Zu den großen Wundern des Literaturbetriebs zählt die grandiose Wiederentdeckung eines übersehenen Genies, einer zu Unrecht Vergessenen, eines verfemten oder verdrängten Künstlers, dessen Werk unter den Augen der Nachgeborenen plötzlich in ganz neuem Licht erscheint und uns Heutigen etwas zu sagen hat. Frank Witzel hat sich auf die Suche nach solchen ins Dunkel der Geschichte gefallenen Schriftstellerinnen und Schriftstellern begeben und erstaunliche Entdeckungen gemacht. Dabei geht es ihm aber um mehr als um Wiedergutmachung: Die über hundert Entdeckungen, von denen er in diesem faszinierenden, erstmals in der Zeitschrift Schreibheft veröffentlichten und gefeierten und nun für diese Ausgabe aktualisierten und erweiterten Essay berichtet, umfassen auch Werke von Erfolglosen, Besessenen, Gescheiterten und völlig unbekannten Autoren. Wie nebenbei entsteht in diesem ganz persönlichen Kanon eine Poetik des Literaturbetriebs und seiner Ironien, Albernheiten, enttäuschten Hoffnungen und großen Erwartungen, die auch einen Blick in die Abgründe der Schreibstube erlaubt. Dort lauert die Sehnsucht nach dem vollkommenen Text zusammen mit der drohenden Möglichkeit des Scheiterns, das nie endgültig scheint – denn eine posthume Entdeckung und der große Erfolg in Form von Nachruhm scheinen immer möglich. Oder ist auch das nur ein Phantasma des Marktes? Frank Witzels Essay liefert mehr als eine Antwort und entwirft ein Spiegelkabinett des Autors in all seinen Möglichkeiten.