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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Christian Thielemann über sein Leben mit Beethoven
Monumente wollen besichtigt werden. Wer sie beschreibt, sagt mitunter mehr über sich selbst als über das Monumentale, das beim Näherkommen plötzlich geradezu fassbar wird. Der Dirigent Christian Thielemann hat sich für seine "Reise zu Beethoven" nicht schnurstracks auf den Weg begeben zum Wiener Meister aus Bonn, sondern einen Fahrplan erstellt, dessen Route zunächst von den neun Sinfonien abgesteckt ist. Ein imaginärer Beethoven-Zyklus also als erläuternder Lesestoff, das ist originell.
Thielemann wollte in diesem Jahr ohnehin am sinfonischen Werk des Jubilars Ludwig van Beethoven mit der Sächsischen Staatskapelle, deren Chefdirigent er ist, entlangfahren. Bis zur Station der Siebten ist man gekommen, die Fortsetzung ist der Pandemie wegen vorerst abgesagt. Was bisher zu hören war, hat unterstrichen, wie genau sich der schreibende Musiker mit dem Beethoven-Kosmos beschäftigt hat. Wobei Thielemann eher gesprochen haben dürfte, notiert für das Buch hat wohl vor allem die Musikjournalistin Christine Lemke-Matwey - mit ihr entstand vor einigen Jahren bereits Thielemanns "Mein Leben mit Wagner".
Das Resultat ist mit köstlichen Wortschöpfungen gespickt: Da will abgewogen sein, was "unbeethovensch" interpretiert ist, "unschubertisch" im Werk klingt, was "mozartisch-mendelssohnösen Duft atmet" oder aber ein "quasi rossinöses Geschehen" darstellen könnte. Das muss man nicht mögen, macht aber deutlich, wie subjektiv Thielemann sich mit dem Werk Ludwig van Beethovens befasst hat. Er sei ihm ein "Grundnahrungsmittel wie Bach oder Mozart". In neun Kapiteln widmet sich Thielemann seinem Leben mit Beethoven. Er durchquert - stets auf dem sinfonischen Pfad unterwegs, gerne mit Schlenkern etwa zur Kammermusik und Umwegen in die Musiktheorie - das Universum des Komponisten, widmet sich dem "deutschen Klang" sowie Fragen der Aufführungspraxis.
So wie er als Dirigent die Konzertabende arrangiert hat, fasst er die ersten drei Sinfonien zusammen und bündelt die folgenden jeweils paarweise. Lebensnah, kenntnisreich und mitunter gewohnt schnoddrig - Beethoven sei Apotheker und gestatte dem Interpreten, sich mit "ein paar rauschhaften Substanzen" zu versorgen - berichtet Thielemann von seiner Herangehensweise an Beethovens Werke. Daraus wird eine wirkliche Lebensreise vom West-Berliner Schuljungen bis zum erfahrenen Maestro, der auch Fehler einräumt und aus ihnen gelernt hat. Vor allem aber analysiert Thielemann anschaulich das sinfonische Schaffen, setzt es in Bezug zu Beethovens Solokonzerten, dem kammermusikalischen Werk sowie zur einzigen Oper "Fidelio" und zu seinem ganz persönlichen "Herzstück", der "Missa solemnis". In ihr sei "die schönste, süßeste, überirdischste Musik aller Zeiten" enthalten, die Thielemann überhaupt nicht religiös deuten will: "Die Missa ist heiß und superkalt zugleich. Aus der Strandsauna springt man raus in die eisige Nordsee (. . .) ein echtes Kapellmeister-Stück."
Bei Interpretationsfragen führt die Reise immer mal wieder hin zu den großen Meistern, die Thielemann geprägt haben: Furtwängler, Karajan, in einem Ausnahmefall auch Toscanini. Am liebsten möchte man all die genannten Beispiele nachhören - was die Lektüre schier endlos ausdehnen würde. Leider verzichtet jedoch auch das zeitgleich erschienene Hörbuch (gelesen von Frank Arnold) auf belegende Musikzitate. Was wäre das für eine Chance gewesen!
Thielemann warnt davor, die "geraden" Sinfonien zu unterschätzen, die Vierte sei nicht etwa "leicht", die Achte hingegen geradezu "skurril". Gilt es umgekehrt, die "ungeraden" nicht zu überschätzen? Nummer eins als Aufbruch in eine neue Klangwelt, die "Eroica" als Abschied von aller Tradition und sowieso die Fünfte als grandioser Meilenstein. Die Neunte sei "ein Mythos, ein ästhetisches Drehkreuz". Man müsse sie möglichst früh in seiner Karriere dirigieren - "um sie früh in den Sand zu setzen". Danach bräuchte man mindestens ein halbes Dirigentenleben, um die Angst vor diesem Opus zu verlieren.
Thielemanns Fazit: "Am Ende gibt es immer nur einen Weg: den eigenen. Gerade bei Beethoven." Denn der sei "der Universellste von allen". Wenn man ihm als Interpret genüge, dann genüge man allen. Das könnte ein großartiges Reiseziel sein.
MICHAEL ERNST
Christian Thielemann: "Meine Reise zu
Beethoven".
Unter Mitwirkung
von Christine
Lemke-Matwey.
C. H. Beck Verlag,
München 2020. 271 S., Abb., geb., 22,- [Euro].
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Frankfurter Allgemeine Zeitung, Michael Ernst
"Es gibt unzählige Interpretationen dieser Sinfonien, aber Thielemanns überragt alle anderen."
Die Presse
"Der Dirigent und die Suche nach dem fast Unmöglichen: eine Synthese aus Tradition und Moderne, Analyse und Emotion, Rezeption und Interpretation. (...) Dies ist kein Buch, das vom Promibonus lebt. Thielemann zeigt einen vielseitigen Weg zu Beethoven."
SWR2, Christoph Vratz
"Da hat Christian Thielemann in seinem neuen Buch (...) über 250 Seiten lang den Leser beeindruckt, bewegt, begeistert, erschüttert, um Wissen bereichert."
Opera Lounge, Ingrid Wanja
"Ein lohnenswerter, durchaus intimer Blick hinter die Kulissen einer Dirigentenpersönlichkeit, die Beethovens symphonische Werke wie kaum ein anderer mit der eigenen Vita und Karriere verknüpft"
Mittelbayerische Zeitung, Andreas Meixner
"Es macht Spaß, ihm bei den detaillierten Erläuterungen zu folgen. Gerade, weil das nie staubt, sondern mit domestizierter Berliner Schnauze geschrieben ist."
Münchner Merkur, Markus Thiel
"Herausragend (...) Das ist ein typischer Thielemann."
Südwest Presse, Jürgen Kanold
"Ein erhellendes Lesevergnügen!"
Frankfurter Neue Presse