Gedanken eines grünen Intellektuellen
Meine Überschrift ist natürlich Interpretation. An keiner Stelle schreibt Kermani, dass er grün wählt, aber seine Gedanken passen sehr gut zu dieser Partei. Und er ist seiner Zeit voraus.
Das Buch enthält seine Reden, die er bis auf die letzte nicht frei
gehalten hat, in chronologischer Folge, angefangen mit dem Lob des iranischen Schriftstellerverband,…mehrGedanken eines grünen Intellektuellen
Meine Überschrift ist natürlich Interpretation. An keiner Stelle schreibt Kermani, dass er grün wählt, aber seine Gedanken passen sehr gut zu dieser Partei. Und er ist seiner Zeit voraus.
Das Buch enthält seine Reden, die er bis auf die letzte nicht frei gehalten hat, in chronologischer Folge, angefangen mit dem Lob des iranischen Schriftstellerverband, der im Land Reformen fordert, obwohl schon vor 20 Jahren gehalten.
Die nächste Rede spendet den Eltern eines toten ungeborenen Kindes Trost. Dann folgt eine Rede zur westlichen Leitkultur in der auch von Deutschland wünscht, dass es seinen Lehrerinnen erlaubt, Kopfttücher zu tragen. Im Vorwort schreibt er selbst, dass er dies hätte entfalten müssen. Sehr gut gefällt mir, wie er schildert, dass er in der Heimatstadt seiner Eltern Isfahan ein Haus kauft, um es vor den Abriss zu retten und nicht um möglichst viel Miete zu kassieren.
Im Dialog mit der islamischen Welt erklärt er, wie der Islam den Bezug zur Literatur verlor und fundamentalistischer wurde.
Schon bei der Wiedereröffnung des Burgtheater 2005 spricht er über die Migration von Afrika nach Europa. 2011 redet er bereits über die Krise der Europäischen Union.
Zur Eröffnung der Lessingtage wundert er sich, dass in einem aufgeklärten Land wie Deutschland die rechtsradikalen Terroranschläge des NSU so lange verborgen blieben. Zum Heinrich Kleist Preis redet er über die Liebe wegen Kleists Pethesilea.
Am meisten beeindruckt hat mich die Rede vor der Goethe-Gesellschaft, in der er darlegt, dass Atem holen eine religiöse Erfahrung ist. Dank seines Studiums der Islamwissenschaften, dank seiner Kenntnis verschiedener Religionen hat Kermani eine Fähigkeit, die viele Grünen nicht haben. Er kann sagen, warum unser Tun einen Sinn hat. Bezeichnend für sein Denken ist das, was er über Goethe sagt: „Wo andere aus der Religion eine Weltanschauung ableiten, leitet Goethe umgekehrt aus der Anschauung der Welt religiöse Grundsätze ab“ (137f). Bei den Talismane im Diwan zeigt Goethe sogar Koranwissen. Im folgenden Kapitel hält Kermani eine Laudatio über eine Islamwissenschaftlerin.
Dann redet er im Bundestag zum Verfassungstag und zitiert eine erstaunliche Umfrage: „Befragt, wann es Deutschland am besten ergangen sei, entschieden sich noch 1951 in einer repräsentativen Umfrage 45% der Deutschen für das Kaiserreich, 7% für die Weimarer Republik, 42% für die Zeit des Nationalsozialismus und nur 2% für die Bundesrepublik.“ (161)
Es folgt eine Rede über Kurzbiographien seiner Bekannten, dann eine Rede für die Terroropfer in Paris und beim Friedenspreis über eine syrischen Jesuitenpater, der Andersgläubige beschützte, bevor er selbst entführt wurde. Auch Rupert Neudeck war Kermanis Freund. Anschließend denkt er darüber nach, warum die Amerikaner Trump gewählt haben.
Mangels Platz kann ich nicht alle Reden erwähnen, das Judentum während der Nazi-Zeit ist nochmal Thema, die Feindesliebe, der Tod seines Vaters, Norbert Lammert und der Kreisauer Kreis, der 1.FC Köln, die Psychologie von Jung, wachsendem Populismus und zu guter letzt den Tod seines türkischen Buchhändler, der bei einer Bestellung häufig sagte: „ Morgen ist da!“
Selbst wenn mich nicht alle Reden gleichviel interessierten, so kann ich das Jahr 2019 mit gutem Gewissen mit der Bestnote abschließen, also 5 Sterne.