Ein Urthema der Architekturtheorie ist die Menschenähnlichkeit von Gebäuden. Bereits bei Vitruv als Beispiel formuliert, wird der menschliche Körper im Quattrocento zum Paradigma der Architektur. Die (erstmalige) eingehende Untersuchung der vitruvianischen Anthropomorphismen zeigt, daß der Mensch hier – neben seiner Funktion als Metaphernspender und Quelle des Maßsystems – als Vorbild für die exakte Berechnung von Modulsystemen und Proportionen dient. Anders verhält es sich mit den menschengestaltigen Säulen: Hier gibt der Körper (Mann, Frau, Jungfrau) die konkreten Proportionen vor, die in der Architektur nachgeahmt werden. Der menschliche Körper liefert Autoren wie Filarete und Francesco di Giorgio Martini nicht nur Antworten auf die Frage nach dem Schönen und der „richtigen“ Proportionierung, sondern dient auch zur Entwurfsregulierung. Nachdem schon Alberti das Lebewesen allgemein dem Menschen als Beispiel vorgezogen hatte, ist in der Kunstliteratur des späten Quattrocento eine deutliche Reserve gegenüber der anthropomorphistischen Architekturtheorie zu spüren. Es kündigt sich das Cinquecento an, in dem zwar hier und da der Mensch herangezogen wird, für die Ästhetik jedoch durch die musica als Bezugssystem abgelöst wird. Diss. Darmstadt.