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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Ein Jahrtausende übergreifendes Schlachtengedächtnis: Vitumil Zupans slowenischer Partisanenroman "Menuett für Gitarre (zu 25 Schuss)"
"Ich müsste mir Gedanken über meine Nationalität machen, einmal wenigstens", schreibt der Partisan aus den slowenischen Wäldern. "Für die Italiener sind wir Schiavi, für die Österreicher windische Hunde, für Europa Balkaner, für den Balkan ewige Austriaken, und für den Großteil der Welt etwas zwischen Türkei und Tschechei." Nach dem Krieg aus Sicht der westlichen Welt der Ostblock.
Gemeinsam mit der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee waren slowenische Männer und Frauen im Krieg gegen die Besatzungsmächte Italien und Deutschland aktiv geworden. Und obwohl auch "klassisch" an der Front gekämpft wurde, hatte der Partisanenkampf für die Identitätsbildung in der späteren Volksrepublik enorme Bedeutung. Sie wurde im Verbund mit einer sozialistisch-realistischen Staatskunst zur Verteidigungsdoktrin der Föderation erklärt - und verklärt. Entsprechend fasste jeder Autor ein heißes Eisen an, wenn er vom Partisanenkrieg anders als im Brustton heroischer Opferbereitschaft erzählen wollte.
Dass Kollaborateure oder Sympathisanten als mehr oder weniger notleidende Menschen dargestellt werden könnten oder Partisanen als Egoisten, Wendehälse oder wenigstens ideologisch unmusikalisch, passte nicht ins Bild. Auch nicht, dass der Krieg ein wirres, widersprüchliches Unterfangen voller peinlicher Episoden war. Doch "Menuett für Gitarre (zu 25 Schuss)", ein von Vitomil Zupan 1975 veröffentlichtes Roman-Kaleidoskop über die kriegerischen Auseinandersetzungen in und um Ljubljana, wurde zum Kultbuch der rebellischen Jugend in Slowenien. Denn die empfand die offizielle Staatsideologie zunehmend als starr und lebensfremd.
Das "Menuett", so informiert der Übersetzer Erwin Köstler im Nachwort, wurde noch zu jugoslawischen Zeiten als Teil einer autobiographischen Trilogie drei Mal nachgedruckt. Der auf Wiederentdeckungen aus Ost- und Nordeuropa spezialisierte Guggolz Verlag hat den monumentalen Roman nun erstmals auf Deutsch zugänglich gemacht. Übersetzerisch vollbringt Köstler eine Glanzleistung, wenn er durch das mit Realien (Volkslieder, Dialekt, Partisanenjargon, Geowissen) gespickte Dickicht hindurchführt. Denn dieses Buch über die Partisanentätigkeit des Helden Jakob Bergant-Berk ist kein Roman über den Krieg, sondern einer über das Leben unter den Bedingungen des Krieges. Zufall und Improvisation färben auf die Ästhetik der Kriegserinnerungen des Helden ab. Drastik wiederum strukturiert das Chaos. Reflexion schließlich löst den Krieg von der konkreten zeithistorischen Ebene ab und verleiht ihm eine kulturanthropologische Bedeutung. Das Schlachtengedächtnis Vitomil Zupans reicht vom Trojanischen über den Dreißigjährigen bis hin zum Hitler-Krieg.
Das alles also befindet sich in diesem Buch. Und deswegen ist seine Lektüre uferlos. Unkonzentrierte Passagen gehen über in intensive Szenen, den natürlichen Rhythmen des Lebens oder der menschlichen Wahrnehmung nachgebaut.
Der Romanheld gehört - wie Zupan selbst bis zu seiner Internierung im italienischen KZ Gonars im Friaul - der Stadtguerilla von Ljubljana an. Dann schließt sich der erklärte Einzelkämpfer einer multinationalen Kampftruppe an. Dabei hat er stets den menschlichen Blickwinkel, nie den eines politischen Ideologen: "Jetzt gibt es einen Krieg auf Leben und Tod zwischen verschiedenen Arten von Menschen. Auch ich stehe in einer Armee. Auf unserer Seite ist das Recht - auf der anderen Seite das Unrecht. Denen von der anderen Seite wird dasselbe beigebracht." Politisch sei er "naiv", sogar "anarchistisch angehaucht". Jedenfalls "voller Hoffnung", heißt es einmal. Und auch: "Ich wünschte mir angenehme Überraschungen." Und die lauern eigentlich überall.
Als Partisan beginnt Bergant Liebschaften und schließt Freundschaften, etwa mit dem introvertierten Spanienkämpfer Anton, dessen Tod er später zu beklagen hat. Der Krieg, das sei nichts weiter als ein Tanz, sagt er bei einer Begegnung in der siebziger Jahren mit einem früheren deutschen "Kriegsgegner" auf Mallorca. Das ist die zweite Handlungsebene des Romans. Hier kommen zwei Männer zusammen, die einander ehedem nach dem Leben trachteten. Nun raisonniert man über die Sinnlosigkeit dieser Konstellation auf einer allgemeinen Ebene des Menschlichen und Allzumenschlichen.
In den deftigen Liebesszenen des Romans wird ein problematisches Verhältnis zum anderen Geschlecht sichtbar. Der supervirile Held, den sein "blöder Schwengel" noch nie im Stich gelassen hat, pflegt eine Hassliebe zu den Damen. Immer ist sein Begehren geknüpft an eine misogyne Empfindung, die ihn kurz vor oder nach der Eroberung heimsucht. Einmal heißt es: "Vesna, das ist ein Körper von guter Qualität, in dem eine eher kleinliche Seele wohnt." Ein anderes Mal: "Du bist wie die Heimat anziehend nur in der Nacht, aber blind und gefühllos für deine Liebhaber, tugendhaft untreu, ohne richtige Schmerzen und ohne merkliche Leidenschaft." Vitomil Zupan zeigt sich hier als habitueller Macho. Und hätte er nicht auch ein paar nachdenkliche Seiten, man würde dieses Partisanen-Road-Movie irgendwann genervt aus der Hand legen.
Dass Zupan im echten Leben sieben Jahre lang wegen Verstößen gegen die öffentliche Moral einsaß - damit waren vor allem Orgien mit bisexuellen Konstellationen gemeint -, macht ihn zu einer schillernden Figur der europäischen Kriegsliteratur. Wir lernen jedenfalls einen Mann voller zweifelhaftem Tatendrang kennen. Und darum geht es vor allem in diesem "Menuett für Gitarre (zu 25 Schuss)". KATHARINA TEUTSCH
Vitumil Zupan: "Menuett für Gitarre (zu 25 Schuss)". Roman.
Aus dem Slowenischen und mit einem Nachwort von Erwin Köstler. Guggolz Verlag, Berlin 2021. 600 S., geb., 28,- Euro.
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