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Auch das als "unpolitisch" geltende NSKK unterstützte Kriegsverbrechen und Mordaktionen in Polen und in der Sowjetunion
Dorothee Hochstetter: Motorisierung und "Volksgemeinschaft". Das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK) 1931-1945. R. Oldenbourg Verlag München 2005. 537 Seiten, 69,80 [Euro].
Seit September 1934 war das Nationalsozialistische Kraftfahrerkorps eine eigenständige Gliederung der NSDAP. Das inhalts- und konturenreiche Buch von Dorothee Hochstetter stellt nicht nur die organisatorischen und personellen Entwicklung des NSKK dar, sondern bietet gleichzeitig eine die damaligen "Lebenswelten" einfühlsam nachempfundene Mentalitätsgeschichte. Das NSKK empfand sich selbst als eine von der nationalsozialistischen Weltanschauung geprägte politische, in großen Teilen paramilitärische Kampfformation, als "Banner- und Willensträger" der Motorisierungspolitik im "Dritten Reich". Dabei wird sein - die Gleichrangigkeit mit den bedeutenden Gliederungen wie SA und SS beanspruchender - Stellenwert innerhalb der Herrschaftsstrukuren des NS-Regimes ebenso deutlich wie der mitunter sehr drastisch akzentuierte Kontrast zur tatsächlichen Wahrnehmung des NSKK durch die Partei-, Volks- und sonstigen Zeitgenossen ("NSKK = Nur Säufer Keine Kämpfer").
Vor allem eröffnet die Verfasserin Perspektiven zu mannigfachen, sich aus dem engeren Forschungsgegenstand unmittelbar oder mittelbar ergebenden Ursachen- und Wirkungsfeldern. So entstehen inhaltsreiche Ausblicke auf den an den Erscheinungsformen des NSKK vor allem festzumachenden Motorisierungsgedanken in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die - durchaus Hitlers spezieller Vorliebe für den individuellen Autoverkehr geschuldete - spezifische Motorisierungspolitik des Regimes. Ebenso schildert Frau Hochstetter facettenreich den Motorsport im "Dritten Reich", wobei die Präsentation der überaus populären Rennfahrer der "Großen Preise" vor dem Hintergrund der vom NSKK bevorzugten Idee des vormilitärischen Mannschaftsmotorsports besonders gelungen ist.
Mit gleicher Intensität widmet sich die Studie den Aktivitäten des Kraftfahrerkorps hinsichtlich der Motor-HJ und der NSKK-Motorsportschulen, ferner dem komplizierten Verhältnis zu den später "gleichgeschalteten" Automobilclubs und zur Automobilindustrie sowie auch der bedeutsamen Rolle des NSKK im Bereich der Fahrausbildung und der Verkehrssicherheit. Die letzten Kapitel konzentrieren sich auf die Aufgaben und Tätigkeiten der NSKK-Transport- und -Verkehrseinheiten im Zweiten Weltkrieg und gelten insbesondere der Beteiligung des auch noch nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes als weitgehend "unpolitisch" angesehenen NSKK an Diskriminierungs- und Gewaltmaßnahmen gegen Juden bis hin zu konkreten Kriegsverbrechen und Mordaktionen in Polen und in der Sowjetunion.
Bemerkenswert ist, daß die Verfasserin auch in diesem Punkt das Augenmaß in der sorgfältig abwägenden Bewertung des Geschehens beibehält, indem sie den eher unterstützenden Charakter dieser NSKK-Aktionen betont und damit dem Gegenstand ihrer beeindruckenden Studie keineswegs eine zentralere Rolle hinsichtlich des Kernstücks der NS-Ideologie zuweist, als ihm aufgrund der gewissenhaft ausgewerteten Quellen zukommt.
JOSEF HENKE
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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