Der Begriff „DDR-Literatur“ war lange Zeit umstritten. Die Experten waren sich uneins, ob es neben der Schweizer, österreichischen und deutschen (sprich bundesdeutschen) Literatur auch eine spezifische DDR-Literatur gab? Auch zwanzig Jahre nach dem Ende der DDR streitet die Forschung noch, ob
heutige DDR-Autoren mit ihren aktuellen Texten weiterhin zur DDR-Literatur zu rechnen sind.
Aber…mehrDer Begriff „DDR-Literatur“ war lange Zeit umstritten. Die Experten waren sich uneins, ob es neben der Schweizer, österreichischen und deutschen (sprich bundesdeutschen) Literatur auch eine spezifische DDR-Literatur gab? Auch zwanzig Jahre nach dem Ende der DDR streitet die Forschung noch, ob heutige DDR-Autoren mit ihren aktuellen Texten weiterhin zur DDR-Literatur zu rechnen sind.
Aber bereits nach Kriegsende gab es Unterschiede in den beiden deutschen Literaturen: während man in der BRD weiterhin an dem „bürgerlichen Literaturverständnis“ festhielt, sollte die Literatur der DDR von Anfang an beim Aufbau des Sozialismus eine große Rolle spielen und die Menschen zum Sozialismus erziehen. Eine der wichtigsten literarischen Grundhaltungen war dabei der Antifaschismus. Erst seit den 70er Jahren gab es wieder eine vorsichtige Annäherungen der Literatur in der DDR und der BRD, hervorgerufen durch gemeinsame Themen wie die Friedens- und Ökologiebewegungen.
Der Stuttgarter J.B. Metzler Verlag beantwortet die immer wieder auflebende Debatte mit einer eindrucksvollen Auseinandersetzung mit der DDR-Literatur in Lexikon-Form. Dabei vereinen die 400 Seiten gewissermaßen ein Sachwörterbuch (von A wie Abenteuerliteratur oder Ausbürgerung bis Z wie Zensur oder Zonenkinder) mit einem Autorenlexikon (von Sascha Anderson bis Michael Wüstefeld).
Selbstverständlich sind die großen Namen vertreten: Johannes R. Becher, Volker Braun, Bertolt Brecht, Peter Hacks, Christoph Hein, Hermann Kant, Sarah Kirsch, Heiner Müller, Brigitte Reimann oder Christa Wolf werden in meist mehrseitigen Einträgen behandelt. Neben einem kurzen biografischen Abriss gibt es hier eine knappe Würdigung und Beschreibung der wichtigsten Werke. Es fehlen aber auch einige Autoren (der Rezensent könnte sicher zwei Dutzend Namen anführen), was aber an der grundsätzlichen Begrenztheit eines Lexikons liegt. Bei 400 Seiten kann so ein komplexes Sachgebiet wie die DDR-Literatur wohl nicht vollständig abgebildet werden.
Neben den wichtigen Autoren, Institutionen, Verlagen, Literaturzeitschriften und Sachbegriffen informiert das Lexikon über das literarische Leben und die Kulturpolitik in der ehemaligen DDR. Das Lexikon kommt dem Bedürfnis nach, mehr über den literarischen Alltag in der DDR in all seinen Facetten zu erfahren. Außerdem stellt es die DDR-Literatur als einen wichtigen Teil des kollektiven Gedächtnisses des vereinten Deutschlands vor.
Dem Autorenteam von knapp 80 anerkannten Literaturwissenschaftlern ist eine engagierte Darstellung der Literatur- und Kulturgeschichte der DDR gelungen. Ein Verzeichnis der Artikel, eine Auswahlbibliografie und ein Personenregister komplettieren das Lexikon, das wohl bei vielen Literaturfreunden einen festen Platz im Bücherschrank finden wird.
Manfred Orlick