Interview mit Bernd Schwarze zu „Mein Wille geschehe“
Gesetze und wie sie gebrochen werden: Dieses Thema zieht sich durch die Bibel wie ein roter Faden. Ist das ein Grund, warum immer wieder Geistliche zu Krimiautoren werden? Im Zentrum des Neuen Testaments steht ein Todesfall, dessen Schuldursache bis heute nicht vollständig aufgeklärt wurde. Die biblischen Erzählungen haben mit den Kriminalromanen von heute viel gemeinsam: Die gute Ordnung wird gebrochen und wiederhergestellt. Mich hat beim Schreiben aber vor allem die Spannung zwischen Glaube und Zweifel fasziniert, die Frage, ob menschliches Handeln, im Guten wie im Bösen, einer höheren Orientierung folgt. „Mein Wille geschehe“ ist zudem so etwas wie eine postmoderne Passionsgeschichte, mit vielen Anspielungen an biblische Erzählmotive.
Es heißt, dass die Idee zu „Mein Wille geschehe“ bei einem Abendessen mit Sebastian Fitzek geboren wurde. Wie ist diese Freundschaft eines Berliner Bestsellerautors und eines Lübecker Pastors entstanden? Sebastian Fitzek war zu Gast bei einer Kriminacht in meiner Kirche, St. Petri zu Lübeck, um aus seinem Thriller „Das Amokspiel“ zu lesen.
…mehr Interview mit Bernd Schwarze zu „Mein Wille geschehe“
Gesetze und wie sie gebrochen werden: Dieses Thema zieht sich durch die Bibel wie ein roter Faden. Ist das ein Grund, warum immer wieder Geistliche zu Krimiautoren werden?
Im Zentrum des Neuen Testaments steht ein Todesfall, dessen Schuldursache bis heute nicht vollständig aufgeklärt wurde. Die biblischen Erzählungen haben mit den Kriminalromanen von heute viel gemeinsam: Die gute Ordnung wird gebrochen und wiederhergestellt. Mich hat beim Schreiben aber vor allem die Spannung zwischen Glaube und Zweifel fasziniert, die Frage, ob menschliches Handeln, im Guten wie im Bösen, einer höheren Orientierung folgt. „Mein Wille geschehe“ ist zudem so etwas wie eine postmoderne Passionsgeschichte, mit vielen Anspielungen an biblische Erzählmotive.
Es heißt, dass die Idee zu „Mein Wille geschehe“ bei einem Abendessen mit Sebastian Fitzek geboren wurde. Wie ist diese Freundschaft eines Berliner Bestsellerautors und eines Lübecker Pastors entstanden?
Sebastian Fitzek war zu Gast bei einer Kriminacht in meiner Kirche, St. Petri zu Lübeck, um aus seinem Thriller „Das Amokspiel“ zu lesen. Man hatte ihm fälschlicherweise erzählt, St. Petri sei ein entweihter Ort. Als dann sein mitgebrachtes Stuntteam in GSG-9-Manier eine Geiselbefreiung probte, intervenierte ich und sagte, dass ich mit Waffen in der Kirche ein Problem hätte. Schnell kamen wir ins Gespräch und merkten bald: Da haben sich zwei Typen mit vielen verrückten Ideen und schwarzem Humor gefunden.
Als Pastor, so behauptete der Patenonkel Ihres Protagonisten, müsse man nur sonntags arbeiten und hätte den Rest der Woche frei. Haben Sie Ihr Buch auch geschrieben, um mit diesem Vorurteil aufzuräumen?
Ach, nein. Diesen Spruch gab mein kirchenkritischer Vater zum Besten, als ich mich mit sechzehn Jahren über meine Berufsaussichten mit ihm unterhielt. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, und da wird Arbeit nun einmal anders definiert. Glücklich war mein Vater nicht, als ich mich dann tatsächlich für das Theologiestudium einschrieb. Später aber hat er meine Arbeit respektiert. Und bis heute versuche ich, Religion so zu kommunizieren, dass auch die Skeptiker etwas damit anfangen können.
In „Mein Wille geschehe“ begeht Pastor Benedikt Theves einen Mord im Affekt und erlebt dadurch eine Art Wiedergeburt als inspirierender Gemeindehirte. Glauben Sie, dass die Kirchen voller wären, wenn Geistliche mit ihren Schwächen anders umgehen würden?
Ich würde meinen Kolleg*innen sicher nicht empfehlen, ein Verbrechen zu begehen, um beruflich erfolgreicher zu sein. Etwas mehr Aufrichtigkeit hingegen könnte nicht schaden, emotional wie intellektuell. Bei Predigten habe ich oft den Eindruck, dass einige von ihnen das sagen, wovon sie glauben, es werde von ihnen erwartet. Stattdessen kommt man viel weiter, wenn man seine Glaubenszweifel und auch seine Schwächen offen benennt. Das eigentlich so wunderbare Liebesgebot, welches das pastorale Dienstethos bestimmt, kann zum inneren Zwang werden. Wenn man immer verständnisvoll und freundlich auftritt, auch wenn man mal vor Wut platzen könnte, geht das irgendwann nach hinten los. Das kenne ich auch aus eigener Erfahrung.
Ihr Kriminalhauptkommissar René Wilders wirkt besonders tapfer und bodenständig. Gab es für ihn Vorbilder?
Ein Schulfreund von mir hat heute einen Leitungsposten bei der Kriminalpolizei. Hauptkommissar Wilmers fällt allerdings nicht so sehr wegen konkreter und detailreich geschilderter Ermittlungsmethoden ins Gewicht. Mit seiner Familiengeschichte und seiner kranken Frau, die sich den Freitod wünscht, ist er vielmehr eine weitere Figur, die Benedikt auf seinem Weg zwischen Euphorie und Verzweiflung herausfordert. Der Mensch René Wilmers rückt in den Vordergrund, nicht so sehr der Polizeibeamte.
In Ihren Danksagungen erwähnen Sie auch den vor fünfzehn Jahren verstorbenen, großen Dichter und Humoristen Robert Gernhardt. Warum?
Gernhardt war für mich nicht nur ein wunderbarer Dichter, sondern mit seinem leidgeprüften Humor auch ein Seelentröster. Ich hatte einmal eine „Audienz“ bei ihm, als er im Buddenbrookhaus zu Gast war, wollte mit ihm ein Projekt planen, in dem klassische Dichtkunst und Spoken Poetry einander begegnen. Mit zitternden Knien betrat ich den Raum. Er kam auf mich zu, mit einem Kirchenführer in der Hand, zu dem ich die Einführungsworte geschrieben hatte. Dann sagte er: „Ach, Sie sind das! Ich habe gerade einen sehr schönen Text von Ihnen gelesen.“ Oh Mann. Gernhardt ist leider unersetzlich. Oder soll ich’s mal versuchen?
Bitte!
Will man ein großer Dichter sein / Vermeide man Betrügerei’n / Denn wer ein X macht für ein U / Gehört schon bald nicht mehr dazx.
Haben Sie jetzt Blut geleckt und werden z. B. weitere Krimis schreiben?
Einige Ideen habe ich schon gesammelt. Aber ich habe auch fünfzehn ungewöhnliche Weihnachtsgeschichten geschrieben, über deren Veröffentlichung ich mich freuen würde. Und ein Sachbuch schwebt mir vor, mit kritischen, nicht allzu ernsten Auslegungen der Artikel des christlichen Glaubensbekenntnisses. Ich sollte mich einmal wieder mit Sebastian zum Abendessen verabreden ...