Die Geschichte einer jüdischen Familie in New York mit den großen Themen Liebe, Tod und Rebellion. 1968, nach dem chinesischen Kalender im Jahr des Affen, trauert Mendel Kabakov, ein in New York lebender jüdischer Professor für amerikanische Geschichte, um seine vor kurzem verstorbene Frau Sonia, mit der er fast 50 Jahre zusammenlebte. In seinen Erinnerungen spürt er der Liebe zur blinden Sonia und seinem eigenen Leben nach. Der Roman erzählt aber nicht nur von dieser Liebe, sondern auch von den persönlichen und familiären Krisen der Kinder und Enkel Mendel Kabakovs. Gerade für die junge Generation ist das Jahr 1968 eine Zeit des Aufbruchs, der Auflehnung gegen den Vietnamkrieg und gegen gesellschaftliche Zustände, in der Diskriminierungen - sei es von Schwarzen, Juden oder Homosexuellen - an der Tagesordnung sind. Dabei meistert Mendel die Schwierigkeiten und Herausforderungen dieser Zeit mit Witz und Ironie. Steven Bloom erzählt in einem leichtfüßigen und zarten Ton von den großen Themen Liebe und Familie, die er vor die umwälzenden politischen und gesellschaftlichen Ereignisse des vergangenen Jahrhunderts setzt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.01.2020Ein kluges Kind seiner Zeit
Steven Bloom, in Brooklyn geboren, lebt in Deutschland und schreibt
so wunderbare Romane wie „Mendel Kabakov und das Jahr des Affen“
VON ULRICH RÜDENAUER
Steven Bloom wurde 1942 als Sohn polnischer Juden in New York geboren, dort ist er aufgewachsen, dort hat er auch studiert und dann in jungen Jahren für das National Public Radio gearbeitet. Dass Kindheit und Jugend für einen Schriftsteller ein unerschöpfliches Reservoir bilden, kann man bei diesem Autor schön beobachten. Obwohl es mehr als vierzig Jahre her ist, dass Bloom nach Heidelberg kam, kehrt er als Erzähler immer wieder in seine Geburtsstadt, genauer: nach Brooklyn, zurück. Wie aber verschlägt es einen von der brodelnden Metropole schlechthin in die Ländlichschönste aller idyllischen Städte? Nun, Blooms Frau war Opernsängerin und wollte nach good old Europe, wo das Musiktheater schließlich herkommt. Und der Mann, was sollte er tun, folgte, unterrichtete fortan Landeskunde an der Uni und hielt Vorträge.
Geschrieben hat er zwar immer schon, aber vor gut zwanzig Jahren machte er damit dann ernst. Sein erster Roman erschien unter dem Titel „Immer dieselben Witze“. Seine Geschichten verfasst er auf Englisch, übersetzt werden sie von Silvia Morawetz. Bislang haben die meisten seiner Bücher den angelsächsischen Sprachraum nicht erreicht; kein englischer Verlag wollte sie drucken. Dabei hat seine Prosa alles, was man sich wünschen kann: Gespür für die Atmosphäre einer Zeit, Sinn für Tempo und Timing, vor allem in den Dialogen, eine prägnante Sprache und Esprit. Das gilt auch für seinen jüngsten, inzwischen fünften Roman „Mendel Kabakov und das Jahr des Affen“.
Der Affe ist unter den chinesischen Tierkreiszeichen ziemlich beliebt. Einfallsreich, lustig, erwartungsvoll und mit einer guten Portion Optimismus – so stellt man sich unseren haarigen Verwandten vor. 1968 war dem Affen gewidmet, und tatsächlich könnte eine Rückschau auf dieses Jahr mit all den genannten Charakteristika eingeleitet werden: Neugier und Aufbruchsgeist waren fast überall spürbar, die Fantasie wollte an die Macht, nieder sollte es gehen mit Imperialismus und Kapital.
Aber bei aller Euphorie war natürlich nicht alles love, peace and music, und auch der Funke zu größeren Umwälzungen sprang nicht aufs revolutionäre Subjekt über. Die Welt war im Jahr des Affen in allem ziemlich aus den Fugen. Die Amerikaner kämpften in Vietnam, die Studenten zunächst entfesselt, zunehmend aber desillusioniert auf den Straßen von Berlin, Paris oder Berkeley. Martin Luther King wurde erschossen, und die schwarze Bürgerrechtsbewegung radikalisierte sich. Nixon wollte Präsident werden, und einer seiner Konkurrenten, Robert Kennedy, fiel – wie sein älterer Bruder fünf Jahre zuvor – einem Attentat zum Opfer.
Mendel Kabakov, der Fixstern in Steven Blooms neuem Roman, nimmt diese Ereignisse als Historiker noch aufmerksamer wahr als die Menschen um ihn herum; er weiß um die tiefen Widersprüche und Verwerfungen der amerikanischen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Mendel ist im explosiven Romanjahr 1968 bereits achtzig Jahre alt, hat alles hautnah erlebt, zusammen mit seiner geliebten Frau Sonia, die erst vor Kurzem gestorben ist. Sein Judentum spielt in seinen Betrachtungen eine Rolle – und auch nicht. „Ich war schon lange, um es mit Mordecai Richler zu sagen, Jude nur noch, wenn es ans Verfolgtwerden ging. Trotzdem beschloss ich, Schiwa zu sitzen. Ich saß Schiwa, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte.“ Bloom erzählt ganz knapp, fast im Protokollstil. Immer so viel, dass den Figuren eine Kontur gegeben wird – ausmalen muss man sie sich selbst.
Mendel Kabakov, damals ein junger Doktorand in Amerikanischer Geschichte, der aus einfachen Verhältnissen stammte, hatte Sonia auf der Straße kennengelernt. Er war aus der Bibliothek getreten und hatte diese junge Frau gesehen, wie sie im wildesten New Yorker Verkehrsgetümmel die Straße zu überqueren suchte. Sonia: blind. Und schön. Und, wie er bald feststellen sollte, belesen. Dazu noch klug und von einer ansteckenden Herzenswärme. „Aus irgendeinem Grund hatte ich diese Chance bekommen. Ich hatte den Ersten Weltkrieg überlebt und die große Grippeepidemie, die fast noch mehr Menschenleben gekostet hatte, und ich hatte den großen Lesesaal genau im richtigen Augenblick verlassen. Daher gehörte diese Chance mir, aber ich hatte nur einige Minuten, bevor keiner dieser Zufälle mehr von Bedeutung war.“
Jetzt, da Sonia tot ist, blickt Mendel Kabakov mit trauriger Nüchternheit auf sein Leben und die Liebe zurück, auf seine Arbeit, auf die amerikanischen Kriege, über die er eine ketzerische Arbeit geschrieben hat. Ohne die Einmischung der USA, so eine seiner Thesen, hätte der Erste Weltkrieg wohl mit einem Patt geendet. Und dann wäre es vielleicht niemals zu einem zweiten gekommen. Die Aufgabe des Historikers bestehe darin, dem Missbrauch der Vergangenheit vorzubeugen.
Die Aufgabe des Menschen Kabakov ist es freilich, der Gegenwart gerecht zu werden und die Familie zusammenzuhalten, etwas, was Sonia besser gelungen war. Seine beiden Kinder bilden dabei zwei Enden der Skala dieser Umbruchphase. Sammy will ein guter Jude sein, einen ordentlichen Beruf ausüben und seinem Land dienen. Die Kommunisten hasst er. Eva hingegen ist Pazifistin. Kein Krieg führe zu irgendeiner Lösung. Sie engagiert sich für Amnesty International und steht den Hippies näher als die meisten anderen Menschen ihrer Generation. In den Enkelkindern von Mendel sind die Spannungen dieser Jahre noch greifbarer – sie suchen auf verschiedene Weise nach einem Weg aus dem Irrsinn, der in Vietnam tobt.
Auch Mendel ist ein Kind seiner Zeit. Er ist liberal, aber doch nur to a degree. Er votiert aus rationalen Gründen durchaus für die Gleichberechtigung der Schwarzen – ganz selbstverständlich verwendet er den Begriff „Neger“ –, aber durch manche Viertel New Yorks würde er doch lieber nicht spazieren wollen. Dass Juden in den USA nicht überall willkommen und wohlgelitten sind, das weiß er aus Erfahrung nur zu gut. Durch die Familie Kabakov gehen diverse Risse, und doch scheint der versöhnliche Geist der toten Sonia über allen zu schweben. Nicht zuletzt über Mendel.
Steven Bloom, dessen bisheriges Werk auf unnachahmliche Weise Schwermut und Heiterkeit zusammengeführt hat, dessen Charaktere man auch im Kosmos Isaac Bashevis Singers, Saul Bellows oder Woody Allens antreffen könnte, hat nun einen schmalen Zeitroman geschrieben. Der entlastende Witz ist einer melancholischen Nachdenklichkeit gewichen, das Anekdotische einer historischen Recherche im amerikanischen zwanzigsten Jahrhundert. Man lernt darin nicht nur etwas über eine bis heute fortwirkende und sich gerade doch komplett verändernde Welt, sondern auch über das Leben des Einzelnen im Mahlstrom der Geschichte. Ein besonnener, aber kein bedächtiger Roman.
Mendel Kabakov könnte man fast als amerikanisches Pendant zum Titelhelden in Hans Joachim Schädlichs Roman „Kokoschkins Reise“ betrachten, der in seinen Neunzigern eine Schiffs- und Gedankenreise antritt, die ihn noch einmal an die neuralgischen Punkte des europäischen Jahrhunderts führt. Hier wie dort verdichtet ein reduziertes Erzählen die Vergangenheit und ist doch viel mehr ist als nur eine Bestandsaufnahme. Wer eine lange Lebensreise tut, hat viel Gewichtiges zu erzählen, und kann auf Unwichtiges verzichten. So lässt sich auf schlanken 200 Seiten eine ganze Epoche unterbringen.
Steven Bloom: Mendel Kabakov und das Jahr des Affen. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Silvia Morawetz. Wallstein Verlag, Göttingen 2019. 204 Seiten, 20 Euro.
Sein Judentum spielt in den
Betrachtungen des Helden eine
Rolle – und auch nicht
Durch die Familie Kabakov gehen
diverse Risse, doch der Geist
der toten Sonja versöhnt alle
Steven Blooms Romanheld Mendel Kabakov ist 1968 schon ein alter Mann. Richard Nixon, der in diesem Jahr Präsident werden will, ist 55 und lässt sich bei Wahlkampfauftritten feiern wie ein Popstar.
Foto: Reuters
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Steven Bloom, in Brooklyn geboren, lebt in Deutschland und schreibt
so wunderbare Romane wie „Mendel Kabakov und das Jahr des Affen“
VON ULRICH RÜDENAUER
Steven Bloom wurde 1942 als Sohn polnischer Juden in New York geboren, dort ist er aufgewachsen, dort hat er auch studiert und dann in jungen Jahren für das National Public Radio gearbeitet. Dass Kindheit und Jugend für einen Schriftsteller ein unerschöpfliches Reservoir bilden, kann man bei diesem Autor schön beobachten. Obwohl es mehr als vierzig Jahre her ist, dass Bloom nach Heidelberg kam, kehrt er als Erzähler immer wieder in seine Geburtsstadt, genauer: nach Brooklyn, zurück. Wie aber verschlägt es einen von der brodelnden Metropole schlechthin in die Ländlichschönste aller idyllischen Städte? Nun, Blooms Frau war Opernsängerin und wollte nach good old Europe, wo das Musiktheater schließlich herkommt. Und der Mann, was sollte er tun, folgte, unterrichtete fortan Landeskunde an der Uni und hielt Vorträge.
Geschrieben hat er zwar immer schon, aber vor gut zwanzig Jahren machte er damit dann ernst. Sein erster Roman erschien unter dem Titel „Immer dieselben Witze“. Seine Geschichten verfasst er auf Englisch, übersetzt werden sie von Silvia Morawetz. Bislang haben die meisten seiner Bücher den angelsächsischen Sprachraum nicht erreicht; kein englischer Verlag wollte sie drucken. Dabei hat seine Prosa alles, was man sich wünschen kann: Gespür für die Atmosphäre einer Zeit, Sinn für Tempo und Timing, vor allem in den Dialogen, eine prägnante Sprache und Esprit. Das gilt auch für seinen jüngsten, inzwischen fünften Roman „Mendel Kabakov und das Jahr des Affen“.
Der Affe ist unter den chinesischen Tierkreiszeichen ziemlich beliebt. Einfallsreich, lustig, erwartungsvoll und mit einer guten Portion Optimismus – so stellt man sich unseren haarigen Verwandten vor. 1968 war dem Affen gewidmet, und tatsächlich könnte eine Rückschau auf dieses Jahr mit all den genannten Charakteristika eingeleitet werden: Neugier und Aufbruchsgeist waren fast überall spürbar, die Fantasie wollte an die Macht, nieder sollte es gehen mit Imperialismus und Kapital.
Aber bei aller Euphorie war natürlich nicht alles love, peace and music, und auch der Funke zu größeren Umwälzungen sprang nicht aufs revolutionäre Subjekt über. Die Welt war im Jahr des Affen in allem ziemlich aus den Fugen. Die Amerikaner kämpften in Vietnam, die Studenten zunächst entfesselt, zunehmend aber desillusioniert auf den Straßen von Berlin, Paris oder Berkeley. Martin Luther King wurde erschossen, und die schwarze Bürgerrechtsbewegung radikalisierte sich. Nixon wollte Präsident werden, und einer seiner Konkurrenten, Robert Kennedy, fiel – wie sein älterer Bruder fünf Jahre zuvor – einem Attentat zum Opfer.
Mendel Kabakov, der Fixstern in Steven Blooms neuem Roman, nimmt diese Ereignisse als Historiker noch aufmerksamer wahr als die Menschen um ihn herum; er weiß um die tiefen Widersprüche und Verwerfungen der amerikanischen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Mendel ist im explosiven Romanjahr 1968 bereits achtzig Jahre alt, hat alles hautnah erlebt, zusammen mit seiner geliebten Frau Sonia, die erst vor Kurzem gestorben ist. Sein Judentum spielt in seinen Betrachtungen eine Rolle – und auch nicht. „Ich war schon lange, um es mit Mordecai Richler zu sagen, Jude nur noch, wenn es ans Verfolgtwerden ging. Trotzdem beschloss ich, Schiwa zu sitzen. Ich saß Schiwa, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte.“ Bloom erzählt ganz knapp, fast im Protokollstil. Immer so viel, dass den Figuren eine Kontur gegeben wird – ausmalen muss man sie sich selbst.
Mendel Kabakov, damals ein junger Doktorand in Amerikanischer Geschichte, der aus einfachen Verhältnissen stammte, hatte Sonia auf der Straße kennengelernt. Er war aus der Bibliothek getreten und hatte diese junge Frau gesehen, wie sie im wildesten New Yorker Verkehrsgetümmel die Straße zu überqueren suchte. Sonia: blind. Und schön. Und, wie er bald feststellen sollte, belesen. Dazu noch klug und von einer ansteckenden Herzenswärme. „Aus irgendeinem Grund hatte ich diese Chance bekommen. Ich hatte den Ersten Weltkrieg überlebt und die große Grippeepidemie, die fast noch mehr Menschenleben gekostet hatte, und ich hatte den großen Lesesaal genau im richtigen Augenblick verlassen. Daher gehörte diese Chance mir, aber ich hatte nur einige Minuten, bevor keiner dieser Zufälle mehr von Bedeutung war.“
Jetzt, da Sonia tot ist, blickt Mendel Kabakov mit trauriger Nüchternheit auf sein Leben und die Liebe zurück, auf seine Arbeit, auf die amerikanischen Kriege, über die er eine ketzerische Arbeit geschrieben hat. Ohne die Einmischung der USA, so eine seiner Thesen, hätte der Erste Weltkrieg wohl mit einem Patt geendet. Und dann wäre es vielleicht niemals zu einem zweiten gekommen. Die Aufgabe des Historikers bestehe darin, dem Missbrauch der Vergangenheit vorzubeugen.
Die Aufgabe des Menschen Kabakov ist es freilich, der Gegenwart gerecht zu werden und die Familie zusammenzuhalten, etwas, was Sonia besser gelungen war. Seine beiden Kinder bilden dabei zwei Enden der Skala dieser Umbruchphase. Sammy will ein guter Jude sein, einen ordentlichen Beruf ausüben und seinem Land dienen. Die Kommunisten hasst er. Eva hingegen ist Pazifistin. Kein Krieg führe zu irgendeiner Lösung. Sie engagiert sich für Amnesty International und steht den Hippies näher als die meisten anderen Menschen ihrer Generation. In den Enkelkindern von Mendel sind die Spannungen dieser Jahre noch greifbarer – sie suchen auf verschiedene Weise nach einem Weg aus dem Irrsinn, der in Vietnam tobt.
Auch Mendel ist ein Kind seiner Zeit. Er ist liberal, aber doch nur to a degree. Er votiert aus rationalen Gründen durchaus für die Gleichberechtigung der Schwarzen – ganz selbstverständlich verwendet er den Begriff „Neger“ –, aber durch manche Viertel New Yorks würde er doch lieber nicht spazieren wollen. Dass Juden in den USA nicht überall willkommen und wohlgelitten sind, das weiß er aus Erfahrung nur zu gut. Durch die Familie Kabakov gehen diverse Risse, und doch scheint der versöhnliche Geist der toten Sonia über allen zu schweben. Nicht zuletzt über Mendel.
Steven Bloom, dessen bisheriges Werk auf unnachahmliche Weise Schwermut und Heiterkeit zusammengeführt hat, dessen Charaktere man auch im Kosmos Isaac Bashevis Singers, Saul Bellows oder Woody Allens antreffen könnte, hat nun einen schmalen Zeitroman geschrieben. Der entlastende Witz ist einer melancholischen Nachdenklichkeit gewichen, das Anekdotische einer historischen Recherche im amerikanischen zwanzigsten Jahrhundert. Man lernt darin nicht nur etwas über eine bis heute fortwirkende und sich gerade doch komplett verändernde Welt, sondern auch über das Leben des Einzelnen im Mahlstrom der Geschichte. Ein besonnener, aber kein bedächtiger Roman.
Mendel Kabakov könnte man fast als amerikanisches Pendant zum Titelhelden in Hans Joachim Schädlichs Roman „Kokoschkins Reise“ betrachten, der in seinen Neunzigern eine Schiffs- und Gedankenreise antritt, die ihn noch einmal an die neuralgischen Punkte des europäischen Jahrhunderts führt. Hier wie dort verdichtet ein reduziertes Erzählen die Vergangenheit und ist doch viel mehr ist als nur eine Bestandsaufnahme. Wer eine lange Lebensreise tut, hat viel Gewichtiges zu erzählen, und kann auf Unwichtiges verzichten. So lässt sich auf schlanken 200 Seiten eine ganze Epoche unterbringen.
Steven Bloom: Mendel Kabakov und das Jahr des Affen. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Silvia Morawetz. Wallstein Verlag, Göttingen 2019. 204 Seiten, 20 Euro.
Sein Judentum spielt in den
Betrachtungen des Helden eine
Rolle – und auch nicht
Durch die Familie Kabakov gehen
diverse Risse, doch der Geist
der toten Sonja versöhnt alle
Steven Blooms Romanheld Mendel Kabakov ist 1968 schon ein alter Mann. Richard Nixon, der in diesem Jahr Präsident werden will, ist 55 und lässt sich bei Wahlkampfauftritten feiern wie ein Popstar.
Foto: Reuters
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»Das Buch von Steven Bloom ist ganz hervorragend!« (Hans Diehm, Belletristik-Abteilung Wittwer-Thalia Stuttgart)