Brasilien zählt heute zu den größten Milchproduzenten der Welt und auch der Konsum von Milchprodukten ähnelt dem Verbrauchsniveau vieler Milchländer des Nordens. Der Aufstieg der Milch zu einem Massennahrungsmittel folgte hier jedoch einer gänzlich anderen Chronologie. Denn bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts blieben Konsum und Versorgung aufgrund qualitativer Mängel ein hygienisches Problem und die neuralgische Milchfrage mithin ungelöst. Sören Brinkmann untersucht die Geschichte der Milch in Brasilien aus gesundheitspolitischer Perspektive und legt den Fokus dabei auf den Staat als maßgeblichen Akteur. 'Milchpolitik' im Sinne von regulatorischen Eingriffen der öffentlichen Hand materialisierte sich einerseits als Antwort auf die hygienischen Risiken des Milchkonsums sowie andererseits als Reaktion auf das ernährungswissenschaftliche Gebot eines täglichen Milchkonsums für jedermann. Anhand der beiden Großstädte Rio de Janeiro und São Paulo rekonstruiert Brinkmann die milchpolitische Intervention des Staates vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1960er Jahre und beleuchtet dabei nicht nur die strukturellen Besonderheiten von Produktion, Handel und Konsum sondern auch den langen Kampf von Medizinern und Ernährungsexperten um eine sichere Milchversorgung. Sören Brinkmann studierte Neuere Geschichte, Auslandswissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Freiburg, Madrid und Erlangen/Nürnberg. Von 1999 bis 2014 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Auslandswissenschaft in Nürnberg, von 2016 bis 2020 sodann als DAAD-Langzeitdozent für Europastudien an der Universidad del Norte in Barranquilla, Kolumbien. Seit 2020 ist er Professor für Politische Wissenschaft am Willy-Brandt-Zentrum der Universität Wroc?aw in Polen.
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