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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Aber auch: Ivana Dobrakovová erzählt
Nicht jeder ist vertraut mit der Aufräum-Philosophie von Marie Kondo, jener japanischen Ordnungsexpertin, deren Prinzipien in drei Bestsellern nachzulesen oder in der Netflix-Serie "Aufräumen mit Marie Kondo" nachzuschauen sind. Aber in slowakischen Intellektuellenkreisen hat man den Namen schon gehört, genauer: in einer Runde von Journalisten und Autoren, die Ivana Dobrakovová in "Mütter und Fernfahrer" beschreibt. Die Erzählerin der zweiten von fünf Erzählungen des Bandes ist allerdings eher zufällig in diesen Kreis hineingeraten, und ihre Behauptung, einen "Pferderoman" zu schreiben, dient einzig dazu, auf einen jener Intellektuellen Eindruck zu machen. In Wahrheit schreibt die Dreißigjährige weder einen Roman noch tut sie irgendetwas anderes, denn Depressionen und ihre despotische Mutter haben sie fest im Griff. Sie schnappt allerdings auf, dass Marie Kondo ihre Socken nicht rollt, sondern faltet, und so sagt sie, als ihre Mutter ihr frische Wäsche in den Schrank packt, dass es ihr lieber wäre, "wenn sie meine Socken nicht zu solch einer Knolle zusammenrollen würde, es genüge, sie einmal zu falten, damit die Fasern sich erholen könnten, (Mutter starrt) mich fassungslos an - und ich beginne hastig zu erklären, ich hätte gelesen, dass es so besser sei, doch bei diesen Worten ist es mit ihrer Beherrschung endgültig vorbei, sie rastet völlig aus".
Man könnte also meinen, dass auch die Fasern im Nervenkostüm der Mutter zu oft geknäuelt und zu selten sanft gefaltet wurden, aber um die Mutter geht es nicht. Anders als in der vierten Geschichte des Bandes, in der eine von ihren Kindern genervte und von ihrem Ehemann abgetörnte Ehefrau und Mutter Entspannung in einer Affäre sucht. Eine praktikable, wenn auch wenig originelle Vorgehensweise.
Ähnliches ließe sich über "Mütter und Fernfahrer" im Allgemeinen sagen: Ivana Dobrakovovás Erzählungen sind wenig überraschend, aber immerhin schreibt die Autorin mit einer gewissen Souveränität, verbindet die Geschichten ihrer fünf Heldinnen durch kleine Motive, arbeitet aber vor allem mit Kontrasten, das heißt, sie zeigt in ihren literarisch-soziologischen Entwürfen, dass Frauen, egal welchen Alters, welcher Nationalität und welcher Schicht, vielfältigen Fährnissen unterworfen sind. Schuld daran tragen längst nicht immer die Männer, eher schon die Mütter. Aber auch für Männer gilt, und das ließe sich anhand des Bauplans dieses Erzählungsbandes leicht vorführen: Das Leben ist nicht einfach. Die Gegenwart voller Widerstände. Und Väter machen es ihren Söhnen auch nicht immer leicht. Neue Erkenntnisse und ästhetische Erschütterungen aber sucht man besser anderswo. TOBIAS LEHMKUHL
Ivana Dobrakovová: "Mütter und
Fernfahrer". Roman.
Aus dem
Slowakischen von
Ines Sebesta.
Residenz Verlag,
Salzburg/Wien 2022. 224 S., geb., 22,- Euro.
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