Statt 109,00 €**
99,99 €
**Preis der gedruckten Ausgabe (Broschiertes Buch)

inkl. MwSt. und vom Verlag festgesetzt.
Sofort per Download lieferbar
  • Format: PDF

Waschmaschine, Kühlschrank und Staubsauger, heute selbstverständliche Bestandteile unseres Alltagslebens, wurden bei ihrer Markteinführung in der Zwischenkriegszeit als einschneidende Veränderungen der Haushaltstechnisierung empfunden. Unter sozial- und kulturgeschichtlichen Aspekten stellt Martina Heßler die kontroversen Diskurse und Konzepte zur Frage der Technikverwendung im Haushalt sowie die verschiedenen Interessen der Akteure vor. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 2001

Produktbeschreibung
Waschmaschine, Kühlschrank und Staubsauger, heute selbstverständliche Bestandteile unseres Alltagslebens, wurden bei ihrer Markteinführung in der Zwischenkriegszeit als einschneidende Veränderungen der Haushaltstechnisierung empfunden. Unter sozial- und kulturgeschichtlichen Aspekten stellt Martina Heßler die kontroversen Diskurse und Konzepte zur Frage der Technikverwendung im Haushalt sowie die verschiedenen Interessen der Akteure vor. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 2001
Autorenporträt
Martina Heßler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Wissenschafts- und Technikgeschichte in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.05.2002

Wo die Vampire wirken
Zwei Wegweiser durch die Geschichte der Haushaltstechnik

"Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur saugen kann": Loriot ist es mit seinem berühmten Sketch gelungen, in einer kurzen Szene das Wesen des Staubsaugens zusammenzufassen. Der Vorführherr hat den Arm in einer Schlinge und muß trotzdem, vermutlich aus schierer ökonomischer Not, fröhlich sein Produkt anpreisen - Direktvertrieb ist typisch für die Staubsaugerbranche. Immerhin kann er so, wenn auch nicht ganz überzeugend, vorführen, daß es sich um einen Einhandsaugblaser handelt. Bei einem langlebigen Gerät wie dem Heinzelmann ist die wirkliche oder vermeintliche Innovation ein wichtiges Verkaufsargument. Der fest verlegte Teppichboden und die opulenten Polstermöbel von Lieselotte Hoppenstedt wären ohne die Möglichkeit der elektromechanischen Reinigung in unserer an Domestiken armen Ära nur schwer sauberzuhalten.

Wer mehr wissen will über die Geschichte der Haushaltstechnik, hat jetzt die Wahl zwischen zwei Büchern. Beide sind Dissertationen, sonst aber grundverschieden. "Einfach blitzsauber" von Christoph Glauser ist eine "Geschichte des Staubsaugers". Hier geht es, sehr ausführlich, um nichts als dieses Gerät. Der hauptsächlich betrachtete Zeitraum reicht von 1901 bis 1960. Das Buch richtet sich an ein allgemeineres Publikum. Martina Heßlers Buch "Mrs. Modern Woman" beschäftigt sich mit der "Sozial- und Kulturgeschichte der Haushaltstechnisierung". Ihre Untersuchung beschränkt sich auf "Deutschland zwischen den Weltkriegen", ist zu Recht in der Reihe "Campus Forschung" erschienen und trotzdem für Laien gut zugänglich; sie langweilt nicht mit unwichtigen Einzelheiten.

Glauser hat einige Erfindungen patentiert. Man spürt, daß ihn eher die technischen und ökonomischen Aspekte interessieren. Die ersten brauchbaren Staubsauger baute der Brite Herbert Cecil Booth 1901. Laut Glauser war sein Prototyp in Form und Größe mit einer Dampflokomotive vergleichbar. Diese Geräte arbeiteten noch mit einer Pumpe statt wie heute mit einem Propeller. Gesaugt wurde von der Straße her durch das Fenster. Der Handstaubsauger wurde dann in den Vereinigten Staaten entwickelt. James Murray Spangler konstruierte und W. H. Hoover vertrieb ihn. Im Jahr 1907 war die Erfindung des Staubsaugers im heutigen Sinn im wesentlichen abgeschlossen. Danach kam nur noch Feinarbeit.

Das zweite Kapitel in Glausers Buch heißt "Der Staubsauger erobert die Welt". Diese Eroberung dauerte erstaunlich lange, aber sie wurde natürlich durch zwei Weltkriege und eine Weltwirtschaftskrise behindert. Man darf auch nicht vergessen, daß es eine Koevolution von Staubfängern und Entstaubern gab und gibt. Großmutter Hoppenstedt hatte vermutlich noch Holzdielen, und im Hof gab es eine Teppichstange. Da brauchte sie nur einen Besen und einen Teppichklopfer.

Glausers kurzes Schlußkapitel "Die Sozialgeschichte des Staubsaugers" war wohl mehr eine Pflichtübung im Promotionsverfahren. Wer sich für dergleichen interessiert, sollte besser gleich zum Buch von Heßler greifen. "Mrs. Modern Woman" ist eine Figur aus der Broschüre "Electricity, the Silent Servant in the Home", die in den dreißiger Jahren an amerikanische Schulkinder verteilt wurde. Eigentlich geht es in dem vorliegenden Buch ja nur um Deutschland, aber die Vereinigten Staaten waren damals sozusagen das platonische Ideal, dem man nacheiferte, ohne es je zu erreichen. Die Elektrifizierung der Hausarbeit war eine Schmalspurrevolution. Mrs. Modern Woman glaubte noch an das Sakrament der Ehe. Sie hielt es noch für normal, daß in der Familie die Frau die Socken wäscht, aber sie verwendete dafür kein Waschbrett, sondern eine teure rumpelnde Maschine. Deswegen, und nur deswegen, war sie "modern". Wenn ein Standard einen anderen ersetzt, erhält man einen besonders guten Einblick in das Wesen der Dinge. Dinosaurier und Grammophone begreift man am besten a posteriori.

In der Weimarer Republik waren elektrische Haushaltsgeräte für die große Masse des Volkes nur schwer erschwinglich. Das sieht man besonders gut am Beispiel des sozialdemokratischen Frankfurt am Main, wo der Baudezernent Ernst May die Neubauten mit "neuzeitlichen Maschinen" wie Heizsonne oder Zentralradio ausstatten ließ. Dadurch wurden die Mieten so hoch, daß es zu großen sozialen Problemen kam. Wenn eine Familie die Stromrechnung nicht zahlen konnte, dann hatte sie noch nicht einmal einen Kohleherd, um zu kochen oder zu heizen.

Im Dritten Reich wechselte man die Ideologien wie sein Hemd. Zunächst war das Ideal die Nur-Hausfrau, der man das Leben mit Elektrogeräten erleichtern wollte. 1934/35 gab es einen reichsweiten "Elektroangriff" der "Elektrofront". Das Hauptziel, das auch bald erreicht wurde, war die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Elektrogewerbe. Danach begann die Phase der Aufrüstung. Jetzt wurden Frauen als Arbeitskräfte benötigt. Der private Konsum und damit auch der Kauf von Elektrogeräten mußten gebremst werden. Eine Ausnahme waren die Kühlschränke, die verhindern sollten, daß Lebensmittel verdarben. Dabei ging es aber weniger um Salmonellen als um Devisen. Im Wohnungsbau gab es eine Wende um 180 Grad. Jetzt wurden wieder primitive Siedlungen am Stadtrand - auch ohne teuren Anschluß an das Stromnetz - gebaut, deren Bewohner sich und ihre Hühner auf ihrer eigenen Scholle selbst versorgen sollten. In Frankfurt beschwerten sich allerdings die schlitzohrigen Bewohner der Siedlung Öserstraße/Griesheim, daß sie nicht die Stimme des Führers im Radio hören konnten. Bereits nach wenigen Tagen gab es eine provisorische Stromleitung.

ERNST HORST

Christoph Glauser: "Einfach blitzsauber". Die Geschichte des Staubsaugers. Verlag Orell Füssli, Zürich 2001. 208 S., Abb., geb., 24,- [Euro].

Martina Heßler: "Mrs. Modern Woman". Zur Sozial- und Kulturgeschichte der Haushaltstechnisierung. Campus Verlag, Frankfurt am Main, New York 2001. 431 S., 8 Abb., br., 48,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
14.05.2002, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Wegweiser durch die Geschichte der Haushaltstechnik: "Heßlers Untersuchung ist zu Recht in der Reihe 'Campus Forschung' erschienen und trotzdem für Laien gut zugänglich; sie langweilt nicht mit unwichtigen Einzelheiten."

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Martina Hessler weist in ihrem diskursgeschichtlichen Ansatz über die Technisierung des Haushalts zwischen 1920 und 1940 nach, wie unterschiedlich die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen die Erleichterungen der Hausarbeit durch technische Geräte gesehen haben. Der Rezensent Hartmut Berghoff lobt Hesslers Analyse, aus der abzulesen ist, dass die einen daraus einen politischen Auftrag der Frau ableiteten, während die anderen eher eine Chance zur Stärkung des traditionellen Rollenschemas witterten. Berhoff bedauert jedoch, dass technische und wirtschaftliche Aspekte in dieser Studie unterbelichtet bleiben und man wenig "über den Zusammenhang von Vorkriegsdiskurs und der Massenverbreitung der Geräte nach 1945" erfahre.

© Perlentaucher Medien GmbH