Bekenntnisse aus der Praxis eines Unternehmers. Eine Fundgrube für jeden, der in der Wirtschaft seine eigenen Wege gehen will. Dirk Ippen schildert, wie aus einem kleinen Standortbetrieb ein deutschlandweit agierendes Medienunternehmen werden konnte.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.01.2020Gutsherrenart und Mettwurst vom Tapeziertisch
"HNA","Offenbach-Post" und "Frankfurter Rundschau": Der Verleger Dirk Ippen war auch in Hessen aktiv.
Von Peter Lückemeier
Dirk Ippen hat sich früh an Zeitungshäusern in der Rhein-Main-Region beteiligt. In seinen Memoiren "Mein Leben mit Zeitungen" erinnert er sich an prägende Persönlichkeiten aus seiner Branche in Offenbach, Darmstadt und Frankfurt. Er nimmt dabei kein Blatt vor den Mund.
In der deutschen Zeitungslandschaft ist Dirk Ippen ein Solitär. Der Verleger aus Westfalen, seit mehr als sechzig Jahren im Geschäft, hat den Erfolg immer bei den lokalen und regionalen Blättern gesucht. Er erwarb gut eingeführte Titel wie die "Hessische/Niedersächsische Allgemeine" in Kassel, aber auch kleine Blätter wie die "Kreiszeitung für die Grafschaft Hoya" bei Bremen. Im Laufe der Jahre entstand so die viertgrößte Zeitungsgruppe Deutschlands. Es blieb nicht aus, dass er sich auch in einer der vitalsten Wirtschaftsregionen des Landes engagierte, der Rhein-Main-Region. Der erste Verleger, auf den er hier traf, war der Inhaber der "Offenbach-Post", Udo Bintz.
Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte das Blatt aus Offenbach kräftige Verluste gemacht. Das hatte seine Gründe, denn Bintz hatte sich zwar in der NS-Zeit tadellos verhalten und war von den Amerikanern nach dem Krieg dafür mit einer Zeitungslizenz belohnt worden, doch er war gelernter Redakteur, kein Geschäftsmann. Sein Partner Otto Eberitsch, den er mit zehn Prozent beteiligte, kam zwar aus der Branche, war aber Ippen zufolge "Wein, Weib und Gesang mehr zugetan als ernsthafter Verlagsarbeit".
Ippen beteiligte sich am Verlag, der hohe Schulden angehäuft und bereits die Frankfurter Boulevardzeitung "Abendpost" an den Societäts-Verlag verkauft hatte - sie wurde 1988 eingestellt. Sein Partner wurde der Verlegersohn Udo Bintz jun. Der trank zwar keinen Tropfen Alkohol, berichtete aber seinem neuen Partner, dass schon öfter Mitarbeiter, die zu tief ins Glas geschaut hatten, auf der Heimfahrt tödlich verunglückt waren - kein Wunder, denn in der 24 Stunden am Tag betriebenen Kantine in Offenbach wurden Sekt, Bier und Schnaps ausgeschenkt, selbst in der Chefetage fanden sich hinter Büchern verborgen Wein und Spirituosen. Und als Ippen gleich am nächsten Morgen im Betriebsrat für ein absolutes Alkoholverbot am Arbeitsplatz eintrat, hatten einige Mitglieder schon zu früher Stunde ihr Gläschen vor sich stehen.
Doch nicht nur die Sache mit dem Alkohol ging gut aus, auch der gesamte Betrieb wurde nach und nach auf gesunde Beine gestellt. Vor allem das Anzeigengeschäft brummte - das Blatt wurde bald sogar erfolgreicher als Ippens Ursprungsunternehmen, der "Westfälische Anzeiger" in Hamm.
Es war aber auch jene Zeit, in der die Herausgabe einer Zeitung dank des boomenden Anzeigengeschäfts einer Lizenz zum Gelddrucken ähnelte. Wer seit 2003 die diversen Krisen der "Frankfurter Rundschau" beobachtete oder durchlitt, wird sich kaum noch vorstellen können, wie es einst in dem Blatt mit dem stärksten Rubrikenmarkt für regionale Stellen und Wohnungen zuging. Ippen über die damalige "Frankfurter Rundschau": "Geld spielte in diesem Haus keine Rolle. Man hätte Matratzen um das Verlagshaus legen sollen, um das Klimpern der vielen Geldstücke nicht zu hören, die dort zum Fenster hinausgeworfen wurden."
Leider beschreibt Ippen nicht den damaligen "Rundschau"-Verlagsgeschäftsführer Horst Engel. Er war einmal von einem der wechselnden Chefredakteure als "Mischung aus Herrgott und beleidigter Leberwurst" beschrieben worden, seine Weinrechnungen waren hausintern legendär. Stattdessen wirft Ippen aber ein Licht auf die örtliche Konkurrenz: "Gediegene Betuchtheit" habe im Haus der Frankfurter Societäts-Druckerei geherrscht, in der damals neben der "Frankfurter Neuen Presse" auch noch die "Abendpost/Nachtausgabe" herauskam. Das Büro des Verlagsgeschäftsführers Werner Wirthle "glich mehr der Studierstube eines Privatgelehrten als dem Büro eines modernen Verlagsleiters".
Überhaupt schien damals die Szene der Zeitungsverleger noch mit ausgeprägten Persönlichkeiten belebt gewesen zu sein. Der Verleger des Aschaffenburger "Main-Echos", Wilhelm Engelhard, übernachtete bei Fachtagungen nicht wie seine Kollegen im Hotel, sondern in seinem Wohnwagen auf dem Parkplatz. Auch sein Domizil war skurril: "Er saß in einem abgeschlossenen Büro mit Klingelschild. Nach dem Klingeln ertönte zunächst das laute Bellen eines Hundes, der nur mit Mühe weggesperrt werden konnte. Der Verleger saß an einem rohen Holztisch, wie ihn Tapezierer für ihre Tapeten verwenden. Darauf lag meist noch eine Mettwurst im Pergamentpapier, von der uns auf der Spitze seines Messers freundlich ein Stück angeboten wurde."
Nicht alle Verleger freilich waren so rustikal wie der Wurstesser aus Aschaffenburg. Schon gar nicht traf das auf Alfred Neven DuMont zu, den Exzentriker aus Köln ("Kölner Stadt-Anzeiger", "Express"), der sich mit dem Kauf der Mehrheitsanteile an der "Frankfurter Rundschau" im Jahr 2006 und den Kauf der "Berliner Zeitung" 2009 den Traum erfüllte, auch überregional eine verlegerische Rolle zu spielen. Dirk Ippen hat sich mit seiner westfälischen Nüchternheit durch Neven DuMonts großen Auftritt nicht den Blick verstellen lassen auf dessen unternehmerische Leistung: "Seine glänzende Erscheinung und sein glänzendes Auftreten nach außen fanden leider keine Entsprechung in der täglichen Führung des bedeutenden DuMont-Verlages. Wutausbrüche und ein Schalten und Walten nach Gutsherrenart waren bei ihm gang und gäbe."
Und natürlich hatte der Kölner Grandseigneur, Kunstsammler und einstige Karnevalsprinz in seiner Vaterstadt, für den Geschmack des sparsamen Ippen, der sich bei seinen zahlreichen Zukäufen nie verschuldet haben soll, stets zu wenig aufs Geld geschaut: "Der Kauf der Frankfurter Rundschau wurde zum Desaster. Er soll dem Haus mehr als 100 Millionen an Verlusten beschert haben."
Es zählt zu den merkwürdigen Wendungen des kaufmännischen Schicksals, dass der Verlag desselben Dirk Ippen, der einst so kritisch auf das linksliberale Blatt aus Frankfurt geblickt hatte, es 2018 gemeinsam mit der "Frankfurter Neuen Presse" erwarb: "Unter völlig veränderten Verhältnissen haben meine Nachfolger in der Führung der Zeitungsgruppe entschieden, mit dem Erwerb der ,Frankfurter Neuen Presse' und der arg gebeutelten ,Frankfurter Rundschau' endgültig auch nach Frankfurt vorzustoßen."
Er selbst, der noch immer Mehrheitseigner ist, aber nur noch bei den großen Fragen mitspricht, so sagt er es jedenfalls, hätte das Geschäft in Frankfurt nicht gemacht. Dem Branchendienst "kress" sagte er kürzlich: "Aber die Jungen haben gesagt: Wir machen die Arbeit und wir schaffen das. Und aus heutiger Sicht muss ich sagen: Sie hatten recht."
Dirk Ippen: "Mein Leben mit Zeitungen", Societäts-Verlag, Frankfurt 2019, 253 Seiten, 20 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"HNA","Offenbach-Post" und "Frankfurter Rundschau": Der Verleger Dirk Ippen war auch in Hessen aktiv.
Von Peter Lückemeier
Dirk Ippen hat sich früh an Zeitungshäusern in der Rhein-Main-Region beteiligt. In seinen Memoiren "Mein Leben mit Zeitungen" erinnert er sich an prägende Persönlichkeiten aus seiner Branche in Offenbach, Darmstadt und Frankfurt. Er nimmt dabei kein Blatt vor den Mund.
In der deutschen Zeitungslandschaft ist Dirk Ippen ein Solitär. Der Verleger aus Westfalen, seit mehr als sechzig Jahren im Geschäft, hat den Erfolg immer bei den lokalen und regionalen Blättern gesucht. Er erwarb gut eingeführte Titel wie die "Hessische/Niedersächsische Allgemeine" in Kassel, aber auch kleine Blätter wie die "Kreiszeitung für die Grafschaft Hoya" bei Bremen. Im Laufe der Jahre entstand so die viertgrößte Zeitungsgruppe Deutschlands. Es blieb nicht aus, dass er sich auch in einer der vitalsten Wirtschaftsregionen des Landes engagierte, der Rhein-Main-Region. Der erste Verleger, auf den er hier traf, war der Inhaber der "Offenbach-Post", Udo Bintz.
Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte das Blatt aus Offenbach kräftige Verluste gemacht. Das hatte seine Gründe, denn Bintz hatte sich zwar in der NS-Zeit tadellos verhalten und war von den Amerikanern nach dem Krieg dafür mit einer Zeitungslizenz belohnt worden, doch er war gelernter Redakteur, kein Geschäftsmann. Sein Partner Otto Eberitsch, den er mit zehn Prozent beteiligte, kam zwar aus der Branche, war aber Ippen zufolge "Wein, Weib und Gesang mehr zugetan als ernsthafter Verlagsarbeit".
Ippen beteiligte sich am Verlag, der hohe Schulden angehäuft und bereits die Frankfurter Boulevardzeitung "Abendpost" an den Societäts-Verlag verkauft hatte - sie wurde 1988 eingestellt. Sein Partner wurde der Verlegersohn Udo Bintz jun. Der trank zwar keinen Tropfen Alkohol, berichtete aber seinem neuen Partner, dass schon öfter Mitarbeiter, die zu tief ins Glas geschaut hatten, auf der Heimfahrt tödlich verunglückt waren - kein Wunder, denn in der 24 Stunden am Tag betriebenen Kantine in Offenbach wurden Sekt, Bier und Schnaps ausgeschenkt, selbst in der Chefetage fanden sich hinter Büchern verborgen Wein und Spirituosen. Und als Ippen gleich am nächsten Morgen im Betriebsrat für ein absolutes Alkoholverbot am Arbeitsplatz eintrat, hatten einige Mitglieder schon zu früher Stunde ihr Gläschen vor sich stehen.
Doch nicht nur die Sache mit dem Alkohol ging gut aus, auch der gesamte Betrieb wurde nach und nach auf gesunde Beine gestellt. Vor allem das Anzeigengeschäft brummte - das Blatt wurde bald sogar erfolgreicher als Ippens Ursprungsunternehmen, der "Westfälische Anzeiger" in Hamm.
Es war aber auch jene Zeit, in der die Herausgabe einer Zeitung dank des boomenden Anzeigengeschäfts einer Lizenz zum Gelddrucken ähnelte. Wer seit 2003 die diversen Krisen der "Frankfurter Rundschau" beobachtete oder durchlitt, wird sich kaum noch vorstellen können, wie es einst in dem Blatt mit dem stärksten Rubrikenmarkt für regionale Stellen und Wohnungen zuging. Ippen über die damalige "Frankfurter Rundschau": "Geld spielte in diesem Haus keine Rolle. Man hätte Matratzen um das Verlagshaus legen sollen, um das Klimpern der vielen Geldstücke nicht zu hören, die dort zum Fenster hinausgeworfen wurden."
Leider beschreibt Ippen nicht den damaligen "Rundschau"-Verlagsgeschäftsführer Horst Engel. Er war einmal von einem der wechselnden Chefredakteure als "Mischung aus Herrgott und beleidigter Leberwurst" beschrieben worden, seine Weinrechnungen waren hausintern legendär. Stattdessen wirft Ippen aber ein Licht auf die örtliche Konkurrenz: "Gediegene Betuchtheit" habe im Haus der Frankfurter Societäts-Druckerei geherrscht, in der damals neben der "Frankfurter Neuen Presse" auch noch die "Abendpost/Nachtausgabe" herauskam. Das Büro des Verlagsgeschäftsführers Werner Wirthle "glich mehr der Studierstube eines Privatgelehrten als dem Büro eines modernen Verlagsleiters".
Überhaupt schien damals die Szene der Zeitungsverleger noch mit ausgeprägten Persönlichkeiten belebt gewesen zu sein. Der Verleger des Aschaffenburger "Main-Echos", Wilhelm Engelhard, übernachtete bei Fachtagungen nicht wie seine Kollegen im Hotel, sondern in seinem Wohnwagen auf dem Parkplatz. Auch sein Domizil war skurril: "Er saß in einem abgeschlossenen Büro mit Klingelschild. Nach dem Klingeln ertönte zunächst das laute Bellen eines Hundes, der nur mit Mühe weggesperrt werden konnte. Der Verleger saß an einem rohen Holztisch, wie ihn Tapezierer für ihre Tapeten verwenden. Darauf lag meist noch eine Mettwurst im Pergamentpapier, von der uns auf der Spitze seines Messers freundlich ein Stück angeboten wurde."
Nicht alle Verleger freilich waren so rustikal wie der Wurstesser aus Aschaffenburg. Schon gar nicht traf das auf Alfred Neven DuMont zu, den Exzentriker aus Köln ("Kölner Stadt-Anzeiger", "Express"), der sich mit dem Kauf der Mehrheitsanteile an der "Frankfurter Rundschau" im Jahr 2006 und den Kauf der "Berliner Zeitung" 2009 den Traum erfüllte, auch überregional eine verlegerische Rolle zu spielen. Dirk Ippen hat sich mit seiner westfälischen Nüchternheit durch Neven DuMonts großen Auftritt nicht den Blick verstellen lassen auf dessen unternehmerische Leistung: "Seine glänzende Erscheinung und sein glänzendes Auftreten nach außen fanden leider keine Entsprechung in der täglichen Führung des bedeutenden DuMont-Verlages. Wutausbrüche und ein Schalten und Walten nach Gutsherrenart waren bei ihm gang und gäbe."
Und natürlich hatte der Kölner Grandseigneur, Kunstsammler und einstige Karnevalsprinz in seiner Vaterstadt, für den Geschmack des sparsamen Ippen, der sich bei seinen zahlreichen Zukäufen nie verschuldet haben soll, stets zu wenig aufs Geld geschaut: "Der Kauf der Frankfurter Rundschau wurde zum Desaster. Er soll dem Haus mehr als 100 Millionen an Verlusten beschert haben."
Es zählt zu den merkwürdigen Wendungen des kaufmännischen Schicksals, dass der Verlag desselben Dirk Ippen, der einst so kritisch auf das linksliberale Blatt aus Frankfurt geblickt hatte, es 2018 gemeinsam mit der "Frankfurter Neuen Presse" erwarb: "Unter völlig veränderten Verhältnissen haben meine Nachfolger in der Führung der Zeitungsgruppe entschieden, mit dem Erwerb der ,Frankfurter Neuen Presse' und der arg gebeutelten ,Frankfurter Rundschau' endgültig auch nach Frankfurt vorzustoßen."
Er selbst, der noch immer Mehrheitseigner ist, aber nur noch bei den großen Fragen mitspricht, so sagt er es jedenfalls, hätte das Geschäft in Frankfurt nicht gemacht. Dem Branchendienst "kress" sagte er kürzlich: "Aber die Jungen haben gesagt: Wir machen die Arbeit und wir schaffen das. Und aus heutiger Sicht muss ich sagen: Sie hatten recht."
Dirk Ippen: "Mein Leben mit Zeitungen", Societäts-Verlag, Frankfurt 2019, 253 Seiten, 20 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main