Merck is the oldest pharmaceutical-chemical company in the world. It developed into a global corporation from a Darmstadt pharmacy that Jacob Friedrich Merck received the pharmacist's license for in 1668. This book tells the 350-year history of the company for the first time in its entirety and on the basis of all the available sources, as well as the newest research in business history. For a long time, family-owned companies were regarded as a dying breed. The future seemed to belong to jointstock companies with an anonymous stockholder structure. Yet there are numerous successful counterexamples in Germany, such as Bosch, C&A and Bertelsmann. Merck, too, counts among them. How did the Merck family manage to keep the company in its possession for 13 generations through all the political ruptures and historical crises and turn it into a global leader among science and technology firms? With this as their central question, four acclaimed historians recount the fascinating history of the Merck company between 1668 and 2018, embedding it in the eventful course of world history.
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Frankfurter Allgemeine ZeitungWas für eine Quellenlage!
350 Jahre Merck in einem Buch - ein Schatz
350 Jahre Merck. Es ist ein unglaubliches Jubiläum, im Wortsinn. Kein deutscher Konzern, der im Dax notiert ist, blickt auf eine längere Tradition zurück. Für das Chemie- und Pharmaunternehmen aus Darmstadt war es Anlass, zum ersten Mal seit seiner Gründung seine Unternehmensgeschichte vollständig wissenschaftlich aufbereiten zu lassen. Angesichts der zu analysierenden Zeitspanne ist es kein Wunder, dass ein ganzes Autorenteam mit der Arbeit befasst war. Die Autoren Carsten Burhop, Michael Kißener, Hermann Schäfer und Joachim Scholtyseck haben, basierend auf dem Archivmaterial von Merck, einen vollkommen unabhängigen Überblick über die Geschichte erstellt.
Die Frage, wie die entscheidenden Faktoren für die Kontinuität über dreieinhalb Jahrhunderte erfolgreich bis in das 21. Jahrhundert so stabil gehalten werden konnten, dass Merck sich auch in der Gegenwart zu mehr als zwei Drittel in Familienbesitz und in einer wirtschaftlich komfortablen Lage befindet, ist das Leitmotiv der Untersuchung. Entstanden ist eine Langzeitstudie vor dem Hintergrund der wechselvollen deutschen Geschichte. Dabei zeigt sich: Wenn ein Unternehmen über alle politischen Umbrüche hinweg jahrhundertelang überlebt, prosperiert, der permanenten Bestandsbedrohung trotzt und so dem Schicksal gleichsam ein Schnippchen schlägt, spielen nicht nur Können und Beharrlichkeit eine Rolle.
Tatsächlich war der Weg von Merck von den handelnden Personen bestimmt, von deren Geschick und Talent, von Schicksalsschlägen ebenso wie von Standortfaktoren, von Konkurrenzen und Kooperationen, aber auch dem immer notwendigen Quentchen Glück. Doch Glück über 350 Jahre hinweg? Die Frage nach der Resilienz begleitet die Geschichte von Merck über die gesamte Zeitspanne hinweg. Hinzu kommt, dass das Unternehmen aus allen Krisen bisher stets gestärkt hervorgegangen ist. Handelte die Familie bewusst anders als andere Unternehmer, die beispielsweise seit dem 19. Jahrhundert ihre Firmen in Aktiengesellschaften umwandelten? Es zeigt sich: Der Anspruch, stets bescheiden aufzutreten, vielleicht auch abgeleitet aus protestantischer Ethik, spielte und spielt im Selbstverständnis der Familie eine wichtige Rolle.
Das heutige Unternehmen wiederum hat natürlich nichts mehr mit der Apotheke des Jahres 1668 gemeinsam. Ohne ausreichendes Kapital und Reserven für Krisenzeiten kann kein Unternehmen auf den in der Regel unsicheren und risikobehafteten Märkten überleben. So hat Merck stärker als bislang bekannt, schon in den Anfangsjahren nicht nur eine erfolgreiche Heiratspolitik verfolgt, sondern neben der Apotheke auch Geld- und Bankgeschäfte betrieben. Auch im 19. Jahrhundert pflegte Emanuel Merck neben der Heiratspolitik nicht nur die kluge, systematische Ausbildung seiner Söhne und Nachfolger. Mit seinem ausgeprägten Forscherinstinkt und seinen kaufmännischen Fähigkeiten war er in der Lage, die Chancen der sich industrialisierenden Welt zu nutzen.
In dem Maß, wie das Unternehmen zu einem Industriebetrieb wurde, spielte auch die Politik eine immer größere Rolle. Reicht es angesichts dieser Einflüsse tatsächlich aus, die Erzählung von der "Reinheit der Merck-Produkte" herauszustellen, um den langen Atem des Unternehmens zu erklären? Die Historiker glauben das nicht: Die Berufung auf die Qualität der Arzneien, der vielen Traditionsprodukte, Medikamente und Chemikalien sei zwar berechtigt, aber sie könne nicht alles erklären. Joseph Schumpeters Modell dynamischer und schöpferischer Unternehmer hingegen, die zwar keine neuen Technologien schaffen, das Vorhandene aber weiterentwickeln und innovativ anwenden, erscheine für Merck durchaus anwendbar.
Bleibt die Frage: Warum konnte das Unternehmen trotz einer partiellen Rückständigkeit so erfolgreich sein? Eine Teilantwort liegt in den schon früh erkennbaren Bemühungen zur Internationalisierung: Schon die Auslandsreisen Johann Anton Mercks in den Jahren 1756 bis 1805 waren keine reinen "Kavaliersreisen", sondern dienten der Ausbildung und dem Knüpfen von Forschungskontakten. Hierzu zählte der schon im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts erkennbare Aufbau eines Netzwerks von in- und ausländischen Handelsvertretern. Im 19. Jahrhundert wurde Merck ein zunehmend global handelndes Familienunternehmen.
War die Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Kapitalerhöhung an der Börse, in deren Folge die Familie noch 75 Prozent der Anteile hielt, eine Voraussetzung, um sehr viel später die Chancen von Europäisierung und Globalisierung ergreifen und Merck zu einem globalen Unternehmen umzubauen? Warum zogen sich die Familienmitglieder allmählich aus der operativen Geschäftsleitung zurück? Ist Merck seit der Jahrtausendwende mit dem nun vierten familienfremden Geschäftsleitungsvorsitzenden noch ein klassisches Familienunternehmen? Hat sich die Familie in die Rolle eines passiven Großaktionärs zurückgezogen, oder spielt sie mit ihren inzwischen 155 Gesellschaftern über den Familien- und Gesellschafterrat noch eine entscheidende Rolle? Das wird untersucht, aber auch, wie die informelle Entscheidungsfindung unter den Teilhabern und die formelle Steuerung der Besitzwahrung ablaufen, die dazu dient, die Fortexistenz von Merck als selbständigem Familienunternehmen zu sichern.
Es ist ein Buch für Familienunternehmer geworden, aber auch für historisch Interessierte, und für Menschen, die beinahe so etwas wie einen Wirtschaftsroman aus dem wahren Leben lesen wollen. Und es ist für Menschen spannend zu lesen, die einen Blick in eine phantastische Quellenlage werfen wollen. Denn die Bedingungen für die Erforschung der Geschichte der heute global agierenden Merck-Gruppe waren nach dem Bekunden der Historiker im Vergleich zu anderen Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie günstig. Diese Aussage gelte im Prinzip für die gesamte Zeitspanne seit 1668. Was für ein Schatz.
CARSTEN KNOP
Carsten Burhop, Michael Kißener, Hermann Schäfer, Joachim Scholtyseck: Merck: Von der Apotheke zum Weltkonzern. C. H. Beck, München 2018, 719 Seiten, 39,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
350 Jahre Merck in einem Buch - ein Schatz
350 Jahre Merck. Es ist ein unglaubliches Jubiläum, im Wortsinn. Kein deutscher Konzern, der im Dax notiert ist, blickt auf eine längere Tradition zurück. Für das Chemie- und Pharmaunternehmen aus Darmstadt war es Anlass, zum ersten Mal seit seiner Gründung seine Unternehmensgeschichte vollständig wissenschaftlich aufbereiten zu lassen. Angesichts der zu analysierenden Zeitspanne ist es kein Wunder, dass ein ganzes Autorenteam mit der Arbeit befasst war. Die Autoren Carsten Burhop, Michael Kißener, Hermann Schäfer und Joachim Scholtyseck haben, basierend auf dem Archivmaterial von Merck, einen vollkommen unabhängigen Überblick über die Geschichte erstellt.
Die Frage, wie die entscheidenden Faktoren für die Kontinuität über dreieinhalb Jahrhunderte erfolgreich bis in das 21. Jahrhundert so stabil gehalten werden konnten, dass Merck sich auch in der Gegenwart zu mehr als zwei Drittel in Familienbesitz und in einer wirtschaftlich komfortablen Lage befindet, ist das Leitmotiv der Untersuchung. Entstanden ist eine Langzeitstudie vor dem Hintergrund der wechselvollen deutschen Geschichte. Dabei zeigt sich: Wenn ein Unternehmen über alle politischen Umbrüche hinweg jahrhundertelang überlebt, prosperiert, der permanenten Bestandsbedrohung trotzt und so dem Schicksal gleichsam ein Schnippchen schlägt, spielen nicht nur Können und Beharrlichkeit eine Rolle.
Tatsächlich war der Weg von Merck von den handelnden Personen bestimmt, von deren Geschick und Talent, von Schicksalsschlägen ebenso wie von Standortfaktoren, von Konkurrenzen und Kooperationen, aber auch dem immer notwendigen Quentchen Glück. Doch Glück über 350 Jahre hinweg? Die Frage nach der Resilienz begleitet die Geschichte von Merck über die gesamte Zeitspanne hinweg. Hinzu kommt, dass das Unternehmen aus allen Krisen bisher stets gestärkt hervorgegangen ist. Handelte die Familie bewusst anders als andere Unternehmer, die beispielsweise seit dem 19. Jahrhundert ihre Firmen in Aktiengesellschaften umwandelten? Es zeigt sich: Der Anspruch, stets bescheiden aufzutreten, vielleicht auch abgeleitet aus protestantischer Ethik, spielte und spielt im Selbstverständnis der Familie eine wichtige Rolle.
Das heutige Unternehmen wiederum hat natürlich nichts mehr mit der Apotheke des Jahres 1668 gemeinsam. Ohne ausreichendes Kapital und Reserven für Krisenzeiten kann kein Unternehmen auf den in der Regel unsicheren und risikobehafteten Märkten überleben. So hat Merck stärker als bislang bekannt, schon in den Anfangsjahren nicht nur eine erfolgreiche Heiratspolitik verfolgt, sondern neben der Apotheke auch Geld- und Bankgeschäfte betrieben. Auch im 19. Jahrhundert pflegte Emanuel Merck neben der Heiratspolitik nicht nur die kluge, systematische Ausbildung seiner Söhne und Nachfolger. Mit seinem ausgeprägten Forscherinstinkt und seinen kaufmännischen Fähigkeiten war er in der Lage, die Chancen der sich industrialisierenden Welt zu nutzen.
In dem Maß, wie das Unternehmen zu einem Industriebetrieb wurde, spielte auch die Politik eine immer größere Rolle. Reicht es angesichts dieser Einflüsse tatsächlich aus, die Erzählung von der "Reinheit der Merck-Produkte" herauszustellen, um den langen Atem des Unternehmens zu erklären? Die Historiker glauben das nicht: Die Berufung auf die Qualität der Arzneien, der vielen Traditionsprodukte, Medikamente und Chemikalien sei zwar berechtigt, aber sie könne nicht alles erklären. Joseph Schumpeters Modell dynamischer und schöpferischer Unternehmer hingegen, die zwar keine neuen Technologien schaffen, das Vorhandene aber weiterentwickeln und innovativ anwenden, erscheine für Merck durchaus anwendbar.
Bleibt die Frage: Warum konnte das Unternehmen trotz einer partiellen Rückständigkeit so erfolgreich sein? Eine Teilantwort liegt in den schon früh erkennbaren Bemühungen zur Internationalisierung: Schon die Auslandsreisen Johann Anton Mercks in den Jahren 1756 bis 1805 waren keine reinen "Kavaliersreisen", sondern dienten der Ausbildung und dem Knüpfen von Forschungskontakten. Hierzu zählte der schon im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts erkennbare Aufbau eines Netzwerks von in- und ausländischen Handelsvertretern. Im 19. Jahrhundert wurde Merck ein zunehmend global handelndes Familienunternehmen.
War die Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Kapitalerhöhung an der Börse, in deren Folge die Familie noch 75 Prozent der Anteile hielt, eine Voraussetzung, um sehr viel später die Chancen von Europäisierung und Globalisierung ergreifen und Merck zu einem globalen Unternehmen umzubauen? Warum zogen sich die Familienmitglieder allmählich aus der operativen Geschäftsleitung zurück? Ist Merck seit der Jahrtausendwende mit dem nun vierten familienfremden Geschäftsleitungsvorsitzenden noch ein klassisches Familienunternehmen? Hat sich die Familie in die Rolle eines passiven Großaktionärs zurückgezogen, oder spielt sie mit ihren inzwischen 155 Gesellschaftern über den Familien- und Gesellschafterrat noch eine entscheidende Rolle? Das wird untersucht, aber auch, wie die informelle Entscheidungsfindung unter den Teilhabern und die formelle Steuerung der Besitzwahrung ablaufen, die dazu dient, die Fortexistenz von Merck als selbständigem Familienunternehmen zu sichern.
Es ist ein Buch für Familienunternehmer geworden, aber auch für historisch Interessierte, und für Menschen, die beinahe so etwas wie einen Wirtschaftsroman aus dem wahren Leben lesen wollen. Und es ist für Menschen spannend zu lesen, die einen Blick in eine phantastische Quellenlage werfen wollen. Denn die Bedingungen für die Erforschung der Geschichte der heute global agierenden Merck-Gruppe waren nach dem Bekunden der Historiker im Vergleich zu anderen Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie günstig. Diese Aussage gelte im Prinzip für die gesamte Zeitspanne seit 1668. Was für ein Schatz.
CARSTEN KNOP
Carsten Burhop, Michael Kißener, Hermann Schäfer, Joachim Scholtyseck: Merck: Von der Apotheke zum Weltkonzern. C. H. Beck, München 2018, 719 Seiten, 39,95 Euro
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