das erlebt hat, was Marcel Reich-Ranicki zugefügt wurde, die Kraft nimmt, nicht nur aufzuschreiben, was ihm widerfahren ist, sondern auch noch dafür zu sorgen, daß dieser Bericht zu einem triumphalen Erfolg wird, der alles andere in den Schatten stellt. An den hoffentlich heftig sprudelnden Honoraren kann es ihm nicht liegen, er war schon vorher ein versorgter Mensch. Warum also unterzieht sich ein achtzig Jahre alter Mann, der es nicht nötig hat, der Tortur einer Lesereise, die ihn bis in die entferntesten Winkel des Landes führt? Warum beantwortet er, wenn auch bisweilen mißmutig, öffentlich und auf allen Kanälen all die Fragen, die er schon längst beantwortet hat? Warum hat er, nachdem die für ihn notwendige und leidvolle Arbeit des Schreibens getan war, nicht geschwiegen? Warum, fragt man sich, nutzt er nicht die ihm verbleibende Zeit, um ein anderes Buch zu schreiben, dessen Ausarbeitung und Niederschrift ihm nichts als Freude bereitet?

Vielleicht hängst es damit zusammen, daß Marcel Reich-Ranicki beim Schreiben des schrecklichsten Kapitels seiner Autobiographie dem Tod wieder begegnet ist, der ihm einst greifbar vor Augen stand. Vielleicht hat er ihn, schreibend, noch einmal so nah an sich heran gelassen, daß er ihn nun mit allen Mitteln verscheuchen muß. Marcel Reich-Ranicki hat, in weniger als einem Jahr, fast eine Million Leser um sich herum versammelt, eine für einen Schriftsteller unvorstellbare Menge von Menschen, die ihn nun schätzen. Es werden täglich mehr. Und wenn demnächst die Übersetzungen und das Taschenbuch erscheinen werden, wird die Menge so groß geworden sein, daß keine andere Macht mehr hindurch kommt. Vielleicht, stelle ich mir vor, wird er sich dann unbemerkt davonschleichen können, um in größter Gelassenheit jenes Buch zu beginnen, das er bislang aus den bekannten Gründen nicht schreiben konnte. Ein Buch über Musik und über Freundschaft.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.11.2021

Geschencke für den Kopf (Fortsetzung von Seite 22)
Jörg Häntzschel
EINE HERAUSFORDERUNG
B. Rosenberger Rosenberg hält sich für einen epochalen Filmkritiker, doch der echte Durchbruch fehlt noch. Umso größer sein Jubel, als er auf ein Jahrhundertwerk stößt: den drei Monate dauernden Stop-Motion-Film eines steinalten Outsider-Künstlers. Ein Genie entdecken ist fast so gut, wie selbst eines sein, erkennt Rosenberg listig. Doch dann geht es bergab. Der Drehbuchautor Charlie Kaufman („Being John Malkovich“) hat mit „Ameisig“ den seltsamsten Roman seit „Infinite Jest“ geschrieben. Charlie Kaufman: Ameisig. Hanser Verlag. 864 Seiten, 34 Euro.
EIN LIEBESBEWEIS
Die Tage werden kürzer, der Lockdown rückt näher, und Netflix und Amazon drängen einem jeden Abend dieselben leergeglotzten Gassenhauer auf. Dabei gibt es ja Alternativen. Die beste ist der Arthouse-Streamingdienst Mubi, wo eine Christian-Petzold-Werkschau mit den Filmen von Romy Schneider konkurriert und das südkoreanische Kino von 2021 mit dem ukrainischen von 1968: The gift that keeps on giving.
Mubi-Jahresabo. 69,99 Euro.
EIN GROSSER SPASS
Josef Parzefall und Richard Oehmann alias „Doktor Döblingers geschmackvolles Kasperltheater“ haben endlich wieder eine CD gemacht, „Kasperl und der Kornkreis“. Es geht u.a. um Aliens im Freibad, das ist der Eskapismus, der jetzt hilft, Kindern und Erwachsenen gleichermaßen. Kasperl und der Kornkreis. Verlag Antje Kunstmann.
Helmut Mauró
EIN GROSSER SPASS
Bachs „Kunst der Fuge“ fasziniert Pianisten, ist aber auch gefürchtet. Schafft man es nicht, die einzelnen Stimmen gleichberechtigt auftreten zu lassen, verliert das Werk seinen Kern. Daniil Trifonov spielt es als hochvirtuoses, sinnliches Mitdenkstück. Dabei beginnt das Album mit scheinbar harmlosen Stücken von Bach-Söhnen, darunter Johann Christian – nicht nur für Mozart ein bedeutender Komponist.
Daniil Trifonov: The Art of Life. Deutsche Grammophon.
EINE WIEDERENTDECKUNG
In Wien erinnert eine Ausstellung an den Maler Amedeo Modigliani. Seine Verbindungen zu Picasso und Brâncuși sind hier belegt, auch Bezüge zur afrikanischen Kunst. Modiglianis Porträts überraschen: Erst erscheinen sie ausdruckslos, bei konzentrierter Betrachtung werden sie lebendig.
Modigliani. Revolution des Primitivismus. Hirmer Verlag. 216 Seiten, 39,90 Euro.
EINE HERAUSFORDERUNG
Der Begriff des Querdenkers war vor Kurzem noch durchweg positiv besetzt. So muss man auch Johann Georg Hamann verstehen, der mit polemischen Essays zu Aufklärung und Erkenntnismechanik seine Freundschaften mit Kant, Moses Mendelssohn und Friedrich Jacobi auf eine harte Probe stellte.
Johann Georg Hamann: Sokratische Denkwürdigkeiten. Wolken. Felix Meiner Verlag. 335 Seiten, 48 Euro.
Lothar Müller
EIN GROSSER SPASS
Wo Männer am Fuß einer waldigen Berglandschaft aus trichterförmig-ovalen Zinkbadewannen in den Himmel blicken, ist Ror Wolf nicht weit. Die Collagen des 2020 gestorbenen Schriftstellers in einem Kalender zu versammeln, ist eine gute Idee. Die Bilder ziehen den Blick von den Datenleisten am unteren Bildrand ab, locken ihn aus der Zeit heraus, hinein in Räume und vor allem Landschaften, in denen Termine nicht zählen. Die Figuren schweben über Ror Wolfs Prosafragmenten und kleinen Gedichten wie über Trampolinen. Ein ganzes Jahr lang.
Ror Wolf Kalender 2022. Verlag Schöffling & Co., 34 Euro.
EINE WIEDERENTDECKUNG
Der Geldverleiher, der diesem Roman aus dem Jahr 1842 den Titel gibt, heißt Abednego Osalez und entstammt einer jüdischen Familie aus dem spanischen Cadiz. Die judenfeindlichen Tiraden und Vorurteile, denen er in London ausgesetzt ist, haben ihr historisches Vorbild in den Attacken auf das Bankhaus Rothschild. Catherine Gore, im frühviktorianischen England eine bekannte Autorin, hat den jüdischen Geldverleiher erfunden, um mit den Mitteln eines Unterhaltungsromans voller Geheimnisse und Abenteuer Einspruch gegen den Antisemitismus ihrer Zeitgenossen einzulegen.
Catherine Gore: Der Geldverleiher. Die Andere Bibliothek. 470 Seiten, 44 Euro.
Laura Hertreiter
EINE WIEDERENTDECKUNG
Das Buch zum Jahr 2021, im Jahr 2010 veröffentlicht. Der Schriftsteller James Salter erzählt in „Dämmerung“ Geschichten von enttäuschten Hoffnungen, von Anwälten und Au-Pairs, Schauspielern und Verunfallten, Verlassenen und Kaputten in ihren verletzlichsten Momenten. Für alle, denen Melancholie Trost sein kann. James Salter: Dämmerung. Piper. 176 Seiten, antiquarisch verfügbar.
EIN LIEBESBEWEIS
Das Magazin „13 Gedichte“. Klassiker und aktuelle Poesie. Post-its rein, fertig. Dreizehn Gedichte. 146 Seiten, 10 Euro.
EINE HERAUSFORDERUNG
Die entscheidenden Tage vor der Machtübernahme Hitlers versetzen die Berliner Kulturszene in Aufruhr. Eine große Collage aus den Erinnerungen von Theaterleuten, Reportern, Schriftstellern, so fesselnd erzählt, als wäre das Ende nicht klar. Uwe Wittstock, Februar 33, Der Winter der Literatur. C. H. Beck. 288 Seiten, 24 Euro.
Nils Minkmar
EIN LIEBESBEWEIS
Der Titel des neuen Albums ist Zustandsbeschreibung und Versprechen in einem: Überwältigt und aufgehoben darf man sich fühlen, wenn man die neuen Kompositionen des italienischen Meisters hört. Das Erscheinungsdatum ist erst im Januar, an Weihnachten kann es also nur den Gutschein geben. Aber das passt, denn der Januar ist ein Monat, in dem es besonders guttun wird, von den Klängen und Lichtern unter Wasser zu träumen. Ludovico Einaudi: Underwater. Decca (Universal).
EINE WIEDERENTDECKUNG
Wenn man diesen Roman des Literaturnobelpreisträgers von 2014 beendet hat, gibt es nur eines: ihn wieder von vorne zu beginnen. Das tastende, flüchtige Spätwerk Modianos ist eine Leseerfahrung der ganz eigenen Art: Sie gleicht einem Spaziergang durch eine große Stadt, hier ist es Paris, der zunächst kein Ziel hat, dann aber doch. Plötzlich steht man vor einem Haus, einer Ecke, die einem etwas sagt. Aber was? Modiano lehrt die Verwandtschaft zwischen dem urbanen Gehen und der Übung des Schreibens und empfiehlt sie uns, um überhaupt klarzukommen in dieser Welt. Patrick Modiano: Unsichtbare Tinte. Hanser. 144 S., 19 Euro.
EINE HERAUSFORDERUNG
In Zeiten wie diesen empfiehlt es sich, Tagebuch zu führen. Als ermutigendes, einladendes Geschenk zu dieser seelenrettenden Tätigkeit eignen sich besonders die schönen Bücher von Letterwish. Letterwish Journal. www.letterwish.de.
Susan Vahabzadeh
EINE WIEDERENTDECKUNG
Es ist fast ein Wunder, dass dieses Buch überhaupt noch vertrieben werden darf, es sieht aus wie eine sehr große Packung Zigaretten: „Buntspecht: So was wie eine Liebesgeschichte“ von Tom Robbins, erschienen 1980, durfte lange in keinem Rucksack auf Reisen fehlen. Vielleicht braucht man Robbins’ leicht abgedriftete Geschichte über ein Paar, das diverse Hindernisse überwinden muss, um herauszufinden, wie die Liebe bleibt, in Zeiten des legalisierten Cannabis-Genusses nicht mehr – aber „Buntspecht“ hat immer noch einen der schönsten Schlusssätze aller Zeiten: Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit. Tom Robbins: Buntspecht. So was wie eine Liebesgeschichte. Rowohlt. 348 Seiten, 12 Euro.
EIN GROSSER SPASS
J. B. Lawless schickt seinen Detective Strafford in „Um Mitternacht ab Buckingham Palace“ aus Dublin, um auf zwei junge Damen aufzupassen – es ist 1941, und die englischen Prinzessinnen werden aus dem bombardierten London weggeschafft, um als vermeintliche Diplomatentöchter die irische Provinz unsicher zu machen. Wie im ersten Strafford-Krimi „Tod in der Bibliothek“ ist die Schilderung des bleiernen Nachkriegsirland mit seinen Spannungen, die in der noch jungen Republik partout nicht unter dem Teppich bleiben wollen, unter den sie gekehrt wurden, die Hauptattraktion. J. B. Lawless: Um Mitternacht ab Buckingham Palace. KiWi. 368 Seiten, 11 Euro.
Nele Pollatschek
EIN GROSSER SPASS
Bücher schenken, immer schwierig. Entweder der Beschenkte hat’s längst gelesen oder er weiß genau, warum eben nicht. Deswegen Bücher immer nach dem Cover aussuchen – als Dekoteller für Akademiker. Das schönste Buch des Jahres ist „Das Dämmern der Welt“ von Werner Herzog. Tiefschwarz und dunkelgrün, hochglänzend matt, mit Dschungelpflanzen und kleinem Vogel. Im Buch ein einsamer Krieger, Japan, Männlichkeit. Obendrauf Werner Herzog. What’s not to love?
Werner Herzog: Das Dämmern der Welt. Hanser. 128 Seiten, 19 Euro.
EINE WIEDERENTDECKUNG
Spoiler: Die nächsten Monate werden lang und langweilig. Irgendwann hat man genug gelesen und will endlich mal wieder was spielen. Mit klugen Menschen, die vor allem eins sein müssen: nicht mit einem liiert. Hier hilft „Mimikry: Das Spiel des Lesens“. Die Niederschrift einer Reihe spielerischer Salonabende aus Vor-Corona-Zeiten zum Selber-, Mit- und Nachspielen. Ziel ist es, „echte“ Romananfänge von den brillanten Täuschungen deutscher Kulturschaffender zu unterscheiden. Mit dabei: Feuilletonfavoriten wie Nora Bossong, Jackie Thomae und Ijoma Mangold.
Holm Friebe, Philipp Albers (Hrsg.): Mimikry: Das Spiel des Lesens. Blumenbar Verlag. 400 Seiten, 11,49 Euro.
Laura Weißmüller
LIEBESBEWEIS
Dieser Bildband ist eine Kostbarkeit, denn er schickt den Betrachter nicht nur auf Reisen, sondern er macht ihn zu einem Suchenden des Lichts, um das mal etwas pathetisch auszudrücken. Der Architekt Francis Kéré nimmt den Fotografen Iwan Baan in sein Heimatland Burkina Faso mit und lässt ihn mit seiner Kamera verstehen, wie das Sonnenlicht dort die traditionelle Architektur geformt hat. Ergreifend.
Iwan Baan, Francis Kéré: Momentum of Light. Lars Müller Publishers. 180 Seiten, 75 Euro.
EINE HERAUSFORDERUNG
Nicht nur, aber auch weil Weihnachten ja etwas mit einer aussichtslosen Quartiersuche zu tun hat: Der Katalog „Who’s Next?“ zeigt, wie die Obdachlosigkeit in den Städten dieser Welt zunimmt, und beleuchtet die Strukturen, die diese Entwicklung befeuern. Trotz des deprimierenden Themas schafft es der Katalog zu motivieren: hinzugucken und sich der eigenen Verantwortung als Stadtbewohner und Nachbar obdachloser Menschen bewusst zu werden. Daniel Talesnik und Andres Lepik: Who’s Next? Obdachlosigkeit, Architektur und die Stadt. ArchiTangle. 272 S., 48 Euro.
EIN GROSSER SPASS
Kann man unterhalten und trotzdem der Diversität weiblicher Biografien gerecht werden? Bernardine Evaristo kann das in ihrer Geschichte über zwölf schwarze Frauen.
Bernardine Evaristo: Mädchen, Frau etc. Tropen. 512 Seiten, 25 Euro.
Marlene Knobloch
EINE WIEDERENTDECKUNG
Sein Leben interessiert doch niemanden, prophezeite Marcel Reich-Ranicki und riet dem Verlag 1999 nicht mehr als 50 000 Exemplare zu drucken. Dass selbst er, der große Kritiker der BRD, falsch liegen kann, bewies die Nachfrage und Dauer-Bestseller-Platzierung seiner Autobiografie. Reich-Ranickis Buch erfasst die grausamen und fabelhaften Wahrheiten über dieses Land, vom Warschauer Ghetto bis zu den Gedichten Erich Kästners, die er heimlich dort las. Das Buch erinnert, warum der einzelne Mensch, nicht unbedingt die Gesellschaft, gute Kunst braucht.
Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben. Pantheon. 565 Seiten, 16 Euro.
EINE HERAUSFORDERUNG
Zugegeben, das Buch hilft vor allem Menschen, die schreiben. Aber, es hilft auch zu verstehen, warum wir lesen, besser, warum wir weiterlesen. Der Man-Booker-Preisträger George Saunders lehrt kreatives Schreiben an der Syracuse-Universität, auch indem er mit Studenten Kurzgeschichten der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts analysiert. Seine Kursinhalte hat er in ein Buch gepackt. Und stupst damit zur Selbsterkundung an: Warum interessiert uns eine Geschichte?
George Saunders: A Swim in the Pond. Random House. 432 Seiten, 16,59 Euro.
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»Mein Leben ist nicht nur ein großes zeitgeschichtliches Dokument. Es ist auch eine wunderschöne Liebesgeschichte.« Michael Kluger, Frankfurter Neue Presse