Nicht Walter Gropius steht in dieser Geschichte im Rampenlicht (er hat sich zeitlebens selbst gehörig in Szene gesetzt), sondern seine geliebten, klugen, gebildeten, tatkräftigen Gehilfinnen: Manon Gropius, Alma Mahler, Lily Hildebrandt, Maria Benemann und Ise Gropius. Hinter jedem erfolgreichen Mann stehe eine starke Frau, sagt der Volksmund. Dass diese überaus begabten Frauen zeitlebens im Schatten von Gropius und anderen Männern standen, ist die bedauerliche Pointe dieser liebevollen Skizze.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.2019Ich revolutioniere ganz Köln für das Bauhaus!
Als feministische Vorbilder nur bedingt geeignet: Zwei Bücher über Frauen im Leben von Walter Gropius
Tippt man ihren Namen in eine Suchmaschine ein, erscheinen nur zwei halbwegs brauchbare deutschsprachige Treffer - das Netz scheint von dieser Frau noch nicht viel gehört zu haben. Da ist zum einen ein dürftiger Wikipedia-Eintrag, und da ist zum anderen ein Artikel auf der Website zum hundertjährigen Bauhaus-Jubiläum. Unter der Rubrik "Personen aus dem Umfeld des Bauhauses" ist sie dort zu finden: Ise Gropius, die zweite Frau des Bauhaus-Gründers Walter Gropius, der sie, so heißt es, "liebevoll ,Frau Bauhaus'" nannte.
Und weil das so eingängig klingt - Frau Bauhaus -, taucht die Formulierung in den Titeln gleich zweier neuer Bücher auf. Die Architektin und Autorin Ursula Muscheler widmet sich den Frauen im Leben des Walter Gropius; Jana Revedin, Professorin für Architektur und Städtebau, nimmt in ihrem biographischen Roman nur eine einzige von ihnen in den Blick, Ise Gropius.
Ihren Beinamen "Frau Bauhaus" erhielt sie, das erwähnen beide Autorinnen, ursprünglich nicht etwa von ihrem Mann, sondern als sie im Jahr 1924 im Rheinland unterwegs war, um die "Werbetrommel für das Bauhaus zu rühren", so Muscheler. Die 1919 in Weimar gegründete Reformschule brauchte dringend einen neuen Standort. Das politische Klima in Thüringen war ungemütlich geworden, konservative und rechte Kräfte sägten am Ast des weltoffenen, avantgardistischen und vermeintlich unrentablen Bauhauses. Ise ließ ihre Kontakte zur Jugendfreundin Gussie und deren Ehemann Konrad Adenauer spielen: "Ich revolutioniere ganz Köln samt dem Oberbürgermeister fürs Bauhaus und nun soll es gar hierher!", berichtete sie stolz an Gropius. "Alle nennen mich hier ,Frau Bauhaus'!"
Doch bevor die 1897 geborene Ise Frank in Gropius' Leben trat, hatte er es schon mit ein paar anderen Damen versucht, allesamt wie sie attraktiv, gebildet, talentiert. Los ging es mit Alma Mahler, noch zu Zeiten von deren Ehe mit Gustav Mahler; doch ihr gefiel Gropius schließlich mehr und mehr nur halbgut, da doch der Mann an ihrer Seite ein wahrer Künstler, reich und erfolgreich sein sollte - was für Gropius (noch) nicht galt.
Nachdem aber Mahler 1911 gestorben war und sich Oskar Kokoschka zwar als geniehaft, aber auch anstrengend entpuppt hatte, heiratete sie 1915 doch Gropius. Die Ehe scheiterte, bevor sie überhaupt richtig begann: Gropius suchte nach einer Frau, die ihr Leben dem seinen unterordnete, ihn unterstützte, seine Karriere förderte. Alma hingegen brauchte einen Mann, dem sie begehrenswerte Muse sein und in dessen Glanz sie sich sonnen konnte. In den folgenden Beziehungen war Gropius stets bemüht, allzu feste Bindung zu vermeiden. Er wurde zu Walter Wanderstern. "Maria, ich bin ein Wanderstern in diesem Weltraum, ich kenne nicht Anker, nicht Ketten, ich binde mich nirgends und an niemand", erläuterte er etwa im Frühjahr 1920 der Schriftstellerin Maria Benemann.
Unterhaltsam, pointiert und mit viel Ironie seziert Muscheler die Liebesbriefe des Bauhaus-Direktors, nicht nur an Benemann, sondern zum Beispiel auch an die verheiratete Malerin Lily Hildebrandt. Der Wanderstern kam dabei mehrfach zum Einsatz, die Vorstellung, dass in der Liebe alles Geschenk sei und man deshalb nichts voneinander erwarten dürfe, wurde Gropius', so Muscheler, bewährte Abwehrstrategie. Mit feministischer Vorbildlichkeit könne keine der Gropius-Frauen glänzen. Sie alle hätten zwar eigene künstlerische Ambitionen gehabt, seien jedoch schnell bereit gewesen, in alte Geschlechterrollen zurückzufallen. "Übergangsgeschöpfe", resümiert Muscheler, seien sie gewesen, die "ihren Weg zwischen alten Rollenzuschreibungen und neuem Selbstbewusstsein suchten und nicht so recht fanden".
Das galt auch für die Buchhändlerin und angehende Journalistin Ise Frank. 1923 lernte sie Gropius kennen. Er glaubte, endlich eine echte Gefährtin gefunden zu haben, und umwarb sie stürmisch, sie löste kurzerhand eine bestehende Verlobung und wurde seine Frau. Ausführlich schildert Jana Revedin in ihrem biographischen Roman, wie Ise Gropius sich mit unermüdlichem Eifer dem Bauhaus verschrieb - und darüber ihre eigene Laufbahn als Journalistin ad acta legte. "Die Bauhaus-Idee wurde zu meinem zweiten Ich", sagte sie Jahre später in einem Interview. Sie war Sekretärin, Unternehmensberaterin und Pressesprecherin in Personalunion, sie pflegte wichtige Kontakte, redigierte die Vorträge ihres Mannes, und schrieb Artikel (meist in seinem Namen). Sie arrangierte auch eine Neuansiedlung des Bauhauses in Köln (die Wahl fiel dann allerdings auf Dessau), ließ den Namen "Bauhaus" als Marke schützen und trieb immer wieder neue Geldquellen auf. Früh erkannte sie die Bedrohung durch die Nationalsozialisten und feilte daran, das Bauhaus so populär zu machen, dass seine Ideen in den Vereinigten Staaten, wohin dann auch viele Bauhäusler flohen, weiterleben könnten.
Die Beziehung zwischen Ise und Gropius beruhte weniger auf romantischer Liebe als auf einem tiefen Verbunden- und Verbündetsein. Wahrhaft geliebt hat Ise Gropius in den Bauhaus-Jahren dagegen, folgt man Revedins Ausführungen, eine Frau: die Fotografin Irene (Bayer-)Hecht, die heute kaum bekannt ist. Revedin schildert sie als freigeistig und selbstbewusst, sie war Ise Gropius' enge Vertraute und vielleicht auch Geliebte. Mag sein, dass sie mit dem Bauhaus-Direktor nicht zimperlich umging. "Und wehe, Sie finden bis zum Martinstag keinen Bauhaus-Standort! Dann schiffen wir uns ein, Ihre Frau und ich, zum Beispiel nach (. . .) New York?", lässt Revedin sie zu Gropius sagen, nachdem der sich 1924 wegen einer Affäre wochenlang nicht bei seiner Frau gemeldet hatte, obwohl das Bauhaus dringend umziehen musste.
Wo aber hört bei Revedin Realität auf, wo fängt Fiktion an? Hat ein solches Treffen zwischen Hecht und Gropius, bei dem sie ihm die Meinung geigte, jemals stattgefunden? Welche gesicherten Hinweise gibt es für die enge Beziehung zwischen Ise Gropius und Irene Hecht? Denn bei Muscheler zum Beispiel ist davon keine Rede. Was ist Revedins Erfindung, was ist den Quellen zu entnehmen? Vielleicht hätte die Autorin doch besser daran getan, ihr umfassendes Wissen und ihre jahrelange Recherche in eine Biographie anstatt in einen biographischen Roman zu stecken. Zumal zu Leben und Wirken von Ise Gropius bisher kaum etwas publiziert ist.
KATHARINA RUDOLPH.
Ursula Muscheler: "Mutter, Muse und Frau Bauhaus". Die Frauen um Walter Gropius.
Berenberg Verlag, Berlin 2018. 160 S., geb., 24,- [Euro].
Jana Revedin: "Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus". Das Leben der Ise Frank.
Dumont Buchverlag, Köln 2018. 288 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als feministische Vorbilder nur bedingt geeignet: Zwei Bücher über Frauen im Leben von Walter Gropius
Tippt man ihren Namen in eine Suchmaschine ein, erscheinen nur zwei halbwegs brauchbare deutschsprachige Treffer - das Netz scheint von dieser Frau noch nicht viel gehört zu haben. Da ist zum einen ein dürftiger Wikipedia-Eintrag, und da ist zum anderen ein Artikel auf der Website zum hundertjährigen Bauhaus-Jubiläum. Unter der Rubrik "Personen aus dem Umfeld des Bauhauses" ist sie dort zu finden: Ise Gropius, die zweite Frau des Bauhaus-Gründers Walter Gropius, der sie, so heißt es, "liebevoll ,Frau Bauhaus'" nannte.
Und weil das so eingängig klingt - Frau Bauhaus -, taucht die Formulierung in den Titeln gleich zweier neuer Bücher auf. Die Architektin und Autorin Ursula Muscheler widmet sich den Frauen im Leben des Walter Gropius; Jana Revedin, Professorin für Architektur und Städtebau, nimmt in ihrem biographischen Roman nur eine einzige von ihnen in den Blick, Ise Gropius.
Ihren Beinamen "Frau Bauhaus" erhielt sie, das erwähnen beide Autorinnen, ursprünglich nicht etwa von ihrem Mann, sondern als sie im Jahr 1924 im Rheinland unterwegs war, um die "Werbetrommel für das Bauhaus zu rühren", so Muscheler. Die 1919 in Weimar gegründete Reformschule brauchte dringend einen neuen Standort. Das politische Klima in Thüringen war ungemütlich geworden, konservative und rechte Kräfte sägten am Ast des weltoffenen, avantgardistischen und vermeintlich unrentablen Bauhauses. Ise ließ ihre Kontakte zur Jugendfreundin Gussie und deren Ehemann Konrad Adenauer spielen: "Ich revolutioniere ganz Köln samt dem Oberbürgermeister fürs Bauhaus und nun soll es gar hierher!", berichtete sie stolz an Gropius. "Alle nennen mich hier ,Frau Bauhaus'!"
Doch bevor die 1897 geborene Ise Frank in Gropius' Leben trat, hatte er es schon mit ein paar anderen Damen versucht, allesamt wie sie attraktiv, gebildet, talentiert. Los ging es mit Alma Mahler, noch zu Zeiten von deren Ehe mit Gustav Mahler; doch ihr gefiel Gropius schließlich mehr und mehr nur halbgut, da doch der Mann an ihrer Seite ein wahrer Künstler, reich und erfolgreich sein sollte - was für Gropius (noch) nicht galt.
Nachdem aber Mahler 1911 gestorben war und sich Oskar Kokoschka zwar als geniehaft, aber auch anstrengend entpuppt hatte, heiratete sie 1915 doch Gropius. Die Ehe scheiterte, bevor sie überhaupt richtig begann: Gropius suchte nach einer Frau, die ihr Leben dem seinen unterordnete, ihn unterstützte, seine Karriere förderte. Alma hingegen brauchte einen Mann, dem sie begehrenswerte Muse sein und in dessen Glanz sie sich sonnen konnte. In den folgenden Beziehungen war Gropius stets bemüht, allzu feste Bindung zu vermeiden. Er wurde zu Walter Wanderstern. "Maria, ich bin ein Wanderstern in diesem Weltraum, ich kenne nicht Anker, nicht Ketten, ich binde mich nirgends und an niemand", erläuterte er etwa im Frühjahr 1920 der Schriftstellerin Maria Benemann.
Unterhaltsam, pointiert und mit viel Ironie seziert Muscheler die Liebesbriefe des Bauhaus-Direktors, nicht nur an Benemann, sondern zum Beispiel auch an die verheiratete Malerin Lily Hildebrandt. Der Wanderstern kam dabei mehrfach zum Einsatz, die Vorstellung, dass in der Liebe alles Geschenk sei und man deshalb nichts voneinander erwarten dürfe, wurde Gropius', so Muscheler, bewährte Abwehrstrategie. Mit feministischer Vorbildlichkeit könne keine der Gropius-Frauen glänzen. Sie alle hätten zwar eigene künstlerische Ambitionen gehabt, seien jedoch schnell bereit gewesen, in alte Geschlechterrollen zurückzufallen. "Übergangsgeschöpfe", resümiert Muscheler, seien sie gewesen, die "ihren Weg zwischen alten Rollenzuschreibungen und neuem Selbstbewusstsein suchten und nicht so recht fanden".
Das galt auch für die Buchhändlerin und angehende Journalistin Ise Frank. 1923 lernte sie Gropius kennen. Er glaubte, endlich eine echte Gefährtin gefunden zu haben, und umwarb sie stürmisch, sie löste kurzerhand eine bestehende Verlobung und wurde seine Frau. Ausführlich schildert Jana Revedin in ihrem biographischen Roman, wie Ise Gropius sich mit unermüdlichem Eifer dem Bauhaus verschrieb - und darüber ihre eigene Laufbahn als Journalistin ad acta legte. "Die Bauhaus-Idee wurde zu meinem zweiten Ich", sagte sie Jahre später in einem Interview. Sie war Sekretärin, Unternehmensberaterin und Pressesprecherin in Personalunion, sie pflegte wichtige Kontakte, redigierte die Vorträge ihres Mannes, und schrieb Artikel (meist in seinem Namen). Sie arrangierte auch eine Neuansiedlung des Bauhauses in Köln (die Wahl fiel dann allerdings auf Dessau), ließ den Namen "Bauhaus" als Marke schützen und trieb immer wieder neue Geldquellen auf. Früh erkannte sie die Bedrohung durch die Nationalsozialisten und feilte daran, das Bauhaus so populär zu machen, dass seine Ideen in den Vereinigten Staaten, wohin dann auch viele Bauhäusler flohen, weiterleben könnten.
Die Beziehung zwischen Ise und Gropius beruhte weniger auf romantischer Liebe als auf einem tiefen Verbunden- und Verbündetsein. Wahrhaft geliebt hat Ise Gropius in den Bauhaus-Jahren dagegen, folgt man Revedins Ausführungen, eine Frau: die Fotografin Irene (Bayer-)Hecht, die heute kaum bekannt ist. Revedin schildert sie als freigeistig und selbstbewusst, sie war Ise Gropius' enge Vertraute und vielleicht auch Geliebte. Mag sein, dass sie mit dem Bauhaus-Direktor nicht zimperlich umging. "Und wehe, Sie finden bis zum Martinstag keinen Bauhaus-Standort! Dann schiffen wir uns ein, Ihre Frau und ich, zum Beispiel nach (. . .) New York?", lässt Revedin sie zu Gropius sagen, nachdem der sich 1924 wegen einer Affäre wochenlang nicht bei seiner Frau gemeldet hatte, obwohl das Bauhaus dringend umziehen musste.
Wo aber hört bei Revedin Realität auf, wo fängt Fiktion an? Hat ein solches Treffen zwischen Hecht und Gropius, bei dem sie ihm die Meinung geigte, jemals stattgefunden? Welche gesicherten Hinweise gibt es für die enge Beziehung zwischen Ise Gropius und Irene Hecht? Denn bei Muscheler zum Beispiel ist davon keine Rede. Was ist Revedins Erfindung, was ist den Quellen zu entnehmen? Vielleicht hätte die Autorin doch besser daran getan, ihr umfassendes Wissen und ihre jahrelange Recherche in eine Biographie anstatt in einen biographischen Roman zu stecken. Zumal zu Leben und Wirken von Ise Gropius bisher kaum etwas publiziert ist.
KATHARINA RUDOLPH.
Ursula Muscheler: "Mutter, Muse und Frau Bauhaus". Die Frauen um Walter Gropius.
Berenberg Verlag, Berlin 2018. 160 S., geb., 24,- [Euro].
Jana Revedin: "Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus". Das Leben der Ise Frank.
Dumont Buchverlag, Köln 2018. 288 S., geb., 22,- [Euro].
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