Dieses Buch, das dem Leben und der Kunst von Meister Bertram, einem der bedeutendsten Maler der Gotik, gewidmet ist, beginnt mit einem Wunder, mit einer Vision des Bruders Meinardus, von der er seinem Prior im Hamburger Johanniskloster berichtet: Das Wichtigste kommt erst! ... Abermals hörte ich eine Stimme, eine sehr klare weibliche Stimme: >Noch sollst du mir Diener sein auf der Erde. Warte deine Zeit ab!< Danach verdunkelte sich die Glut des Feuerballs, und in seiner Mitte erschien mir ganz deutlich die Gestalt der Jungfrau Maria, und siehe: sie hatte die gleiche Gestalt wie auf jenem Bilde! ... Wie der Maler das wissen konnte! ... Ich grüßte sie voll Ehrerbietung, jedoch wie eine Bekannte und Vertraute, denn jetzt wusste ich, es war der Lohn für meine Treue, dass sie mir selbst erschien. Und sie war eins mit dem Bilde, das mir tagtäglich mehr Trost gewährte als alle Gebete und Litaneien, allein durch den lieblichen Anblick. Dieses Marienbild hat Meister Bertram gemalt, der sich über dessen große Wirkung wundert: Er am wenigsten kann glauben, dass ein Bild, das er mit seinen Händen gemalt hat, imstande sein soll, ein Wunder auszulösen. Immer wieder muss er bei der Arbeit verstohlen auf diese Hände sehen, die keineswegs blass, feinnervig und durchgeistigt aussehen, sondern derbknochig, gerötet und kurzfingrig — wie es seiner gedrungenen Gestalt entspricht. Man sieht ihnen an, dass sie an festes Zupacken gewöhnt sind. Es sind die Hände eines Handwerkers, der seinen sicheren Platz mitten im Leben und auf der Erde hat. Meister Bertram will jedoch genauer wissen, was es mit dieser Wunderwirkung auf sich hat, beschließt sofort ins Kloster zu gehen, und lernt dort Bruder Meinardus kennen. Später wird er dem Dominikaner noch zweimal wiederbegegnen – allerdings unter ganz anderen Umständen. Durch Meinardus lernt er auch die junge Nonne Clarissa kennen, die ihn um einen ganz besonderen Gefallen bittet. Einfluss auf sein Leben nimmt auch der alte Prior, der den Künstler zu einer Pilgerreise nach Rom drängt. Aber gerade dadurch setzen sich ganz neue Gedanken und Kunstauffassungen im Kopf des Malers fest und bestimmen seine Arbeit an einem Altar für das Kloster in Buxtehude, wo Clarissa lebt. Ein Hauptwerk des Künstlers, der „Grabower Altar“, kann in der Hamburger Kunsthalle bewundert werden. 1726 hatte die Kirchengemeinde St. Petri den Altar der Stadtkirche in Grabow übergeben, die nach einem Brand schwer beschädigt war. 1903 kehrte er in die Hansestadt zurück.