Die neuscholastische Metaphysik spielt für die Philosophie im 17. Jahrhundert eine herausragende Rolle; zeitgleich formieren sich die Anfänge des modernen wissenschaftlichen Weltbildes. Diese Studie untersucht die Bedeutung der Schulmetaphysik für die Entstehung der neuen Naturphilosophie. Entgegen einer verbreiteten Ansicht in der Historiographie wird gezeigt, dass die Schulphilosophie nicht bloß einen Störfaktor qualifizierten Wissenserwerbs darstellt. Am Beispiel Francis Glissons (ca. 1597-1677) weist die Arbeit stattdessen nach, wie einer der führenden Wissenschaftler seiner Zeit das Projekt einer scholastisch rückversicherten Naturphilosophie verfolgte, um seine innovative Forschung auf eine neue theoretische Grundlage zu stellen. Francis Glisson, Medizinprofessor in Cambridge, Präsident der Londoner Ärztekammer und Gründungsmitglied der Royal Society, führte über Jahrzehnte die anatomische Forschung in England an. 1672 veröffentlichte er allerdings eine Substanztheorie, die der Neuscholastik des Francisco Suárez (1548-1617) verpflichtet war. Unter Aufarbeitung zeitgenössischer originalsprachlicher Literatur sowie unveröffentlichen Manuskriptmaterials wird vorgeführt, unter welchen philosophischen und methodologischen Grundannahmen Glisson sein Selbstverständnis als Wissenschaftler mit seiner retrospektiven Substanztheorie vereinbaren konnte.
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