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Ein Chemielaborant, der in einem überalterten Dorf im Harz nach der Liebe sucht - und eine Eule findet. Ein Manager, der als ein guter Erwachsener in Hotelzimmern liegt und von den Sünden seiner Jugend heimgesucht wird. Ein Housesitter, der ein Sofa versaut, einen Baum tötet und eine Minderjährige verführt. Sie alle heißen Benjamin. Sie alle irren umher. Durch Wälder und Tierparks, über Familienfeiern und Vorortstraßen. Nach seinem vielgelobten Prosadebüt "Die Welt ist ein Parkplatz und endet vor Disneyland" zeigt Benjamin Maack nun in "Monster" erneut, mit welcher Konsequenz und…mehr

Produktbeschreibung
Ein Chemielaborant, der in einem überalterten Dorf im Harz nach der Liebe sucht - und eine Eule findet. Ein Manager, der als ein guter Erwachsener in Hotelzimmern liegt und von den Sünden seiner Jugend heimgesucht wird. Ein Housesitter, der ein Sofa versaut, einen Baum tötet und eine Minderjährige verführt. Sie alle heißen Benjamin. Sie alle irren umher. Durch Wälder und Tierparks, über Familienfeiern und Vorortstraßen. Nach seinem vielgelobten Prosadebüt "Die Welt ist ein Parkplatz und endet vor Disneyland" zeigt Benjamin Maack nun in "Monster" erneut, mit welcher Konsequenz und Überzeugungskraft er erzählen kann. Spannend, provokant - und manchmal ungeheuer witzig.
Autorenporträt
Benjamin Maack *1978 in Winsen an der Luhe, lebt und arbeitet als Autor und Journalist in Hamburg.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ha, von wegen verloren, lost in Lust. Gerade hat Beate Tröger noch die ortlosen Schwebezustände und das Kontingente bestaunt, die Innenansichten der Orientierungslosigkeit in Benjamin Maacks Erzählungen, deren Anti-Helden allesamt den Vornamen des Autors und ein montröses Schicksal tragen, manchmal ist es allerdings auch der Zufall, der zuschlägt, so Tröger. Dann plötzlich geht es ihr auf: Alles These, Kalkül, Spielerei! Ja, was denn sonst?

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.05.2012

Auch Scheitern will gelernt sein
In seinem Erzählungsband „Monster“ führt Benjamin Maack seine Figuren an die Schmerzgrenze – und darüber hinaus
Von Aus dem dunklen Nichts kreuzt ein Schatten den Weg, etwas schlägt gegen den Wagen und unterbricht den Lauf der Dinge. Der Fahrer hält, betrachtet den Schaden und bemerkt, dass ihm eine Eule in die Quere gekommen ist. Eine Eule ausgerechnet, ein Unglücksvogel! Man muss sich nicht an die unzählig-unseligen Auftritte dieses Nachtschwärmers in der Literaturgeschichte erinnern, um eine böse Ahnung zu bekommen: So ganz gut wird es das Schicksal mit dem nächtlich Reisenden nicht meinen, wenn der Ausflug gleich schon so bedeutungsschwanger beginnt.
Die erlegte Eule jedenfalls wird im Kofferraum verstaut und ans Ende der Welt getragen, in die tiefste Provinz, wo die Freunde des jungen Mannes wohnen: eine ehemalige Geliebte und ihr Mann, der todkrank, im Rollstuhl sitzend, von ihr gepflegt wird. Dorthin, wo die Vergangenheit unbearbeitet in die Gegenwart ragt. Und eine Zukunft nicht leichthin schwebend, sondern ganz unabsehbar schwer auf den Helden lastet.
Das Kammerspiel ist eröffnet, und die längste der sieben Geschichten in Benjamin Maack s neuem Band „Monster“ hat ihren Grundton gefunden: dunkel, verstörend, ein wenig unheilvoll. Man könnte diese Trias des Bedrohlichen auf alle Texte des Buches münzen; die Psychohaushalte von Maacks Figuren sind insgesamt ein wenig angegriffen, und noch anderen Tieren ist hier die Rolle von Menetekeln oder Seelenverwandten zugedacht. Die Hauptfigur heißt Benjamin, und dieser Benjamin wird in unterschiedlichem Gewand und in verschiedenen Lebensaltern auch in den nachfolgenden Texten auftauchen. Bei diesem eher freudlosen Lebenslehrling hakt es an der ein oder anderen Stelle so sehr, dass er sich mit verbaler und teils auch körperlicher Gewalt wegzerren muss aus ihn ängstigenden Verhältnissen und Situationen. Glücksversprechen wird hier gründlich misstraut und Scheitern zur solidesten Daseinsbasis.
Diese Benjamine kommen sich abhanden, reagieren verständnislos auf ihr Unbehagen und das ihrer Umgebung. Sie sind keine Bestien oder Monster, wie der Titel suggeriert, sondern Verlorene. Und das Schöne, das ihnen doch auch zuweilen begegnet, erscheint hier zumindest wie des Monströsen Anfang. Im Humus der Normalität keimt das Grausame, das irgendwann seinen Weg an die Oberfläche sucht. Maacks Helden sind Zeitbomben, und es genügen geringe Anlässe, sie zu zünden. So gerät ein jugendlicher Benjamin, gerade frisch verliebt, unversehens in einen Aggressionsrausch, als er seiner Freundin aus Las Casas’ „Ganz kurzem Bericht über die Zerstörung Westindiens“ vorliest.
Mit sadistischem Genuss zitiert er Passagen größter Brutalität, und als seine Freundin Nina ihn bittet, den Vortrag zu beenden, kommt er erst richtig in Fahrt, setzt ihren Namen an die Stelle der Peiniger im Buch: „Mit dem Schwert durchbohrte Nina weitere kleine Kinder zusammen mit deren Müttern und allen, die ihr vor die Augen kamen.“ Die Lust am Text gleicht hier einer Lust am Schmerz. Und vielleicht ist das all den Geschichten Maacks, der 1978 geboren wurde, in Hamburg lebt und mit einem Lyrikband debütierte, gemein: Glück lässt sich nicht ertragen; seine Seelenwracks müssen früher oder später ihr Gegenüber verstören oder vor sich selber davonlaufen.
Es sind kleine Verschiebungen, die plötzlich eine Konstellation zu sprengen drohen, und Maack ist damit nicht nur sehr nah an seinen Figuren, sondern auch an einer zeitgenössischen Befindlichkeit, in der Unsicherheit, Unruhe und latente Gewaltbereitschaft ein brodelndes Gemisch ergeben. „Bäume. Sträucher. Ein Bach. Ein Himmel. Sonne. Bäume. Summen. Ein Weg. Ein Weg, der gegangen werden muss. Es braucht nicht viel, um der Welt die Zusammenhänge wegzunehmen.“
Wo die Kontexte verloren gehen, herrscht das Chaos – und die Wut, dem Chaos ausgeliefert zu sein. Maack markiert die Punkte genau, an denen er seine Benjamine ausflippen lässt, und er trivialisiert die Entgleisungen nicht durch eine schlichte psychologische Deutung, die ja Beruhigung schaffen könnte. Allerdings liegt das Problem dieser durchaus fesselnden Erzählungen in einer literarischen Überreizung schon überreizter Figuren. Zuweilen bringen die poetischen Hitzigkeiten die kühle Grundtemperatur dieser Erzählungen aus dem Gleichgewicht: „Der Hang zu seiner Linken“, heißt es da mal mit beherztem Willen zur Originalität, „blutet Schlamm“.
Oder: „Sie sieht ihn an wie ein Stück voller tödlicher Gräten“, und es ist nicht leicht, sich einen solchen Blick vorzustellen. Es gibt auch formale Exaltiertheiten, die sich wie bemühte Kunstübungen ausnehmen und Maack vom Lektorat hätten ausgeredet werden sollen, etwa wenn über fünf Seiten hinweg mit avantgardistischem Impetus aneinandergereihte Nullen eine Geschichte erzählen sollen (000000000000000000000 etc.).
Sieht man über diese Schwächen hinweg, haben wir es hier mit dem gelungenen Prosaband eines gnadenlosen Autors zu tun. Er erklärt uns seine Figuren nicht. Er liefert sie ihren Gefühlen aus. Und lässt sie Sätze sagen, die eben die richtigen Minusgrade haben, um uns ein bisschen frösteln zu lassen: „Ich glaub nicht an andere Menschen. Ich meine, ich glaube nicht, dass es andere Menschen gibt.“ ULRICH RÜDENAUER
BENJAMIN MAACK : Monster. Mairisch Verlag, Hamburg 2012. 192 Seiten, 16,90 Euro.
„Es braucht nicht viel,
um der Welt die
Zusammenhänge wegzunehmen“
Benjamin Maack
Foto: Benne Ochs / mairisch Verlag
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2012

Alle Jungs müssen Benjamin heißen

Sein neues Buch sagt, was es ist: "Monster". Benjamin Maack misst an der Narration von Computerspielen, was heute sonst noch erzählt wird - und schreibt dennoch weiter

Die letzte Erzählung in "Monster", dem im Februar 2012 erschienenen Buch, das Benjamin Maack als einen Großen unter den Jungen ausweist, heißt "Xxxxxxxx" und beginnt wie folgt:

"XXX X XXXX XX XXXXXXX XXXXX XX XXXX XXXX" Xxx.

Xxx xxxx'x xxxx. Xxx xxxx xxxx xxxx xxx xxx xxxxxxxx--Xxxxxxx xxx xxx xxxxxxxx xxx xxxxxx.

Und danach geht die Erzählung noch anderthalb Seiten so weiter bis zum letzten Satz: "Xx xxx xxx xxxxxxx-xxxxxxxx Xxxxxx, xxxx xx xxx xxxxxxxxx xxxxxx xxxxx xxx xxxxxxx xxxxxxxx, xxxx xxxxx xxxxxxx xxxxxx." Was für ein Geheimnis steckt in diesem X-Akt? Exakt: ein Text.

Wir erkennen Muster, darauf beruht unser Menschsein. Sie bieten uns Halt in der Welt. Also liegt die Vermutung nahe, hinter jeder der vielen X-Variablen stecke ein Buchstabe, und die wechselnde Groß- und Kleinschreibung scheint diese Spekulation ebenso zu unterstützen wie die An- und Abführungen zu Beginn, der als ein Zitat, ein Motto zu deuten wäre. Xxx wäre dann wohl dessen Urheber. Nur wer verbirgt sich hinter Xxx? Poe? Oder vielleicht steht jede Variable für eine ganze Silbe? Hölderlin?

Gefragt, ob sich hinter all den X-Zeilen überhaupt ein realer Text verberge, sagt Benjamin Maack: "Natürlich." Und das darf man ihm glauben. Weil er an den Ernst der Literatur glaubt. Das merkt man jedem seiner Bücher an, schon dem 2004 erschienenen Gedichtband "Du bist es nicht, Coca Cola ist es" und dem drei Jahre später folgenden Erzählungsband "Die Welt ist ein Parkplatz und endet vor Disneyland".

Am meisten aber merkt man es eben jenem jüngsten Buch an, das die ironischen Titel der Vorläufer, unter denen sich ganz unironisch große Literatur einschmuggelte, vergessen ließ, indem es klipp und klar benannt ist als das, was es ist: "Monster". Monster sind Fremdartigkeiten, und was Benjamin Maack mit seiner Prosa vorführt, ist tatsächlich alles andere als vertraut. Es ist verstörend. Das beginnt mit der ersten Erzählung in "Monster", der längsten des Buchs, die fast achtzig Seiten und somit zwei Fünftel seines Umfangs ausmacht und die den Eindruck erweckt, hier werde ein Roman erzählt. Denn es gibt von Seiten des Verlages keine Genreeinordnung, die erklärte, was man in "Monster" findet, und die achtzig Seiten von "Viel schlimmer als die dunklen Räume sind die spiegelnden Fenster" führen in ein Dorf im Harz, das genügend Personal bereithielte für einen Roman: Sonderlinge, Skeptiker, Einzelgänger, vor allem aber Doppelgänger: ein Paar am Waldrand, bestehend aus einem todkranken jungen Mann und seiner ihn pflegenden Frau, die plötzlich Besuch von ihrem Studienfreund bekommen, der einmal in die junge Frau verliebt war. Die Liebe lebt wieder auf, die Liebe stirbt wieder ab. Der Name des Eindringlings lautet Benjamin.

So heißen alle Protagonisten in Benjamin Maacks Erzählungen - ein teuflischer Trick, um die Leser auf eine falsche, eine autobiographische Spur zu bringen. Oder um Verbindungen zwischen Geschehnissen herzustellen, die gar nichts verbindet. Der Benjamin aus "Australien", der Geschichte, die auf "Viel schlimmer als die dunklen Räume sind die spiegelnden Fenster" folgt, ist ein anderer. Steckte der Erzähler dem ersten Benjamin noch im Kopf, um mit seinen Augen in die fremde Welt des Harzes zu sehen, mit ihm zu denken, ohne aber mit ihm identisch zu sein, so sagt der Benjamin aus "Australien" als erstes Wort gleich "ich". Ich ist ein anderer. Er ist ein Kind - eines, dessen großer Bruder gestorben ist, doch über den Tod will in der Familie niemand reden; es heißt, der Bruder sei nun in Australien. Und Benjamin glaubt es. Als diese kurze Geschichte auserzählt ist, folgt nach zwei Vakatseiten in "Monster" eine lapidare Feststellung: "Ich glaube nicht an andere Menschen. Ich meine, ich glaube nicht, dass es andere Menschen gibt." Alles ist für Maack nur Benjamin.

Als Autor überlässt er seinen Lesern damit einen Teil des Schreibprozesses: die Zuschreibung von Rollen auf Figuren. Die Benjamine seiner Geschichten treten in Korrespondenzen, die nur durch ihre Namen begründet sind, aber plötzlich Brücken schlagen von Erzählung zu Erzählung. Den einen erklärt man sich mit den anderen. Und eins ist klar: Hinter irgendeiner X-Kombination der Handlung von "Xxxxxxxx" verbirgt sich auch wieder ein Benjamin. Womöglich ist es jener ominöse Xxx, dem wir das Eingangszitat verdanken, und die Deutung der X-Zeilen als Silbenschrift erwiese sich als richtig.

Wir wagen also mal die Vermutung, hinter Xxx stecke Benjamin. Schlimmstenfalls ist es Walter Benjamin, dann müsste man nun nur in der vieltausendseitigen Werkausgabe Silben auszählen und nach einem passenden Zitat suchen. Bestenfalls ist es Benjamin Maack selbst; dann reichte die Durchsicht von insgesamt knapp vierhundert Seiten in seinen drei Büchern (und ein paar zusätzlichen in Anthologien experimenteller Natur). Es ist ein Spiel, das Maack mit seiner Akte X betreibt, ein Spiel mit Typographie: diskrete Prosa als Analogie zur konkreten Poesie.

Das Spielen liegt diesem Schriftsteller im Blut. Er ist 1978 geboren und aufgewachsen in einer Zeit, als der Computer die Kinderzimmer eroberte und neue Welten anbot, die mit alten kulturtechnischen Verfahren arbeiteten: eben die Welt der Spiele. Die alte Kultur hat Maack studiert: Kunstgeschichte, Philosophie und Volkskunde. Die neue ist sein Job: Er arbeitet in Hamburg für "einestages", das Zeitgeschichtsportal von "Spiegel online". Er tritt aber auch als Rezensent von Literatur, Filmen, Comics, Musik und Spielen auf. Die Nennung erfolgt dabei in aufsteigender Komplexitätseinschätzung, denn Maack ist ein Autor, der an der Narration von Computerspielen alles misst, was heute sonst noch erzählt wird. Die Literatur hält er da selbst für abgehängt; dass er von ihr nicht lassen kann, zeigt, dass ihm die Sache trotzdem ernst ist.

Er lernt als Schriftsteller von dem, was er für avancierter hält. In der Mehrebenen-Ästhetik von Computerspielen findet er das Vorbild für seine eigenen Geschichten. Solche Spiele sind für ihn die faszinierendste Form gegenwärtiger Erzählung, weil sie etwas leisten, das die Literatur verloren hat: den Mut zum Experiment, zur Kombination der verschiedensten Formen im Dienste eines großen erzählerischen Zusammenhangs.

Für Maack sind die Spieleentwickler also die großen Erzähler unserer Zeit. Nach dem, was sie erzählen, ist er süchtig - so sehr, dass er sich selbst bei der Nutzung Grenzen auferlegt. Nur einmal im Jahr, in den Tagen nach Weihnachten, zieht er sich mit Duldung seiner Frau zurück, um zu spielen. Und er kommt nicht wieder heraus, bis das Spiel auserzählt hat. Dann ist er erfrischt, inspiriert für ein neues Jahr. Die Arbeit in der Netzredaktion lässt nicht mehr Zeit fürs Spielen zu. Die Familie lässt nicht mehr Zeit fürs Spielen zu.

Das literarische Schreiben lässt allein noch Zeit fürs Spielen zu. Ein Resultat ist "Xxxxxxxx". Hinter das Geheimnis dieser Erzählung will er sich ebenso wenig schauen lassen wie hinter das, was "Monster" sonst noch an Rätseln bietet. Benjamin Maack ist keine Hilfe bei der Deutung seiner selbst. Er ist aber eine große Stütze für die junge Literatur.

ANDREAS PLATTHAUS

Benjamin Maack: "Monster". Mairisch-Verlag 2012, 192 Seiten, 16,90 Euro

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