Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) gilt als der bekannteste und einflussreichste, aber auch umstrittenste deutschsprachige Literaturkritiker der Nachkriegszeit. Er war aus dem literarischen Leben der letzten Jahrzehnte nicht wegzudenken. Zwei Jahre nach seinem Tod veröffentlicht nun die DVA einen
gewichtigen Sammelband mit einer Auswahl seiner Essays zur Gegenwartsliteratur. Herausgeber ist der…mehrMarcel Reich-Ranicki (1920-2013) gilt als der bekannteste und einflussreichste, aber auch umstrittenste deutschsprachige Literaturkritiker der Nachkriegszeit. Er war aus dem literarischen Leben der letzten Jahrzehnte nicht wegzudenken. Zwei Jahre nach seinem Tod veröffentlicht nun die DVA einen gewichtigen Sammelband mit einer Auswahl seiner Essays zur Gegenwartsliteratur. Herausgeber ist der Germanist Thomas Anz von der Universität Marburg, den Reich-Ranicki zu seinem Nachlassverwalter bestimmt hatte.
Rund siebzig Texte präsentiert die Auswahl, die in drei chronologische Kapitel unterteilt ist. Das erste Kapitel widmet sich der Epoche „Von der Gruppe 47 bis zur Politisierung um 1968“. Seine Zugehörigkeit zur Gruppe 47 war dabei eine markante Komponente seiner Kritikertätigkeit. Hier finden sich Beiträge zu linksliberalen und sozialistischen Schriftstellern und ihren Werken, wie Heinrich Böll, Wolfdietrich Schnurre, Günter Grass oder Alfred Andersch, wobei er häufig die zunehmende Politisierung der Literatur kritisierte. Schon hier zeigte sich aber, dass Reich-Ranicki ein gesamtdeutscher Kritiker war, u.a. mit Texten zu Wolf Biermann, Franz Fühmann oder Günter Kunert.
In dem Abschnitt „Von der Neuen Subjektivität bis zum Fall der Mauer“ richtet Reich-Ranicki seinen Blick vor allem auf Uwe Johnson, Wolf Wondratschek, Botho Strauss, Peter Handke oder Christa Wolf, deren Werke stark subjektive und autobiografische Tendenzen aufwiesen. Mit der Wende beginnt die nächste Zäsur in Reich-Ranickis Kritikerschaffen. Unter dem Kapitel „Von der deutschen Einheit bis zum 21. Jahrhundert“ versammelt der Band vor allem Texte über nun gesamtdeutsche Schriftsteller: u.a. Ingo Schulze, Judith Hermann, Sven Regener oder Undine Gruenter. Natürlich ist hier auch sein offener Brief „… und es muss gesagt werden“ an Günter Grass zu dessen Roman „Ein weites Feld“ vertreten. Den Abschluss bildet eine Würdigung von Peter Maiwald, der bereits 2008 verstarb und den Reich-Ranicki gefördert hatte.
Der umfangreiche Anhang bringt eine Übersicht zu den Schriften Marcel Reich-Ranickis über die deutsche Literatur nach 1945 und die Veröffentlichungsnachweise der Essays dieses Auswahlbandes sowie ein Personenregister. Das Buch, das ein Stück deutscher Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur erschließt, richtet sich nicht nur an Literaturfreunde sondern auch an die breite Öffentlichkeit.