Judith Butlers These, Geschlecht sei konstruiert, führt seit mehr als 30 Jahren zu ungeklärten Missverständnissen und einander widersprechenden Interpretationen. Diese Arbeit widmet sich dem Butlerschen Konstruktivismus mit epistemologischer Ernsthaftigkeit und erarbeitet die These, dass Butler genau aus den Gründen missverstanden wird, die ihre Philosophie eigens angreift: Denknotwendigkeiten, die die tradierte Metaphysik und ihr dualistischer Begriffsapparat mitbringen. „Materie“ ist kein neutraler oder prädiskursiver Begriff, sondern immer schon in einen vergeschlechtlichten Diskurs eingebettet und fungiert als konstitutiv Ausgeschlossenes. Die Kantische Epistemologie dient hier zum einen als Beispiel einer implizit misogynen Philosophie. Zum anderen wird Kant fruchtbar gemacht sowohl zum Verständnis der Fehlinterpretationen Butlers als auch zum Verständnis der grundsätzlichen epistemologischen Problematik – der Beziehung zwischen Erkenntnissubjekt und „Realität“. Was bedeutet es bei Butler, dass sogar Materielles konstruiert ist, und dennoch real – ohne dass dabei ein idealistischer Begriff von Realität entwickelt wird?