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Mit seinem Diebesroman entwendet Adam Davies dem Leser nur Zeit
Nicht oft haben Kunstdiebe so ideale Bedingungen wie die Täter, die Mitte Mai aus dem Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris fünf Werke der Moderne im geschätzten Gesamtwert von einhundert Millionen Euro entwenden konnten. Wie Bürgermeister Bertrand Delanoë zerknirscht einräumte, war die Alarmanlage der Gemäldesammlung defekt und nicht repariert worden, weil Ersatzteile fehlten.
Hätte die Museumsdirektion doch nur Otto J. Starks angerufen. Der hat ein derart ausgeprägtes Gespür für seine Umgebung, dass sich jedes elektronische Sicherungssystem erübrigt, wenn man ihn bloß vor die Kunst setzt. Starks hat nicht nur ein äußerst sensibles Gehör und kann außergewöhnlich gut sehen; er verfügt auch noch über olfaktorische Fähigkeiten, die es mit einem Trüffelhund aufnehmen können: Jedes noch so dezente Parfüm oder Aftershave, ja selbst ein leichter Schweißausbruch schlägt in seiner Nase sofort Alarm.
Seiner Verpflichtung durch bedrohte Kunsthäuser steht nur eine entscheidende Widrigkeit im Weg: Es gibt diesen perfekten Aufpasser lediglich in der Fiktion. In seinem dritten Roman treibt der 1971 in Kentucky geborene Adam Davies seinen Meister-Aufpasser von der New Yorker Sicherheitsfirma Janus, Inc. allerdings ganz schön in die Enge: Dreimal kurz hintereinander entwendet ein Dieb direkt vor seinen Augen ein wertvolles Exponat, zu dessen Schutz Starks gebucht war. Und so etwas passiert ausgerechnet ihm, der "zweiundsiebzig Stunden, ohne zu schlafen, auf dem Arsch sitzen kann"!
Parallel zur leider übertrieben turbulenten Story, in deren Verlauf Starks selbst bezichtigt wird, der Dieb zu sein, hat Davies seinem Protagonisten eine Liebesgeschichte spendiert. Doch die hübsche Kunsthistorikerin Charlita Sophia Izzo, genannt Charlie, in die er sich Hals über Kopf verliebt, kann ihm nicht aus seiner Misere helfen. Im Gegenteil: Sie spitzt die Lage zu, da auch sie in den Verdacht gerät, die "Ratte" zu sein, die Starks durch Raub entehrt - noch ein Grund für das schüchterne Waisenkind, den Heiratsantrag aufzuschieben. Davies rückt den Themen Liebe, Kunst und Besitz inhaltlich wie sprachlich mit Übertreibung zu Leibe. So gesellt sich zu Starks' übernatürlicher Wahrnehmungsfähigkeit eine groteske Unempfindlichkeit gegenüber jedwedem Gift. Davies hat seine Geschichte zudem mit reichlich Fußnoten gepflastert, was sicher parodistisch gemeint, aber meist überflüssig ist, weil darin nur solche Albernheiten stehen wie die Feststellung, dass "Halluzinationen ihrer eigenen Halluzinationsmoral unterliegen".
Am Ende stellt sich heraus, dass die Diebstähle nicht in der Absicht erfolgten, damit Lösegelder zu erpressen. Statt mit Artnapping haben wir es hier mit einem Robin Hood zu Ehren gereichenden Raubmotiv zu tun: Die Kunstwerke sollen den ursprünglichen Besitzern zurückgegeben werden. Doch dieses ehrenvolle Anliegen ändert nichts an dem Brimborium der Handlung und der überkandidelten Sprache. Irgendwie passend zum Thema denkt man sich am Ende: Dieser Roman kann mir ruhig gestohlen bleiben.
REINHARD HELLING
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