„Ich bin vielmehr der Einzige, der die Gefahr erkennt. Diese Fahrräder sind Ungetüme aus Stahl und Blech, die die Sittlichkeit untergraben.“ (S.20)
Es ist kaum zu glauben, aber im Berlin des 19.Jahrhunderts war diese Ansicht noch normal und Fahrradfahrer kämpften um Recht und Ansehen, um ihren
Sport legal auf der Straße wie z.B. Unter den Linden ausführen zu dürfen, wobei sie bei den…mehr„Ich bin vielmehr der Einzige, der die Gefahr erkennt. Diese Fahrräder sind Ungetüme aus Stahl und Blech, die die Sittlichkeit untergraben.“ (S.20)
Es ist kaum zu glauben, aber im Berlin des 19.Jahrhunderts war diese Ansicht noch normal und Fahrradfahrer kämpften um Recht und Ansehen, um ihren Sport legal auf der Straße wie z.B. Unter den Linden ausführen zu dürfen, wobei sie bei den angesehenen Bürgern der Stadt allerdings auf taube Ohren stießen.
Dr. Otto Sanftleben gehört den Anhängern der neuen Zweiradkultur an und ist gleichzeitig sehr bewandert auf dem Gebiet der Erforschung von Körpersprache, mit dem Ziel Lügen zu entlarven, und damit eine wahre Bereicherung für die Polizei. Diese hat es gerade mit einem skrupellosen Mörder zu tun, der seine weiblichen Opfer nicht nur kreuzigt, sondern auch noch verbrennt. Gleichzeitig sorgen verschiedene politisch motivierte Anschläge für einigen Trubel im Deutschen Kaiserreich; da ist ein kühler Kopf gefragt, um den Durchblick zu behalten. Als Otto aber die Zeugin Rieke trifft, verliert er sein Herz an die geheimnisvolle Revueschauspielerin – kann er trotzdem noch erfolgreich die Ermittlungen unterstützen? Und welche Geheimnisse bergen die sittsamen Bürger von Berlin hinter verschlossenen Türen?
Als Berlinerin war es für mich sehr interessant, einen kleinen Einblick in die Hauptstadt zur Kaiserzeit zu bekommen und das Cover sorgt in Verbindung mit den bildlichen Beschreibungen des Autors für eine gute Möglichkeit, das Flanieren am Brandenburger Tor lebendig zu machen. Die Protagonisten überzeugen mit ihrem eigenen Charme und sind gleichsam in ihrer bewegenden und zum Teil sogar verstörenden Vergangenheit jeder ein Unikat, die auch nicht so einfach zu durchschauen sind.
Lediglich die politischen Hintergründe hätten für mich gerne nicht so viel Platz in dem historischen Krimi einnehmen müssen, doch irgendwie sind diese auch wieder eng verbunden mit dem eigentlichen Handeln, was eine klare Abgrenzung schwierig gemacht hätte, doch diese Informationen langweilten mich, was sie allerdings auch im Geschichtsunterricht schon taten, deswegen will ich dem Autor da mal keine Vorwürfe machen. ;-)
Rund 120 Jahre sind Ottos Abenteuer her, doch Tim Pieper hat uns ohne Mühe einen abwechslungsreichen Roman vorgesetzt und veranschaulicht, dass diese Zeit auch über einigen Unterhaltungswert verfügt.
Die Titelseite aus der Berliner Gerichtszeitung, die im vorderen Teil abgedruckt ist, möchte ich noch gerne erwähnen, da diese kleinen Details ein Buch immer zu etwas Besonderem machen und erst so richtig auf die jeweilige Epoche einstimmen. Allerdings würde ich mir vom emons Verlag wünschen, dass die Lücken zwischen den einzelnen Kapiteln etwas größer wären, da ich gleich darauf folgende Kapitel als störend empfinde.