Eine gute Idee, aus der man mehr hätte machen können:
Michelle, genannt "Mickey", und Charlotte, genannt "Arlo" sind Halbschwestern, die sich nicht kennen. Mickey ist die ältere, sie hat mit ihrer Mutter und ihrem Vater einige schöne und viele schlimme Momente erlebt - denn der Vater ist
Alkoholiker und unter Alkoholeinfluss zeigt er ein anderes Gesicht und wird zum "Angry Dad", der Frau und…mehrEine gute Idee, aus der man mehr hätte machen können:
Michelle, genannt "Mickey", und Charlotte, genannt "Arlo" sind Halbschwestern, die sich nicht kennen. Mickey ist die ältere, sie hat mit ihrer Mutter und ihrem Vater einige schöne und viele schlimme Momente erlebt - denn der Vater ist Alkoholiker und unter Alkoholeinfluss zeigt er ein anderes Gesicht und wird zum "Angry Dad", der Frau und Tochter demütigt und beschimpft. Als Mickey etwa sieben Jahre alt war, hat der Vater die beiden von heute auf morgen für immer verlassen und ihnen dabei einen Riesenberg Schulden hinterlassen. Mickey und ihre Mutter haben alles verloren, nie wieder vom Vater gehört und ihnen wurde fast alles aus der Wohnung gepfändet und weggenommen, selbst Mickeys Kinderbett. Das hat Mickey bis heute traumatisiert. Sie versucht zwar, ihr Leben einigermaßen zusammenzuhalten, hat einen Job als Vorschullehrerin, den sie liebt (Kinder mag sie, während sie Erwachsenen nicht über den Weg traut und sie für böse und nicht vertrauenswürdig hält), aber keinen Partner, keine Kinder, kaum Freunde und ein Problem mit Alkohol, das sie sich nicht eingestehen will. Jeden Tag zählt sie die Stunden, bis es 17 Uhr ist, ihre Verpflichtung als Lehrerin beendet ist und sie aus dem mitgebrachten Flachmann auf der Toilette Wodka trinken kann.
Der verschwundene Vater hat eine neue Frau gefunden und mit ihr wieder eine Familie gegründet. Zwar hatte er sein Alkoholproblem sein Leben lang, doch insgesamt hat er nun sein Leben deutlich mehr auf die Reihe gebracht, ist zu viel Wohlstand gekommen und hatte zu seiner zweiten Tochter Arlo, die er über alles geliebt hat, eine wesentlich liebevollere Beziehung. Diese ist somit weitaus behüteter aufgewachsen als ihre ältere Halbschwester Mickey. Insbesondere Geld war kein Thema: Arlo konnte an einer renommierten Uni Psychologie studieren und arbeitet nun als Psychologin. Ihre Mutter kleidet sich in Designerware und führt auch sonst einen gehobenen Lebensstil.
Nun ist der Vater verstorben, Arlo hat ihn in seinem letzten Lebensjahr aufopfernd gepflegt und ist zutiefst bestürzt über den Verlust. Noch größer wird ihr Schock, als sie erfahren muss, dass der Vater ihr nichts vererbt hat: er hat all sein Geld seiner ersten Tochter, ihrer unbekannten Halbschwester Michelle, vererbt.
Auch Mickey hätte nie mit so einer Entwicklung gerechnet und weiß gar nicht so recht, was sie damit anfangen soll, dass der Vater, der nie wieder etwas von ihr wissen wollte, sie in seinem Testament bedacht haben soll. Noch dazu ist die Auszahlung des Geldes an eine Bedingung geknüpft: Mickey muss sieben Therapiestunden in Anspruch nehmen, und zwar bei einem vom Vater ausgewählten und vorab bezahlten Therapieinstitut. Da sie das Geld dringend brauchen kann und aufgrund einer Verfehlung gerade auf unbestimmte Zeit von ihrer Tätigkeit als Vorschullehrerin beurlaubt ist, lässt Mickey sich darauf ein... und landet ausgerechnet bei Arlo, ihrer unbekannten Halbschwester, als Therapeutin.
Anfangs wissen beide Frauen nicht, wen sie da jeweils vor sich haben. Dann findet Arlo es heraus, verschweigt es aber ihrer Halbschwester/Klientin und behandelt diese weiter. Auch in der Hoffnung, sie zu überzeugen, das Erbe nicht in Anspruch zu nehmen... so eine verkrachte Existenz wie Mickey würde das Geld eh nur sinnlos durchbringen, ist Arlo überzeugt.
Doch auch Arlos Leben ist bei weitem nicht perfekt, innerlich verfolgt sie nach wie vor der Fall einer Klientin, die unmittelbar nach der Therapiestunde bei ihr Suizid begangen hat. Zwar wurde sie vor Gericht freigesprochen, doch selbst kann sie es sich nicht verzeihen. Und auch ihre Kindheit und Jugend war weit weniger perfekt, als es auf den ersten Blick scheint.
Von der Themenkonstruktion her handelt es sich also um ein sehr spannendes Buch, das abwechselnd aus den Perspektiven der beiden Halbschwestern geschildert ist. Dennoch hätte ich mir aufgrund der Beschreibung und der Leseprobe mehr erwartet.
Es tat beim Lesen fast weh, immer und immer wieder mitzukriegen, auf wie vielen Ebenen Mickey völlig kaputt ist und vor kaum etwas zurückschreckt in ihrer Sucht und ihrem problembehafteten Leben, in dem sie sich immer weiter in Schwierigkeiten verstrickt. Dennoch war Mickey für mich noch der glaubwürdigere und facettenreichere Charakter. Arlo wirkte auf mich seltsam blass, perfektionistisch und nicht wirklich erreichbar und ich habe mich bis zum Ende des Buches kaum in sie einfühlen können.
Grundsätzlich also ein ganz nettes Buch zu einer interessanten Idee, das man lesen kann, aber nicht unbedingt muss.