Schlangen, die die Kontrolle übernehmen, die Alpträume bewohnen, würgen und dabei zu den wichtigsten Vertrauten und Gegenfiguren werden. Katzen, die sich in die Geschichte schleichen, ganz leise, fast nebensächlich, die dann Aufsehen errregen. Die sich in Schwulenbars aufreißen lassen, erst
anschmiegsam, dann tyrannisch, fordernd die Kontrolle übernehmen und mit Schlangen um das Territorium…mehrSchlangen, die die Kontrolle übernehmen, die Alpträume bewohnen, würgen und dabei zu den wichtigsten Vertrauten und Gegenfiguren werden. Katzen, die sich in die Geschichte schleichen, ganz leise, fast nebensächlich, die dann Aufsehen errregen. Die sich in Schwulenbars aufreißen lassen, erst anschmiegsam, dann tyrannisch, fordernd die Kontrolle übernehmen und mit Schlangen um das Territorium kämpfen. Katzen, die die Selbstzweifel und negativen Gedanken einer Figur in verbaler Gewalt einflüstern und diese in der eigenen Wohnung zu verdrängen suchen.
Das klingt nach dystopischem Märchen, nach magischem Realismus und nach von der Psychoanalyse inspirierter Traumdeutung und Symbolik, vielleicht holzschnittartig, vielleicht auch nach Thesenroman, etwas Horror ist auch dabei und das Psychogramm verletzter Identitäten. Insbesondere weil der kosovarosch-finnische Autor Statovci sie mit einer Migrations- und Fluchtgeschichte verwebt und eine Familie entwirft, die nicht nur durch Krieg und Exil von Gewalt, Einsamkeit und Entfremdung gezeichnet ist.
Erfreulicherweise legt er sich nicht fest auf bestimmte Deutungen und entgeht damit den Fallstricken einer zu direkten und determinierenden Sichtweise auf das Erzählte, holzschnittartig und Thesenroman nehm ich zurück.
Einer der Protagonisten ist Bekim, ein queerer einsamer Student, der sich von seiner Familie abgewendet hat. Er findet am Anfang des Romans kaum Kontakt zu sich selbst und der Umwelt, bis er in einem Impuls eine Boa kauft. Seine Gedanken und Erinnerungen wechseln mit der Perspektive seiner Mutter Emine. Ihre vom Patriarchat gefütterten Mädchenträume platzten schon in der Hochzeitsnacht als sie 17 war. Emine hat vier Kinder bekommen mit einem Mann, der gewalttätig, stolz und nicht erreichbar war. Im finnischen Exil hat sie nur schwer Fuß fassen können und fast die Verbindung zum Kosovo, ihren Kindern und sich selbst verloren.
Mit seinem bereits 2014 in Finnland erschienenen Debüt »Meine Katze Jugoslawien«, das 2017 in Englische übersetzt und hoch gelobt wurde, wollte der Autor viel. Doch überfrachtet oder konfus ist der Roman nicht. Er lebt vor allem von der komplexen und lebendigen Figurenzeichnung. Bekim und Emine bekommen einen eigenen Raum, ihre Charaktere sind nahbar, sie ergänzen und irritieren die Perspektive der anderen Figur, auch derjenigen, die nicht zu Wort kommen und sie nehmen eine Entwicklung. Statovsci zeichnet detailliert den Schmerz einer Familie nach, die es schon im Kosovo nicht einfach hatte, die vor Krieg floh und sehenden Auges in die ausgrenzenden und abwertenden Bilder der Finnen fallen und sich kaum oder nur mühsam daraus befreien können. Er spielt dabei mit dem antizipierten diskriminierenden Blick der Lesenden und säht immer wieder Zweifel.
Für mich hätten es auch weniger magisch realistische Tiere und Szenen sein können, aber das ist Geschmackssache, doch auch so kann ich mich einreihen in die von Statovci Begeisterten. Ob es dazu kommen wird, dass er mal den Booker Prize bekommt? Mit Bolla, das glaub ich noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde, landete er immerhin schon einmal auf der Longlist des Dublin Literary Award.