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Abstecher nach Afrika: Der Theaterintendant Christoph Nix legt mit "Muzungu" einen politischen Krimi vor
Christoph Nix ist Theaterintendant in Konstanz. Noch, denn 2020 endet sein Vertrag dort. Eine Verlängerung hat ihm die Stadt nach langem Hin und Her verweigert. Nix wollte zumindest ein halbes Jahr mehr herausschlagen, um sein geplantes Großprojekt "Atlantis" gut zum Abschluss zu bringen: Zwischen April und Juni 2020 soll nämlich von Konstanz aus ein Theaterschiff in See stechen, auf dem sich allerlei Figuren aus der griechischen Antike tummeln und gemeinsam nach der verschwundenen Republik Atlantis Ausschau halten werden.
Seit langer Zeit arbeitet Nix, der früher als Strafverteidiger tätig war und seit Studientagen mit Bundespräsident Frank Walter Steinmeier befreundet ist, mit afrikanischen Theatern zusammen, veranstaltet Workshops, organisiert Gastspiele. Seine Erlebnisse dort hat er jetzt in einem politischen Kriminalroman verarbeitet. Der Titel "Muzungu" - ein afrikanischer Ausdruck, um Europäer zu bezeichnen - gibt einen entscheidenden Hinweis, den man aber in bester Krimimanier erst ganz am Schluss des Buches versteht. Vorher begegnet man einem aidskranken Präsidenten mitsamt seiner machtgierigen Gattin, einem schwulen schwedischen Kulturattaché, in dessen Haus eine tote Frau gefunden wird, zwei beherzten ugandischen Kommissaren, die nicht recht wissen, wohin mit ihrer Ermittlungslust, und einem dicken Italiener, der bei einer Paddeltour auf dem Lake Mburo aus dem Boot kippt und von einer Horde Nilkrokodile den Unterschenkel abgerissen bekommt.
Die junge Frau, um deren Mord es geht, ist die schwedische Ärztin Liv Utstedt, die sich in Uganda nicht nur bei "Ärzte ohne Grenzen" engagierte, sondern auch versucht hatte, die geheime Zusammenarbeit der ugandischen Regierung mit der sogenannten Widerstandsarmee von Joseph Kony bei der Ausbeutung von Edelmetallen aufzudecken. Insbesondere den Goldschmuggel aus dem Kongo hatte sie ins Visier genommen, sich für Wirtschaftssanktionen gegen Uganda eingesetzt und sich dabei nach allgemeiner Ansicht zu energisch in die inneren Angelegenheiten ihres Gastlandes eingemischt. Der Verdacht fällt schnell auf die politische Führung - ein Auftragsmord aus dem Präsidentenpalast scheint naheliegend, vor allem da eine frühere Liebesaffäre zwischen Liv und dem Präsidenten während seiner Exilzeit in Göteborg ans Tageslicht kommt.
Aber bald schon tauchen andere Verdachtsmomente auf - eine Fährte führt zurück in das Schweden der achtziger Jahre, als Ministerpräsident Olof Palme wohl im Auftrag eines schwedischen Unternehmers, der geheime Geschäfte mit Südafrika machte, erschossen wurde. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Mordanschlägen? Und welche Rolle spielt dabei Philipp Lang, ein plastischer Chirurg aus Deutschland?
Nix steigert die Spannung mit seiner unverschnörkelten Prosa von Kapitel zu Kapitel. Immer wieder baut er Exkurse ein, in denen man Land und Leute kennenlernt. Einmal fährt der Präsident zur Erholung in eine Safari Lodge, beobachtet von der Veranda aus die Paviane, das Licht wird schwächer, über der Savanne steigt Dunst auf und später auf dem Flugplatz reicht der Wärter Matokelikör. Man erfährt eine Menge über die unsteten politischen Verhältnisse in Uganda - der "Perle in Afrikas Krone", wie es in der Nationalhymne heißt -, aber Nix' Erzählung läuft eben nicht auf das gewöhnliche Klischee-Kolorit von Armut, Korruption und Krankheit hinaus. Im Gegenteil wird hier um die eigentliche Handlung so facettenreich herumerzählt, dass das Buch auch krimiferne Leser bis zum Schluss zu fesseln vermag.
Dass in Uganda sechsunddreißig verschiedene Rosensorten angebaut werden und man am besten "Matatu" ruft, wenn man ein Sammeltaxi braucht, sind darüber hinaus ganz praktische Wissensbestände, die man aus der Lektüre zieht. Da verzeiht man dem Erzähler auch, dass er ein wenig zu viele Nebenfiguren auftreten lässt und sich den ein oder anderen Anachronismus erlaubt - mehrmals werden beispielsweise "Platten aufgelegt". Nix, der neben einem autobiographischen Achtundsechziger-Roman auch schon eine empirische Studie zu den Herrschaftsverhältnissen im deutschen Theater vorgelegt hat, ist mit "Muzungu" ein schöner Ausbruch aus den Konventionen seiner Profession gelungen.
SIMON STRAUSS
Christoph Nix: "Muzungu". Roman.
Transit Verlag, Berlin 2018.
208 S., geb., 20,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
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