Mit unnachahmlichem Witz und Charme erzählt Kaminer von den Tücken des Alltags und seinen haarsträubenden Abenteuern im Russland der Gorbatschow-Zeit. Nach der Lektüre dieses Romans bleibt eigentlich nur noch eine Frage offen: Wieso die Sowjetunion nicht schon früher zusammenbrach ...
"Wladimir Kaminer ist ein großes Erzähltalent." (Der Spiegel)
"Wladimir Kaminer ist ein Romancier, der fähig ist, auf wenigen Seiten Ereignisse zu verdichten und zu verfremden, bis sie ihre eigene Sprache sprechen." (Süddeutsche Zeitung)
"Den Namen Kaminer wird man sich merken müssen. In einigen Jahren wird er ein berühmter Schriftsteller sein." (Neues Deutschland)
"Wladimir Kaminer ist ein Romancier, der fähig ist, auf wenigen Seiten Ereignisse zu verdichten und zu verfremden, bis sie ihre eigene Sprache sprechen." (Süddeutsche Zeitung)
"Den Namen Kaminer wird man sich merken müssen. In einigen Jahren wird er ein berühmter Schriftsteller sein." (Neues Deutschland)
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.09.2001Kalter Braten in der Russendisko
Wladimir Kaminer stellt mit seinem neuen Buch „Militärmusik” wieder keinen Roman vor
„Was kann in einem gerade gekochten Kartoffelpüree überleben?” Einfach den Koch fragen, das fanden die Rekruten Wladimir, Andrey und Grischa zu einfach. Sie wollten am ersten Tag in der Sowjetarmee noch „alles selbst rauskriegen” – um sich eines Tages „im Wald so sicher zu fühlen, wie dieses Vieh im Kartoffelpüree”.
So steht es im Kapitel „Der Fahneneid” in Wladimir Kaminers neuem Buch „Militärmusik”. Als Kaminer an die Stelle mit dem Vieh im Püree gekommen war, brach er die Lesung im Berliner Café Burger ab und eröffnete das Büfett im Hinterhof. Der Platz zwischen Salaten, kaltem Braten und Mülltonnen war sehr beengt. Man sah Bundesministerin a. D. Andrea Fischer, Ästhetikprofessor Christoph Menke und Tom Lampert, dessen Stern gerade mit „Ein einziges Leben” aufgeht. Man sah außerdem jene Gesichter, die den Prenzlauer Berg zum imaginären Mittelpunkt der Stadt machen.
Wladimir Kaminer, der im Juli 1990 aus Moskau nach Berlin kam, gehört selbst dazu. Seine „Russendisko” im Café Burger wurde als wodkaselige Versuchsstation für schnelle Gefühle bekannt. Noch bekannter wurde sein Buch „Russendisko”. Es erzählt vom deutschen Alltag des Auswanderers, der neuerdings als Kolumnist und Radiomacher zum Medienstar promoviert. „Militärmusik” ist die Vorgeschichte von „Russendisko” und handelt von Kaminers Leben und Streben vor 1990.
Der 190-Seiten-Band wird als Roman verkauft. Unklar bleibt, was damit gemeint sein soll. Das Buch versammelt sieben unverbundene autobiografische Stücke, in denen sich satirische Prosa und rückwärts gewandte Reportage mischen. Kaminer wandert als lakonischer Beobachter durch die Abenddämmerung der Sowjetunion: „Unter Gorbatschow verlor die sozialistische Ideologie vollends ihre Glaubwürdigkeit. Ihr Antlitz wurde nicht menschlicher, sondern verzerrter.”
Verzerrungen sind Kaminers liebstes, wenn auch einziges Stilmittel. Es reicht allemal, um seine Jugendgeschichten im Majakowski-Theater, beim Militär und in der Punkmusik-Szene russischer Großstädte witzig auszuschmücken, ohne sich gleich als Vertreter einer russischen Generation XYZ zu stilisieren. Militärmusik im engeren Sinne spielt keine Rolle, obwohl im Café Burger zur Belustigung des Publikums ein paar schneidige Stücke aus einem ZDF-Film vorgestellt wurden. Kommentar im Film: „Die Russen sind ja wohl die Schärfsten. ”
Kaminer kam es in „Militärmusik” nicht darauf an, diese These zu beweisen. Es wurde oft getrunken in seiner Jugend, aber nicht so oft, wie das Klischee es verlangt. Und es gab keinen Sex, von dem die Nachwelt wissen müsste. War nichts los mit den sowjetischen Unterleibern? Im Kapitel „Die Läuse der Freiheit” findet sich ein Beispiel für die Libido-Schwäche des ganzen Buches: „Im Zug lernten wir zwei Mädchen kennen, die mit ihren zwei großen Hunden ebenfalls zum Zeltplatz wollten. Die Hunde hießen Yoko und Janis. Wie die Mädchen hießen, ist mir nicht in Erinnerung geblieben.”
Die große Welt kam in kleinen Dosierungen in Wladimirs Leben. Das wichtigste militärische Ereignis des Kalten Krieges war auch für ihn die Landung des Cessna-Piloten Mathias Rust auf dem Roten Platz. Der Leser beobachtet einen bekennenden Taugenichts, der zwischen sich und der Arbeit gern Abstand hat und dabei den real existierenden Surrealismus schätzen lernt. Als sich Rekrut Vadim den Zeigefinger abschlägt, um dem Militärdienst zu entkommen, geht die Miliz auf die Suche und findet einen Finger. Er wird angenäht, ist aber nicht der richtige. Kaminers Erklärung: „Immerhin war der Platz zum Fingerabhacken ideal.”
Dem Gemurmel im Café Burger zu Folge, hat Kaminer „Militärmusik” für eine deutlich sechsstellige Summe geschrieben. Der Hintergrund, vor dem dieses Gerücht zu würdigen ist, steht auf Seite 50: „Mit achtzehn Jahren hatte ich noch nicht einmal einen Dollarschein aus der Nähe gesehen.” Und so ist er nun versorgt und kann die Zukunft in Angriff nehmen. Man würde gern einen Roman von Wladimir Kaminer lesen, insbesondere, wenn er nicht nur von Wladimir Kaminer handelt. Demnächst kommt noch der Erzählband „Schönhauser Allee”. Danach müssten die Aussichten gut sein.
Arno Orzessek
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Wladimir Kaminer stellt mit seinem neuen Buch „Militärmusik” wieder keinen Roman vor
„Was kann in einem gerade gekochten Kartoffelpüree überleben?” Einfach den Koch fragen, das fanden die Rekruten Wladimir, Andrey und Grischa zu einfach. Sie wollten am ersten Tag in der Sowjetarmee noch „alles selbst rauskriegen” – um sich eines Tages „im Wald so sicher zu fühlen, wie dieses Vieh im Kartoffelpüree”.
So steht es im Kapitel „Der Fahneneid” in Wladimir Kaminers neuem Buch „Militärmusik”. Als Kaminer an die Stelle mit dem Vieh im Püree gekommen war, brach er die Lesung im Berliner Café Burger ab und eröffnete das Büfett im Hinterhof. Der Platz zwischen Salaten, kaltem Braten und Mülltonnen war sehr beengt. Man sah Bundesministerin a. D. Andrea Fischer, Ästhetikprofessor Christoph Menke und Tom Lampert, dessen Stern gerade mit „Ein einziges Leben” aufgeht. Man sah außerdem jene Gesichter, die den Prenzlauer Berg zum imaginären Mittelpunkt der Stadt machen.
Wladimir Kaminer, der im Juli 1990 aus Moskau nach Berlin kam, gehört selbst dazu. Seine „Russendisko” im Café Burger wurde als wodkaselige Versuchsstation für schnelle Gefühle bekannt. Noch bekannter wurde sein Buch „Russendisko”. Es erzählt vom deutschen Alltag des Auswanderers, der neuerdings als Kolumnist und Radiomacher zum Medienstar promoviert. „Militärmusik” ist die Vorgeschichte von „Russendisko” und handelt von Kaminers Leben und Streben vor 1990.
Der 190-Seiten-Band wird als Roman verkauft. Unklar bleibt, was damit gemeint sein soll. Das Buch versammelt sieben unverbundene autobiografische Stücke, in denen sich satirische Prosa und rückwärts gewandte Reportage mischen. Kaminer wandert als lakonischer Beobachter durch die Abenddämmerung der Sowjetunion: „Unter Gorbatschow verlor die sozialistische Ideologie vollends ihre Glaubwürdigkeit. Ihr Antlitz wurde nicht menschlicher, sondern verzerrter.”
Verzerrungen sind Kaminers liebstes, wenn auch einziges Stilmittel. Es reicht allemal, um seine Jugendgeschichten im Majakowski-Theater, beim Militär und in der Punkmusik-Szene russischer Großstädte witzig auszuschmücken, ohne sich gleich als Vertreter einer russischen Generation XYZ zu stilisieren. Militärmusik im engeren Sinne spielt keine Rolle, obwohl im Café Burger zur Belustigung des Publikums ein paar schneidige Stücke aus einem ZDF-Film vorgestellt wurden. Kommentar im Film: „Die Russen sind ja wohl die Schärfsten. ”
Kaminer kam es in „Militärmusik” nicht darauf an, diese These zu beweisen. Es wurde oft getrunken in seiner Jugend, aber nicht so oft, wie das Klischee es verlangt. Und es gab keinen Sex, von dem die Nachwelt wissen müsste. War nichts los mit den sowjetischen Unterleibern? Im Kapitel „Die Läuse der Freiheit” findet sich ein Beispiel für die Libido-Schwäche des ganzen Buches: „Im Zug lernten wir zwei Mädchen kennen, die mit ihren zwei großen Hunden ebenfalls zum Zeltplatz wollten. Die Hunde hießen Yoko und Janis. Wie die Mädchen hießen, ist mir nicht in Erinnerung geblieben.”
Die große Welt kam in kleinen Dosierungen in Wladimirs Leben. Das wichtigste militärische Ereignis des Kalten Krieges war auch für ihn die Landung des Cessna-Piloten Mathias Rust auf dem Roten Platz. Der Leser beobachtet einen bekennenden Taugenichts, der zwischen sich und der Arbeit gern Abstand hat und dabei den real existierenden Surrealismus schätzen lernt. Als sich Rekrut Vadim den Zeigefinger abschlägt, um dem Militärdienst zu entkommen, geht die Miliz auf die Suche und findet einen Finger. Er wird angenäht, ist aber nicht der richtige. Kaminers Erklärung: „Immerhin war der Platz zum Fingerabhacken ideal.”
Dem Gemurmel im Café Burger zu Folge, hat Kaminer „Militärmusik” für eine deutlich sechsstellige Summe geschrieben. Der Hintergrund, vor dem dieses Gerücht zu würdigen ist, steht auf Seite 50: „Mit achtzehn Jahren hatte ich noch nicht einmal einen Dollarschein aus der Nähe gesehen.” Und so ist er nun versorgt und kann die Zukunft in Angriff nehmen. Man würde gern einen Roman von Wladimir Kaminer lesen, insbesondere, wenn er nicht nur von Wladimir Kaminer handelt. Demnächst kommt noch der Erzählband „Schönhauser Allee”. Danach müssten die Aussichten gut sein.
Arno Orzessek
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001Werft die Gläser an die Wand!
Wladimir Kaminer grüßt Moskau / Von Niklas Maak
Vielleicht muß man, um dieses Buch zu verstehen, erstmal ein Mißverständnis klären: Auf dem Titel steht Roman, doch ist es kein Roman, sondern eher eine Autobiographie, die sich liest wie ein Kurzgeschichtenband - und darin liegt auch ihre größte Qualität: daß Kaminer sich nicht abmüht mit allzu anspruchsvollen Überhöhungen, sondern sein Leben erzählt, und mit ihm eine Geschichte der Sowjetunion, wie man sie bisher noch nirgendwo lesen konnte.
Kaminer wurde 1967 in Moskau geboren, und im Gegensatz zu einer deutschen Literatengeneration, die eigentlich nichts erlebt hat und deswegen den Kulturfundus des europäischen Abendlandes in ihre kläglichen Weltbetrachtungen pumpt und dann stolz ist, daß das Ergebnis mehr sei als "Popliteratur" - im Gegensatz zu diesem angestrengten Prosa-Geschraube hat Kaminer einiges erlebt, was seine Leser noch nicht kennen: die Jugend in Rußland, den Militärdienst, den Weg nach Westen, den Kaminer 1990 antrat. Damals kam er am 11. Juni nach Berlin, an dem Tag, als Deutschland Fußballweltmeister wurde. Mittlerweile ist Kaminer Berlins prominentester Russe, was sicherlich auch an der von ihm organisierten Russendisko im Café Burger und seinem gleichnamigen Erzählband liegt.
Bevor er nach Berlin kam, absolvierte Kaminer seinen Militärdienst in einer Raketenstellung vor Moskau. Dort sollte er zwölf Stunden täglich auf einen Radarschirm starren, auf dem sich nichts regte. Wenn er allein war, bastelte er Wasserkocher für seine Kameraden, aber den grauen Fleck auf dem Bildschirm sah er. Der Fleck sah aus wie ein Auto. Hören Sie, sagte Kaminer zu seinem Kommandanten am Telefon, es sieht aus, als sei ein Auto über uns hinweg geflogen; "Ja, ja", sagte der Kommandant. Der Schatten - das Flugzeug von Mathias Rust. "Ich habe versagt, ich hätte ihn abschießen müssen", sagte Kaminer in einem Interview, "für die Raketenabteilung war das eine große Tragödie. Es gab zahlreiche Offiziere, die sich deshalb umgebracht haben."
Es sind diese Dramen, von denen Kaminer erzählt, von den Java-Zigaretten und den obszönen Liebesgedichten seines Vaters, vom Majakowksi-Theater und den Problemen mit betrunkenen Schauspielern: "Einmal war das fliegende Wunderpferd - ein begabter junger Mann - auf der Bühne eingeschlafen. Dadurch geriet der König in eine blöde Situation: Er steckte in der Schatzhöhle fest ohne jede Fluchtmöglichkeit. Seine Feinde mußten nun improvisieren. Sie schlossen kurzfristig Frieden und zerrten mit dem König zusammen das Wunderpferd von der Bühne." So geht es 192 Seiten lang.
Ob er nicht die finsteren Seiten des Kommunismus verharmlose, wurde Kaminer vor kurzem von ein paar Journalisten in Berlin gefragt, wo - kurz vor Gysis drohendem Wahltriumph - sich jeder verdächtig macht, der sozialistischen Zuständen lustige Seiten abgewinnt. "Über dieselbe Geschichte", sagte Kaminer daraufhin, könne man "nicht zweimal weinen" und erzählte vom Schicksal seines Onkels, der von seiner eifersüchtigen Gattin beim KGB als Spion denunziert wurde. Der Onkel wurde zwanzig Jahre nach Kasachstan verbannt und mußte in einem Erdloch wohnen; später behauptete er, er habe dennoch eine schöne Zeit gehabt.
"Klar", sagt Kaminer, "war das eine schöne Zeit: Er hatte ja keine andere."
Wladimir Kaminer: "Militärmusik". Goldmann Verlag, München 2001. 191 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wladimir Kaminer grüßt Moskau / Von Niklas Maak
Vielleicht muß man, um dieses Buch zu verstehen, erstmal ein Mißverständnis klären: Auf dem Titel steht Roman, doch ist es kein Roman, sondern eher eine Autobiographie, die sich liest wie ein Kurzgeschichtenband - und darin liegt auch ihre größte Qualität: daß Kaminer sich nicht abmüht mit allzu anspruchsvollen Überhöhungen, sondern sein Leben erzählt, und mit ihm eine Geschichte der Sowjetunion, wie man sie bisher noch nirgendwo lesen konnte.
Kaminer wurde 1967 in Moskau geboren, und im Gegensatz zu einer deutschen Literatengeneration, die eigentlich nichts erlebt hat und deswegen den Kulturfundus des europäischen Abendlandes in ihre kläglichen Weltbetrachtungen pumpt und dann stolz ist, daß das Ergebnis mehr sei als "Popliteratur" - im Gegensatz zu diesem angestrengten Prosa-Geschraube hat Kaminer einiges erlebt, was seine Leser noch nicht kennen: die Jugend in Rußland, den Militärdienst, den Weg nach Westen, den Kaminer 1990 antrat. Damals kam er am 11. Juni nach Berlin, an dem Tag, als Deutschland Fußballweltmeister wurde. Mittlerweile ist Kaminer Berlins prominentester Russe, was sicherlich auch an der von ihm organisierten Russendisko im Café Burger und seinem gleichnamigen Erzählband liegt.
Bevor er nach Berlin kam, absolvierte Kaminer seinen Militärdienst in einer Raketenstellung vor Moskau. Dort sollte er zwölf Stunden täglich auf einen Radarschirm starren, auf dem sich nichts regte. Wenn er allein war, bastelte er Wasserkocher für seine Kameraden, aber den grauen Fleck auf dem Bildschirm sah er. Der Fleck sah aus wie ein Auto. Hören Sie, sagte Kaminer zu seinem Kommandanten am Telefon, es sieht aus, als sei ein Auto über uns hinweg geflogen; "Ja, ja", sagte der Kommandant. Der Schatten - das Flugzeug von Mathias Rust. "Ich habe versagt, ich hätte ihn abschießen müssen", sagte Kaminer in einem Interview, "für die Raketenabteilung war das eine große Tragödie. Es gab zahlreiche Offiziere, die sich deshalb umgebracht haben."
Es sind diese Dramen, von denen Kaminer erzählt, von den Java-Zigaretten und den obszönen Liebesgedichten seines Vaters, vom Majakowksi-Theater und den Problemen mit betrunkenen Schauspielern: "Einmal war das fliegende Wunderpferd - ein begabter junger Mann - auf der Bühne eingeschlafen. Dadurch geriet der König in eine blöde Situation: Er steckte in der Schatzhöhle fest ohne jede Fluchtmöglichkeit. Seine Feinde mußten nun improvisieren. Sie schlossen kurzfristig Frieden und zerrten mit dem König zusammen das Wunderpferd von der Bühne." So geht es 192 Seiten lang.
Ob er nicht die finsteren Seiten des Kommunismus verharmlose, wurde Kaminer vor kurzem von ein paar Journalisten in Berlin gefragt, wo - kurz vor Gysis drohendem Wahltriumph - sich jeder verdächtig macht, der sozialistischen Zuständen lustige Seiten abgewinnt. "Über dieselbe Geschichte", sagte Kaminer daraufhin, könne man "nicht zweimal weinen" und erzählte vom Schicksal seines Onkels, der von seiner eifersüchtigen Gattin beim KGB als Spion denunziert wurde. Der Onkel wurde zwanzig Jahre nach Kasachstan verbannt und mußte in einem Erdloch wohnen; später behauptete er, er habe dennoch eine schöne Zeit gehabt.
"Klar", sagt Kaminer, "war das eine schöne Zeit: Er hatte ja keine andere."
Wladimir Kaminer: "Militärmusik". Goldmann Verlag, München 2001. 191 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Falls es noch eines Beweises bedarf, dass wahres Leben besser unterhält als alle Fantasie, Wladimir Kaminer ist sein jüngster Erbringer." Die Welt