Maximilian Krach hat alles, was sich ein im Internet sozialisierter junger Mann im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wünschen kann: teure Uhren, eine amtliche Anzahl Follower, eine so einfache wie geniale Geschäftsidee und einen unerschütterlichen Glauben an die eigene Einzigartigkeit. Da ihm daran gelegen ist, seine Erkenntnisse und Einsichten zu teilen, nimmt er sich alle paar Wochen die Zeit, um einem vollbesetzten Seminarraum in mittleren und kleinen deutschen Großstädten seine Ideen zuteilwerden zu lassen. Es geht um Wölfe und Schafe, um berühmte Einzelgänger und um den Schlüssel zum Erfolg, der nicht, wie so viele glauben, irgendwo da draußen liegt, sondern viel, viel näher: im richtigen Mindset. Doch wer deswegen glaubt, der Weg nach ganz oben sei nicht beschwerlich und fordernd, nicht gesäumt von dornigen Chancen und unbelehrbaren Bedenkenträger*innen, hat natürlich nichts verstanden. Es sind Lektionen, die auch Mirko noch bevorstehen, der sich aufmacht, mit Maximilians Hilfe aus seinem trostlosen Alltag auszubrechen. Und so werden Präsentationen gestrickt und Postings geplant, Sportwagen gemietet und NFTs gemintet, bis eine arglos abgesetzte Pizzabestellung in einer Gütersloher Winternacht Erkenntnisse bereithält, die sich nur sehr schwer in wichtige Learnings übersetzen lassen. Ein Roman über Männer, die keine Zeit und keine Lust haben, an ihrer Durchschnittlichkeit zu verzweifeln, und eine Gesellschaft, die deren Ausflüchte irgendwie bewältigen muss. Als ob es nicht schon genug Probleme gäbe.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Jan Wiele mag die Spitzen, die Sebastian Hotz auf Twitter und Instagram gegen die "Absurdität" des Onlinemenschen abfeuert. Auch Hotz' Debütroman beginnt nicht schlecht, findet Wiele. Und so lässt sich der Kritiker bereitwillig ein auf diese unterhaltsame zeitgenössische "Dekonstruktion" des Hochstaplers, hier ein Erfolgs-Guru, der auf Pump lebt, Seminare gibt und veganen "Nährschlamm" verkauft. Exakt beschreiben kann Hotz, Witz hat er auch, hält Wiele fest. Nur: Subtil ist hier wenig, seufzt der Rezensent, für den der Roman nicht mehr als eine "Fingerübung" ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Der Debütroman von Frankens Internet-Star Sebastian Hotz alias El Hotzo ist intelligente Satire« Nürnberger Zeitung 20230424
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.07.2023Undenkbarkeit der Ruhe
Sebastian Hotz karikiert deutsche Erfolgsgurus
Eine solche erste Seite eines Romans hat man schon länger nicht mehr gelesen. Es ist eine zynisch-perfekte Betrachtung des von vielen gar nicht mehr Bemerkten: "Irgendwo auf dem Weg von den Bäumen in die Hütten und weiter, bis in viel zu teure Singleapartments, hat die Menschheit die Stille getötet." Bei Reinhard Mey lautete der Grund dafür noch: "Irgendein Depp mäht irgendwo immer", aber zeitgemäßer gesagt, verhält es sich so: "Selbst in den leisesten Stunden einer schlaflosen Nacht ist irgendwo noch das Summen irgendeiner überforderten Steckerleiste zu hören, das mit den rasiermesserscharfen Kanten ihrer 50-Hertz-Frequenz die ersehnte Ruhe zerschneidet. Und wenn es keine Steckerleiste ist, dann ist es ein Netzteil. Ein Router. (. . .) Vielleicht ein Heizungsventil. Vielleicht auch nur irgendeine selbsterhaltende Funktion des Gehirns, die Geräusche simuliert, um zu verhindern, dass die Undenkbarkeit tatsächlicher Ruhe eintritt."
In derartigen wahnhaft zugespitzten, gewitzt übertriebenen Schilderungen ist der 1996 in Forchheim geborene Sebastian Hotz versiert - er arbeitet inzwischen für das "ZDF Magazin Royale" mit Jan Böhmermann, ist aber unter dem Namen "El Hotzo" vor allem einer riesigen Anhängerschaft auf Twitter und Instagram bekannt, die er mit satirischen Kurzmitteilungen unterhält. Sie betreffen oft die Absurdität des freiwillig gläsern gewordenen, mit der Technik verwachsenen Onlinemenschen, die vor ein paar Jahren noch ein Horrorszenario für Sachbücher war.
In seinem Debütroman "Mindset" wird diese Lebensrealität vieler nochmals zugespitzt in der Figur eines Erfolgs-Coaches mit dem sprechenden Namen Maximilian Krach, der vorgeblich andere begeistern will mit teuren Seminaren und "Roadmap"-Vorträgen, vor allem aber selbst ein Luxusleben anstrebt. Das "histrionische Selbst", das in der amerikanischen Kultur etwa durch Benjamin Franklins Emsigkeit vorgaukelndes Arbeitsethos eingeschrieben ist und schon vor Jahrzehnten in bekannten Werken wie Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden" aufgespießt wurde, hört offenbar nicht auf zu faszinieren. Auch filmisch hat sich die Karikatur der Erfolgsgurus eingebrannt - man denke an Tom Cruise in "Magnolia" und Leonardo DiCaprio als "Wolf of Wall Street", aber auch an Beispiele wie Johannes Nabers Film "Zeit der Kannibalen", in dem Devid Striesow und Katharina Schüttler spezifisch deutsche Berater mimen. In der neueren Literatur fiele einem sofort "Johann Holtrop" von Rainald Goetz ein, der auch schon mehr als zehn Jahre alt ist. Braucht es heute nochmals die Dekonstruktion der Hochstaplerfigur?
Warum nicht, wenn sie unterhaltsam und am Puls der jüngsten Zeit ist, könnte man sagen. Und beides gelingt Hotz - allerdings auf Kosten jeglicher Subtilität. Die Ideologie wird im Roman teils überdeutlich ausbuchstabiert: "Erfolg ist 99 Prozent Mindset, aber zu einem Prozent eben auch Ernährung!" Also wird den Seminarteilnehmern Flüssignahrung in Flaschen zugeworfen, Geschmacksrichtung Vanille, ein veganer "Nährschlamm", mit dem man auf die Zeitverschwendung des Essens verzichten kann. Das ist reine Realsatire, sieht man derzeit doch tatsächlich Fernsehwerbung für genau solche Produkte - aber es ist freilich auch nicht allzu originell. Krach hat ein Schein-Imperium namens "Genesis Ego" aufgebaut, trägt unechte Uhren und lebt auf Pump, bis die Kreditkarten nicht mehr akzeptiert werden. Mit ein paar Gehilfen aus dem Tech-Prekariat versucht er, armen Dummies eine Kryptowährung namens "$ego" anzudrehen.
In der Beschreibung ist Hotz fast immer gut, in der Durchdringung weniger, wie Exkurse über Heldentum oder Müll zeigen. Die zweite Hauptfigur Yasmin soll dann auch noch Machotum und wolfhaftes Verhalten entlarven, das ohnehin schon plakativst ausgestellt wird (tatsächlich gibt es lange Passagen über Wölfe und Schafe). Der Schluss mit der Erkenntnis "Maximilian braucht den Glamour, die Macht" ist fast erschreckend im Vergleich zum starken Beginn. Insofern bleibt dieses Debüt eine Fingerübung, in der Potential für mehr stecken könnte. Weniger gut ist das Gefühl, dass einer Generation, die häufig einfachste Ironie nicht mehr versteht, solche Holzhammer-Satire schon genügen könnte. JAN WIELE
Sebastian Hotz: "Mindset". Roman.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023. 288 S., geb., 23,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sebastian Hotz karikiert deutsche Erfolgsgurus
Eine solche erste Seite eines Romans hat man schon länger nicht mehr gelesen. Es ist eine zynisch-perfekte Betrachtung des von vielen gar nicht mehr Bemerkten: "Irgendwo auf dem Weg von den Bäumen in die Hütten und weiter, bis in viel zu teure Singleapartments, hat die Menschheit die Stille getötet." Bei Reinhard Mey lautete der Grund dafür noch: "Irgendein Depp mäht irgendwo immer", aber zeitgemäßer gesagt, verhält es sich so: "Selbst in den leisesten Stunden einer schlaflosen Nacht ist irgendwo noch das Summen irgendeiner überforderten Steckerleiste zu hören, das mit den rasiermesserscharfen Kanten ihrer 50-Hertz-Frequenz die ersehnte Ruhe zerschneidet. Und wenn es keine Steckerleiste ist, dann ist es ein Netzteil. Ein Router. (. . .) Vielleicht ein Heizungsventil. Vielleicht auch nur irgendeine selbsterhaltende Funktion des Gehirns, die Geräusche simuliert, um zu verhindern, dass die Undenkbarkeit tatsächlicher Ruhe eintritt."
In derartigen wahnhaft zugespitzten, gewitzt übertriebenen Schilderungen ist der 1996 in Forchheim geborene Sebastian Hotz versiert - er arbeitet inzwischen für das "ZDF Magazin Royale" mit Jan Böhmermann, ist aber unter dem Namen "El Hotzo" vor allem einer riesigen Anhängerschaft auf Twitter und Instagram bekannt, die er mit satirischen Kurzmitteilungen unterhält. Sie betreffen oft die Absurdität des freiwillig gläsern gewordenen, mit der Technik verwachsenen Onlinemenschen, die vor ein paar Jahren noch ein Horrorszenario für Sachbücher war.
In seinem Debütroman "Mindset" wird diese Lebensrealität vieler nochmals zugespitzt in der Figur eines Erfolgs-Coaches mit dem sprechenden Namen Maximilian Krach, der vorgeblich andere begeistern will mit teuren Seminaren und "Roadmap"-Vorträgen, vor allem aber selbst ein Luxusleben anstrebt. Das "histrionische Selbst", das in der amerikanischen Kultur etwa durch Benjamin Franklins Emsigkeit vorgaukelndes Arbeitsethos eingeschrieben ist und schon vor Jahrzehnten in bekannten Werken wie Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden" aufgespießt wurde, hört offenbar nicht auf zu faszinieren. Auch filmisch hat sich die Karikatur der Erfolgsgurus eingebrannt - man denke an Tom Cruise in "Magnolia" und Leonardo DiCaprio als "Wolf of Wall Street", aber auch an Beispiele wie Johannes Nabers Film "Zeit der Kannibalen", in dem Devid Striesow und Katharina Schüttler spezifisch deutsche Berater mimen. In der neueren Literatur fiele einem sofort "Johann Holtrop" von Rainald Goetz ein, der auch schon mehr als zehn Jahre alt ist. Braucht es heute nochmals die Dekonstruktion der Hochstaplerfigur?
Warum nicht, wenn sie unterhaltsam und am Puls der jüngsten Zeit ist, könnte man sagen. Und beides gelingt Hotz - allerdings auf Kosten jeglicher Subtilität. Die Ideologie wird im Roman teils überdeutlich ausbuchstabiert: "Erfolg ist 99 Prozent Mindset, aber zu einem Prozent eben auch Ernährung!" Also wird den Seminarteilnehmern Flüssignahrung in Flaschen zugeworfen, Geschmacksrichtung Vanille, ein veganer "Nährschlamm", mit dem man auf die Zeitverschwendung des Essens verzichten kann. Das ist reine Realsatire, sieht man derzeit doch tatsächlich Fernsehwerbung für genau solche Produkte - aber es ist freilich auch nicht allzu originell. Krach hat ein Schein-Imperium namens "Genesis Ego" aufgebaut, trägt unechte Uhren und lebt auf Pump, bis die Kreditkarten nicht mehr akzeptiert werden. Mit ein paar Gehilfen aus dem Tech-Prekariat versucht er, armen Dummies eine Kryptowährung namens "$ego" anzudrehen.
In der Beschreibung ist Hotz fast immer gut, in der Durchdringung weniger, wie Exkurse über Heldentum oder Müll zeigen. Die zweite Hauptfigur Yasmin soll dann auch noch Machotum und wolfhaftes Verhalten entlarven, das ohnehin schon plakativst ausgestellt wird (tatsächlich gibt es lange Passagen über Wölfe und Schafe). Der Schluss mit der Erkenntnis "Maximilian braucht den Glamour, die Macht" ist fast erschreckend im Vergleich zum starken Beginn. Insofern bleibt dieses Debüt eine Fingerübung, in der Potential für mehr stecken könnte. Weniger gut ist das Gefühl, dass einer Generation, die häufig einfachste Ironie nicht mehr versteht, solche Holzhammer-Satire schon genügen könnte. JAN WIELE
Sebastian Hotz: "Mindset". Roman.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023. 288 S., geb., 23,- Euro.
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Rezensent Florian Eichel sieht in Sebastian Hotz' Debüt "Mindset" mehr als nur einen unterhaltsamen Roman über einen verkrachten Coach in Gütersloh, der seinen eigenen Erfolg dank Instagram und gefälschter Markenuhren immerhin erfolgreich vorgaukelt. In dem auf Pointen zielenden, zwischen Ironie und politischem Statement schillernden Schreiben erkennt der Rezensent natürlich den Twitter-Stil, mit dem Hotz als El Hotzo Hunderttausende von Followern um sich schart. Aber er erkennt auch eine Wende in der jungen Literatur: Die Zugehörigkeit zu einer Generation spielt keine Rolle, statt auf generationelle Gemeinsamkeiten setze Hotz auf individuelle Abgrenzung. Eichel erkennt darin das Lebensgefühl einer vereinzelten Generation, die aber auch mit dem Hochstaplersyndrom zu kämpfen hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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