Kaum ein afrikanischer Politiker polarisiert so sehr wie Robert Mugabe. Ungeschönt und anschaulich erzählt Christoph Marx das Leben dieses ebenso intelligenten wie skrupellosen Diktators, der Simbabwe ins Elend stürzte. Während Mugabe im Westen als Prototyp des afrikanischen Despoten gilt, wird er in Afrika trotz seiner jahrzehntelangen Gewaltherrschaft über Simbabwe und der Zerstörung des Landes immer noch erstaunlich positiv gesehen. Doch auch in Europa wurde Mugabe lange als Befreier gepriesen. Die Vorstellung, er sei ein gefallener Revolutionär, hält sich hartnäckig. Christoph Marx zeichnet nun ein neues Bild Mugabes und zeigt, dass dem vermeintlichen Hoffnungsträger von einst von Anfang an jedes Mittel recht war, um seine alles überschattende Machtgier zu stillen.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2017Vom Bücherwurm zum Gewaltfanatiker
Erst spät geriet Robert Mugabe ins Kreuzfeuer westlicher Kritik
"Ich rufe euch dazu auf, ob ihr Schwarz oder Weiß seid, sich mir in einem neuen Gelöbnis anzuschließen, unsere grausame Vergangenheit zu vergessen, einander zu vergeben und einander in neuer Freundschaft die Hände zu reichen, und gemeinsam wird Zimbabwe über Rassismus, Tribalismus und Regionalismus triumphieren." Diese feierlichen Worte sprach Robert Mugabe 1980 bei seiner Amtseinführung als Premierminister. Die Euphorie war groß: Aus dem rassistischen Siedlerstaat Südrhodesien war das unabhängige Zimbabwe geworden, mit Mugabe, dem unangefochtenen politischen Kopf des antikolonialen Befreiungskampfes, an der Spitze. Und auf allen Seiten herrschte scheinbar guter Wille, vor allem aber bei Mugabe selbst. Er machte etwa Dennis Norman, den Präsidenten des verhassten Farmerverbandes, zum Landwirtschaftsminister. Die Weltpresse rieb sich verblüfft die Augen: Ein Weißer sollte die längst überfällige Landreform durchführen. "Der bekehrte schwarze Lenin", titelte eine Zeitung. Doch nicht nur notorische Schwarmgeister glaubten an eine künftige Demokratie mit blühender Wirtschaft. "Das Beste an Zimbabwe ist die Vitalität, der Optimismus und die Entschlossenheit der Menschen", schrieb die Schriftstellerin und spätere Nobelpreisträgerin Doris Lessing damals über das Land ihrer Kindheit.
Auf der internationalen Bühne blieb Mugabe noch lange ein gefragter Mann. "Ein kluger, besonnener Politiker, der um Ausgleich bemüht ist", pries ihn der damalige deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Mit Zimbabwe ging es überdies im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Ländern zunächst bergauf. Das Bildungswesen, das Gesundheitssystem und die Wirtschaft erblühten kurzfristig. Innenpolitisch jedoch sicherte sich Mugabe, wie Christoph Marx in seiner vorzüglichen Biographie darlegt, rasch eine ungeheure Machtfülle und agierte von Beginn an mit harter Hand gegen potentielle Konkurrenten.
Als sich Anfang der achtziger Jahre in Matabeleland im Nordosten des Landes die militanten Anhänger seines Erzrivalen Joshua Nkomo erhoben, schickte er seine in Nordkorea trainierte Eliteeinheit los. Die bekämpfte nicht nur die Rebellen, sondern richtete ein Massaker unter der Zivilbevölkerung an. Über zwanzigtausend Menschen kamen ums Leben. Mugabe beschied den Trauernden, sie hätten keinen Grund zu weinen, wenn ihre Verwandten umgebracht würden. "Wenn Männer und Frauen den Dissidenten Lebensmittel zur Verfügung stellen, werden wir sie ausrotten."
Ins Kreuzfeuer westlicher Kritik geriet Mugabe typischerweise erst, als er Ende der neunziger Jahre die weißen Farmer zu Sündenböcken für die bereits seit geraumer Zeit massiv spürbare Wirtschaftskrise stempelte und Tausende von ihnen im Rahmen seiner mit rabiaten Methoden durchgedrückten Landreform enteignete. Zwar war eine Neuregelung der ungerechten Landverteilung lange überfällig, aber die Art und Weise, wie Mugabe sie durchsetzte, erwies sich als katastrophal. Auch zweihunderttausend Landarbeiter verloren durch die Enteignungskampagne ihren Job. Das "frei gewordene" Land ging an verdiente Parteigenossen, nicht an landlose Bauern.
Die einstige Kornkammer des südlichen Afrikas wurde zum Armenhaus. Die Landwirtschaft, einst Rückgrat der Ökonomie, erodierte, die Landeswährung verfiel. Korruption nahm ein unerträgliches Ausmaß an. Die Lebenserwartung sank drastisch. Gegen innenpolitische Opponenten geht das Regime bis heute mit harscher Gewalt vor. Im Gegensatz zu anderen afrikanischen Diktatoren gelang es Mugabe trotz seiner katastrophalen Politik bisher, die Armee ruhig und auf seiner Seite zu halten.
Eine politische Karriere, schreibt Marx, war Mugabe zunächst nicht in die Wiege gelegt, 1924 in dem kleinen Dorf Kutuma im Zentrum des heutigen Zimbabwe geboren, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, wurde der "schüchterne Bücherwurm" von Jesuiten in Missionsschulen erzogen und geprägt. Nach einem Studium in Südafrika arbeitete er als Lehrer in Ghana, wo ihn die Ideen des Panafrikanisten und Sozialisten Kwame Nkrumah begeisterten. Anfang der sechziger Jahre schloss er sich der Befreiungsbewegung in seinem Heimatland an, um gegen die britische Kolonialmacht und dann gegen das Minderheitenregime der weißen Siedler zu kämpfen. Zehn Jahre verbrachte er im Gefängnis, um danach vor allem von Moçambique aus den Guerrillakampf gegen die Siedlerherrschaft zu orchestrieren. Entgegen vieler Mythen hat er nie selbst mit der Waffe gekämpft.
Der Essener Historiker Christoph Marx korrigiert ein weitverbreitetes Bild, demgemäß sich Mugabe erst im Verlauf seiner Herrschaft vom Reformer zum Tyrannen gewandelt habe. Marx zeichnet den Diktator hingegen als eine Person, die früh pragmatisch und machtbesessen agierte, und hebt politischen Opportunismus als eine Konstante seines Werdegangs hervor. Überdies habe er sich während seiner gesamten Laufbahn als unzugänglich für Kritik und unfähig zur Selbstreflexion erwiesen. Schuld für eigenes Versagen suchte er stets bei anderen und wurde mit Beginn seiner politischen Karriere rasch "ein Gewaltfanatiker ohne Empathie und Einsicht".
Marx' Darstellung von Mugabes Lebensweg ist zugleich eine differenzierte Geschichte Zimbabwes seit der Kolonialzeit. Mugabes Diktatur deutet er überzeugend als Wiedergänger der Kolonialzeit, als "Folge einer Vergangenheit, die nicht vergehen kann, weil sie intellektuell und emotional nie verarbeitet wurde, weil die Gewalt der Siedler mit der Gewalt schwarzer Nationalisten beantwortet wurde". Der rassistische Triumphalismus der Weißen, so Marx, wurde vom Triumphalismus des "Befreiungskampfes" abgelöst. Sein Fazit ist düster: Die Gewaltkultur habe eine zutiefst verängstigte und traumatisierte Gesellschaft hinterlassen und werde auch die Zeit nach Mugabe prägen. Und zitiert eine Bürgerin Zimbabwes: "Hoffnungslosigkeit angesichts unbeschreiblicher Bosheit und Gewalt ist unsere Zukunft."
ANDREAS ECKERT
Christoph Marx: Mugabe. Ein afrikanischer Tyrann. C.H. Beck Verlag, München 2017. 333 S., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Erst spät geriet Robert Mugabe ins Kreuzfeuer westlicher Kritik
"Ich rufe euch dazu auf, ob ihr Schwarz oder Weiß seid, sich mir in einem neuen Gelöbnis anzuschließen, unsere grausame Vergangenheit zu vergessen, einander zu vergeben und einander in neuer Freundschaft die Hände zu reichen, und gemeinsam wird Zimbabwe über Rassismus, Tribalismus und Regionalismus triumphieren." Diese feierlichen Worte sprach Robert Mugabe 1980 bei seiner Amtseinführung als Premierminister. Die Euphorie war groß: Aus dem rassistischen Siedlerstaat Südrhodesien war das unabhängige Zimbabwe geworden, mit Mugabe, dem unangefochtenen politischen Kopf des antikolonialen Befreiungskampfes, an der Spitze. Und auf allen Seiten herrschte scheinbar guter Wille, vor allem aber bei Mugabe selbst. Er machte etwa Dennis Norman, den Präsidenten des verhassten Farmerverbandes, zum Landwirtschaftsminister. Die Weltpresse rieb sich verblüfft die Augen: Ein Weißer sollte die längst überfällige Landreform durchführen. "Der bekehrte schwarze Lenin", titelte eine Zeitung. Doch nicht nur notorische Schwarmgeister glaubten an eine künftige Demokratie mit blühender Wirtschaft. "Das Beste an Zimbabwe ist die Vitalität, der Optimismus und die Entschlossenheit der Menschen", schrieb die Schriftstellerin und spätere Nobelpreisträgerin Doris Lessing damals über das Land ihrer Kindheit.
Auf der internationalen Bühne blieb Mugabe noch lange ein gefragter Mann. "Ein kluger, besonnener Politiker, der um Ausgleich bemüht ist", pries ihn der damalige deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Mit Zimbabwe ging es überdies im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Ländern zunächst bergauf. Das Bildungswesen, das Gesundheitssystem und die Wirtschaft erblühten kurzfristig. Innenpolitisch jedoch sicherte sich Mugabe, wie Christoph Marx in seiner vorzüglichen Biographie darlegt, rasch eine ungeheure Machtfülle und agierte von Beginn an mit harter Hand gegen potentielle Konkurrenten.
Als sich Anfang der achtziger Jahre in Matabeleland im Nordosten des Landes die militanten Anhänger seines Erzrivalen Joshua Nkomo erhoben, schickte er seine in Nordkorea trainierte Eliteeinheit los. Die bekämpfte nicht nur die Rebellen, sondern richtete ein Massaker unter der Zivilbevölkerung an. Über zwanzigtausend Menschen kamen ums Leben. Mugabe beschied den Trauernden, sie hätten keinen Grund zu weinen, wenn ihre Verwandten umgebracht würden. "Wenn Männer und Frauen den Dissidenten Lebensmittel zur Verfügung stellen, werden wir sie ausrotten."
Ins Kreuzfeuer westlicher Kritik geriet Mugabe typischerweise erst, als er Ende der neunziger Jahre die weißen Farmer zu Sündenböcken für die bereits seit geraumer Zeit massiv spürbare Wirtschaftskrise stempelte und Tausende von ihnen im Rahmen seiner mit rabiaten Methoden durchgedrückten Landreform enteignete. Zwar war eine Neuregelung der ungerechten Landverteilung lange überfällig, aber die Art und Weise, wie Mugabe sie durchsetzte, erwies sich als katastrophal. Auch zweihunderttausend Landarbeiter verloren durch die Enteignungskampagne ihren Job. Das "frei gewordene" Land ging an verdiente Parteigenossen, nicht an landlose Bauern.
Die einstige Kornkammer des südlichen Afrikas wurde zum Armenhaus. Die Landwirtschaft, einst Rückgrat der Ökonomie, erodierte, die Landeswährung verfiel. Korruption nahm ein unerträgliches Ausmaß an. Die Lebenserwartung sank drastisch. Gegen innenpolitische Opponenten geht das Regime bis heute mit harscher Gewalt vor. Im Gegensatz zu anderen afrikanischen Diktatoren gelang es Mugabe trotz seiner katastrophalen Politik bisher, die Armee ruhig und auf seiner Seite zu halten.
Eine politische Karriere, schreibt Marx, war Mugabe zunächst nicht in die Wiege gelegt, 1924 in dem kleinen Dorf Kutuma im Zentrum des heutigen Zimbabwe geboren, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, wurde der "schüchterne Bücherwurm" von Jesuiten in Missionsschulen erzogen und geprägt. Nach einem Studium in Südafrika arbeitete er als Lehrer in Ghana, wo ihn die Ideen des Panafrikanisten und Sozialisten Kwame Nkrumah begeisterten. Anfang der sechziger Jahre schloss er sich der Befreiungsbewegung in seinem Heimatland an, um gegen die britische Kolonialmacht und dann gegen das Minderheitenregime der weißen Siedler zu kämpfen. Zehn Jahre verbrachte er im Gefängnis, um danach vor allem von Moçambique aus den Guerrillakampf gegen die Siedlerherrschaft zu orchestrieren. Entgegen vieler Mythen hat er nie selbst mit der Waffe gekämpft.
Der Essener Historiker Christoph Marx korrigiert ein weitverbreitetes Bild, demgemäß sich Mugabe erst im Verlauf seiner Herrschaft vom Reformer zum Tyrannen gewandelt habe. Marx zeichnet den Diktator hingegen als eine Person, die früh pragmatisch und machtbesessen agierte, und hebt politischen Opportunismus als eine Konstante seines Werdegangs hervor. Überdies habe er sich während seiner gesamten Laufbahn als unzugänglich für Kritik und unfähig zur Selbstreflexion erwiesen. Schuld für eigenes Versagen suchte er stets bei anderen und wurde mit Beginn seiner politischen Karriere rasch "ein Gewaltfanatiker ohne Empathie und Einsicht".
Marx' Darstellung von Mugabes Lebensweg ist zugleich eine differenzierte Geschichte Zimbabwes seit der Kolonialzeit. Mugabes Diktatur deutet er überzeugend als Wiedergänger der Kolonialzeit, als "Folge einer Vergangenheit, die nicht vergehen kann, weil sie intellektuell und emotional nie verarbeitet wurde, weil die Gewalt der Siedler mit der Gewalt schwarzer Nationalisten beantwortet wurde". Der rassistische Triumphalismus der Weißen, so Marx, wurde vom Triumphalismus des "Befreiungskampfes" abgelöst. Sein Fazit ist düster: Die Gewaltkultur habe eine zutiefst verängstigte und traumatisierte Gesellschaft hinterlassen und werde auch die Zeit nach Mugabe prägen. Und zitiert eine Bürgerin Zimbabwes: "Hoffnungslosigkeit angesichts unbeschreiblicher Bosheit und Gewalt ist unsere Zukunft."
ANDREAS ECKERT
Christoph Marx: Mugabe. Ein afrikanischer Tyrann. C.H. Beck Verlag, München 2017. 333 S., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Überaus lesenswert."
dpa Hannover, 06. Februar 2018
"Gut lesbare, faktenreiche und akribische Beweisführung, wie aus einem frommen Kind und Lehrer ein afrikanischer Tyrann wurde."
welt-sichten, 25. Januar 2018 '
"Marx korrigiert ein weit verbreitetes Bild, demgemäß sich Mugabe erst im Verlauf seiner Herrschaft vom Reformer zum Tyrannen entwickelt habe (...) zugleich eine differenzierte Geschichte Zimbabwes."
Andreas Eckert, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. Dezember 2017
dpa Hannover, 06. Februar 2018
"Gut lesbare, faktenreiche und akribische Beweisführung, wie aus einem frommen Kind und Lehrer ein afrikanischer Tyrann wurde."
welt-sichten, 25. Januar 2018 '
"Marx korrigiert ein weit verbreitetes Bild, demgemäß sich Mugabe erst im Verlauf seiner Herrschaft vom Reformer zum Tyrannen entwickelt habe (...) zugleich eine differenzierte Geschichte Zimbabwes."
Andreas Eckert, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. Dezember 2017