Der Virus Fernweh befällt zur Urlaubszeit nahezu jeden Deutschen. Im Zeitalter des Tourismus allerdings hat das mit wahrem Abenteuer nur noch sehr wenig zu tun. Wird doch heutzutage auch die Reise in den entferntesten Winkel unseres blauen Planeten bis auf drei Stellen hinter dem Komma überorganisiert. Deshalb bleibt dem aussterbenden Spezies „Globetrotter“ lediglich wehmütige Rückerinnerung. Umso mehr, wenn zwei derartige ökonomische Weltenbummler eingesperrt in der ehemaligen DDR leben mussten. Im von der Bundesrepublik stets als Zone abgewertetem Machtbereich des mit sächselnder Kastratenstimme den Sozialismus aufbauen wollenden Walter Ulbricht war während der 50er-Jahre schon ein Urlaubsplatz auf der begehrten Insel Rügen Gipfel der Seligkeit. Auslandsreisen gar für den Normalsterblichen ebenso undenkbar wie der Erwerb eines Autos ohne jahrelange Wartezeit. Bis zum Bau der Mauer am 13. August 1961 existierte aber über Westberlin ein Schlupfloch in die Freiheit, was viele Menschen zur Flucht in den Goldenen Westen ausnutzten. Mein Freund Günter und ich hatten aus familiären Gründen nicht vor, für immer abzuhauen, sondern wollten nur von einer sensationell verlockenden Möglichkeit Gebrauch machen. Gewährten die Behörden in Niedersachsen doch Besuchern aus dem anderen Teil Deutschlands für drei Monate einen provisorischen Reisepass der Bundesrepublik Deutschland: der begehrte Freibrief ins ganz große Reiseerlebnis! Das begehrte Dokument stolz betrachtend, schworen wir uns, diese einmalige Chance bis zur Neige auszukosten und kühn in orientalische Gefilde aus 1001 vorzudringen. Kleiner Haken: Günter, der gerade seine Lehre als Elektriker beendet hatte, noch ohne Anstellung, und ich, ein exmatrikulierter Student, waren arm wie eine Kirchenmaus. Nach dem Umtausch unserer lächerlichen Ersparnisse in die erforderliche, frei konvertierbare DM West nannten wir ganze 100 Mark unser eigen. Eine Summe, welche einem wirtschaftswunderlichem Ehepaar nicht einmal für ein abendliches Dinner in einem guten Restaurant gereicht hätte. Das hinderte uns nicht, mit naiv-gläubiger Zuversicht am Straßenrand von Hannover mit der typischen Geste die Daumen zu heben, um per Anhalter Kilometer um Kilometer in die erträumte Richtung zu machen. Unser Karma ließ tatsächlich verwegene Träume Realität werden, was die Schilderung dieses abenteuerlichen Trips ungemein fesselnd beschreibt.