Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können. Zwar schien die Vorfrühlingssonne draußen hell und warm, doch in den hohen, weiten Räumen des alten Schlosses war es immer noch so kühl, daß man das Kaminfeuer angenehm empfand. Vor ihm in tiefen Sesseln saßen Gräfin Swanewitt und ihr Sohn Wigand. Zu ihnen trat nun der Herr des Hauses, nahm Platz und reichte der Gattin einen Brief. Während sie ihn las, spiegelte sich auf ihrem feinen Antlitz das Unbehagen wider, welches das Schreiben ihr verursachte. »Ja, da kann man nichts machen. Es gilt nun reiflich zu überlegen, was aus Griseldis werden soll, die jetzt endgültig dem Internat entwachsen ist. Wie die Oberin in dem Brief berichtet, hat das Mädchen sein Abitur mit Auszeichnung bestanden, wonach ihm die Möglichkeit geboten ist, jeden Beruf ergreifen zu können. Also werde ich die Oberin aufsuchen, um Rücksprache zu nehmen, wozu sich Griseldis am besten eignet. Sie kennt sie ja vom siebenten Lebensjahr an und somit auch ihre Anlagen und Fähigkeiten. Erst dann kann ich als Vormund, der sein Mündel nur aus den monatlichen Berichten der Oberin kennt, einen Entschluß fassen.« »Und dann, Magnus?« »Dann werde ich alles das veranlassen, was zu einer Berufsausbildung notwendig ist.« »So soll das Mädchen aus der Abgeschiedenheit des Internats sofort in eine ihm fremde Umgebung hinaus?« »Warum denn nicht, Claudia? Griseldis ist doch kein Kind mehr, sondern neunzehn Jahre alt.« »Immer noch zu jung, um auf sich allein gestellt zu sein, zumal Griseldis zwölf Jahre hindurch in dem Töchterheim gelebt hat, behütet und bevormundet zugleich. Da wird man unselbständig, wie ich aus Erfahrung weiß, da ich ein Jahr in dem fast klösterlichen Institut verbrachte. Wenn ich daran denke, daß ich hinterher irgendwo allein hätte leben müssen, beschleicht mich ein Gruseln.« »Worauf willst du hinaus, Claudia?« »Daß du Griseldis mit hierher bringst, damit sie sich erst an ein Leben gewöhnt, das nicht so abgeschieden und einseitig ist wie im Internat.
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