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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Ein mährischer Fabrikant wird als Romanheld Nachfolger der Fugger: Markéta Pilátovás "Mit Bat'a im Dschungel"
Dabei hatte es doch ganz gut angefangen: die einzelnen Kapitel nach den jeweiligen Hauptpersonen benannt, die dann als Ich-Erzählerinnen oder -Erzähler ihre Sicht der Dinge schildern. So etwa Jan Antonín Bat'a (1898 bis 1965), Schuhfabrikant. Um dessen Leben, besser: um dessen Lebenswerk sich fast der ganze Roman dreht. Oder Ludmila und Edita, Jan Antoníns Töchter, die eine widerstrebend, die andere gehorsam, aber beide lieben ihren Vater auf je eigene Weise. Dann wäre da noch Dolores, gerne mit dem von ihr selbst geprägten Spitznamen Dojojó vorgestellt, Juristin und Tochter von Ludmila und Ljubodrag Arambasic. Und Ljubodrag selbst, ein serbischer, allerdings royalistischer Partisan, dem die Gestapo die Zähne ausschlägt und der es, wie auch immer, denn sehr gesprächig ist er nicht, nach Brasilien schafft und sich dort in Ludmila verliebt und sie heiratet.
Dorthin, nach Brasilien, waren die tschechoslowakischen Bat'as kurz nach Zerschlagung ihrer Heimat und knapp vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geflohen. Jan Antonín, so liest man, hat schon davor, als sich der Überfall von Hitler-Deutschland auf die Tschechoslowakei abzeichnete, den weltweit agierenden, von seinem Halbbruder Tomas aufgebauten und nach dessen frühen Tod (1932, bei einem Flugzeugabsturz) von ihm weiter ausgebauten Konzern auch dazu benutzt, vor allem jüdische Mitarbeiter aus Mitteleuropa weg, in sicherere Weltgegenden zu bringen. In die Vereinigten Staaten etwa und eben auch nach Brasilien.
Dort, das kann man nicht nur aus dem Roman, sondern auch aus Enzyklopädien und Lexika erfahren, gründete er sogar kleine Städte im Bundesstaat Mato Grosso do Sul, zum Beispiel Batayporã, Bataguassu oder Batatuba. Man sieht an der wenig einfallsreichen Namenswahl, dass Jan Antonín Bat'a sich wohl für einen würdigen Nachfolger der Fugger gehalten haben dürfte. Die Autorin des Romans, Markéta Pilátová, lässt ihn den auch des Öfteren damit prahlen, wie sehr er sich um seine Arbeitskräfte kümmere, Wohnungen, gar Schulen und Freizeitanlagen für sie baue. Ob er sie auch, wie weiland die Augsburger Frühkapitalisten, mit nur im eigenen Bereich gültiger Münze bezahlte, ist hingegen nicht überliefert.
Im (kurzen) Nachwort erfährt man sodann, dass Markéta Pilátová, laut Verlagsangabe studierte Hispanistin, bei den Vorarbeiten zu "Mit Bat'a im Dschungel" sehr eng mit den Enkelkindern Jan Antonín Bat'as zusammengearbeitet, Familiendokumente bis hin zu privaten Fotoalben gewälzt und also fast schon eine Biographie verfasst hat. Dieser Verdacht drängt sich beim Lesen durchaus schon im ersten Drittel des Buches auf, tauchen doch hier bereits Geschäftsbriefe, aber auch private Korrespondenz und Notizen auf - Bat'a scheint ein begeisterter, wenn auch nicht sehr begabter Hobby-Poet gewesen zu sein -, die nur als Zitate erklärbar sind.
Leider kippt das Ganze spätestens im letzten Viertel, in dem die Erzählstimme meist hinter schier endlosen Briefzitaten verschwindet, in denen es fast nur mehr um die angestrebte Rehabilitierung Bat'as geht. Denn nach Kriegsende wurden die bereits unter der deutschen Herrschaft enteigneten, von Verwaltern allerdings - davon ist im Roman nichts zu erfahren - mithilfe von Zwangsarbeitern im sogenannten "Protektorat Böhmen und Mähren" weitergeführten Bat'a-Werke verstaatlicht. Dieses, man kann es ruhig "Raunzen" nennen, da die Familie Bat'a auch Verbindungen nach Wien hat (Dolores studiert hier - nein, da liegt die im Übrigen sehr gute Übersetzung aus dem Tschechischen von Sophia Marzolff nicht ganz richtig - "Jus" und eben nicht "Jura", wie es in Deutschland hieße), dieses "Raunzen" also zerstört das Lesevergnügen letztlich.
MARTIN LHOTZKY
Markéta Pilátová: "Mit Bat'a im Dschungel". Roman.
Aus dem Tschechischen von Sophia Marzolff. Wieser Verlag, Klagenfurt 2020. 288 S., geb., 21,- [Euro].
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