Ein irrwitziger, transnationaler Reigen rund um fünf junge Frauen auf der Suche nach Selbstbestimmung, Freiheit und Sex Witziger und pointierter ist selten vom Dilemma zeitgenössischer Weiblichkeit erzählt worden: Zwischen den unerfüllbaren Forderungen der allgegenwärtigen Mütter und der Sehnsucht nach den stets abwesenden, verlockenden "Fernfahrern" versuchen fünf Frauen in Bratislava und Turin, ihr eigenes Leben zu leben. Familienbande erweisen sich dabei als genauso verhängnisvoll wie die Anforderungen des oftmals virtuellen Datings mit all seinen (falschen) Versprechungen. Ivana, Lara, Olivia, Gloria und Veronika sind hinreißend widerständige Frauen, die sich mit Humor und ungewöhnlichen Lösungen gegen die alltäglichen Zumutungen wehren und auf ihrem Glücksanspruch beharren.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Ästhetisch erschüttert" lässt dieses Erzählungsbändlein den Rezensenten Tobias Lehmkuhl zwar nicht gerade zurück, aber irgendwie hat es ihn doch ausreichend amüsiert, dass er eine Kritik darüber geschrieben hat. Diese Erzählungen so scheint es, beleuchten alltägliche Konflikte und zeigen immer wieder, wie insgesamt recht schwierig das Leben von Frauen zu sein scheint. Das liege für die Autorin nicht in erster Linie an den Männern, sondern an den Müttern, erklärt der Rezensent, auch die Männer hätten es übrigens nicht leicht. Eine gewisse Souveränität will Lehmkuhl diesen realistischen Bruchstücken aus dem Leben in der Slowakei nicht absprechen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.2023Es sind nicht immer nur die Männer
Aber auch: Ivana Dobrakovová erzählt
Nicht jeder ist vertraut mit der Aufräum-Philosophie von Marie Kondo, jener japanischen Ordnungsexpertin, deren Prinzipien in drei Bestsellern nachzulesen oder in der Netflix-Serie "Aufräumen mit Marie Kondo" nachzuschauen sind. Aber in slowakischen Intellektuellenkreisen hat man den Namen schon gehört, genauer: in einer Runde von Journalisten und Autoren, die Ivana Dobrakovová in "Mütter und Fernfahrer" beschreibt. Die Erzählerin der zweiten von fünf Erzählungen des Bandes ist allerdings eher zufällig in diesen Kreis hineingeraten, und ihre Behauptung, einen "Pferderoman" zu schreiben, dient einzig dazu, auf einen jener Intellektuellen Eindruck zu machen. In Wahrheit schreibt die Dreißigjährige weder einen Roman noch tut sie irgendetwas anderes, denn Depressionen und ihre despotische Mutter haben sie fest im Griff. Sie schnappt allerdings auf, dass Marie Kondo ihre Socken nicht rollt, sondern faltet, und so sagt sie, als ihre Mutter ihr frische Wäsche in den Schrank packt, dass es ihr lieber wäre, "wenn sie meine Socken nicht zu solch einer Knolle zusammenrollen würde, es genüge, sie einmal zu falten, damit die Fasern sich erholen könnten, (Mutter starrt) mich fassungslos an - und ich beginne hastig zu erklären, ich hätte gelesen, dass es so besser sei, doch bei diesen Worten ist es mit ihrer Beherrschung endgültig vorbei, sie rastet völlig aus".
Man könnte also meinen, dass auch die Fasern im Nervenkostüm der Mutter zu oft geknäuelt und zu selten sanft gefaltet wurden, aber um die Mutter geht es nicht. Anders als in der vierten Geschichte des Bandes, in der eine von ihren Kindern genervte und von ihrem Ehemann abgetörnte Ehefrau und Mutter Entspannung in einer Affäre sucht. Eine praktikable, wenn auch wenig originelle Vorgehensweise.
Ähnliches ließe sich über "Mütter und Fernfahrer" im Allgemeinen sagen: Ivana Dobrakovovás Erzählungen sind wenig überraschend, aber immerhin schreibt die Autorin mit einer gewissen Souveränität, verbindet die Geschichten ihrer fünf Heldinnen durch kleine Motive, arbeitet aber vor allem mit Kontrasten, das heißt, sie zeigt in ihren literarisch-soziologischen Entwürfen, dass Frauen, egal welchen Alters, welcher Nationalität und welcher Schicht, vielfältigen Fährnissen unterworfen sind. Schuld daran tragen längst nicht immer die Männer, eher schon die Mütter. Aber auch für Männer gilt, und das ließe sich anhand des Bauplans dieses Erzählungsbandes leicht vorführen: Das Leben ist nicht einfach. Die Gegenwart voller Widerstände. Und Väter machen es ihren Söhnen auch nicht immer leicht. Neue Erkenntnisse und ästhetische Erschütterungen aber sucht man besser anderswo. TOBIAS LEHMKUHL
Ivana Dobrakovová: "Mütter und
Fernfahrer". Roman.
Aus dem
Slowakischen von
Ines Sebesta.
Residenz Verlag,
Salzburg/Wien 2022. 224 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Aber auch: Ivana Dobrakovová erzählt
Nicht jeder ist vertraut mit der Aufräum-Philosophie von Marie Kondo, jener japanischen Ordnungsexpertin, deren Prinzipien in drei Bestsellern nachzulesen oder in der Netflix-Serie "Aufräumen mit Marie Kondo" nachzuschauen sind. Aber in slowakischen Intellektuellenkreisen hat man den Namen schon gehört, genauer: in einer Runde von Journalisten und Autoren, die Ivana Dobrakovová in "Mütter und Fernfahrer" beschreibt. Die Erzählerin der zweiten von fünf Erzählungen des Bandes ist allerdings eher zufällig in diesen Kreis hineingeraten, und ihre Behauptung, einen "Pferderoman" zu schreiben, dient einzig dazu, auf einen jener Intellektuellen Eindruck zu machen. In Wahrheit schreibt die Dreißigjährige weder einen Roman noch tut sie irgendetwas anderes, denn Depressionen und ihre despotische Mutter haben sie fest im Griff. Sie schnappt allerdings auf, dass Marie Kondo ihre Socken nicht rollt, sondern faltet, und so sagt sie, als ihre Mutter ihr frische Wäsche in den Schrank packt, dass es ihr lieber wäre, "wenn sie meine Socken nicht zu solch einer Knolle zusammenrollen würde, es genüge, sie einmal zu falten, damit die Fasern sich erholen könnten, (Mutter starrt) mich fassungslos an - und ich beginne hastig zu erklären, ich hätte gelesen, dass es so besser sei, doch bei diesen Worten ist es mit ihrer Beherrschung endgültig vorbei, sie rastet völlig aus".
Man könnte also meinen, dass auch die Fasern im Nervenkostüm der Mutter zu oft geknäuelt und zu selten sanft gefaltet wurden, aber um die Mutter geht es nicht. Anders als in der vierten Geschichte des Bandes, in der eine von ihren Kindern genervte und von ihrem Ehemann abgetörnte Ehefrau und Mutter Entspannung in einer Affäre sucht. Eine praktikable, wenn auch wenig originelle Vorgehensweise.
Ähnliches ließe sich über "Mütter und Fernfahrer" im Allgemeinen sagen: Ivana Dobrakovovás Erzählungen sind wenig überraschend, aber immerhin schreibt die Autorin mit einer gewissen Souveränität, verbindet die Geschichten ihrer fünf Heldinnen durch kleine Motive, arbeitet aber vor allem mit Kontrasten, das heißt, sie zeigt in ihren literarisch-soziologischen Entwürfen, dass Frauen, egal welchen Alters, welcher Nationalität und welcher Schicht, vielfältigen Fährnissen unterworfen sind. Schuld daran tragen längst nicht immer die Männer, eher schon die Mütter. Aber auch für Männer gilt, und das ließe sich anhand des Bauplans dieses Erzählungsbandes leicht vorführen: Das Leben ist nicht einfach. Die Gegenwart voller Widerstände. Und Väter machen es ihren Söhnen auch nicht immer leicht. Neue Erkenntnisse und ästhetische Erschütterungen aber sucht man besser anderswo. TOBIAS LEHMKUHL
Ivana Dobrakovová: "Mütter und
Fernfahrer". Roman.
Aus dem
Slowakischen von
Ines Sebesta.
Residenz Verlag,
Salzburg/Wien 2022. 224 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main