„Wir sind genau jetzt gezwungen, unsere Einstellung zur Welt zu verändern.“ (Jonas Eika) Mit seinem Debüt hat er eines jener Bücher geschrieben, die die Literatur an einen neuen Ort führen.
Ein IT-Berater stellt fest, dass die Bank, für die er arbeitet, mitten in Kopenhagen in einem Krater versunken ist. Ein Ehepaar lässt sich in der Wüste Nevadas nieder, wo die Menschen auf das Erscheinen von Außerirdischen warten. Eine Obdachlose findet in den grauen Trümmern Londons ein Zuhause und verliert es wieder. Und unter dem knallblauen Himmel Cancuns tragen scheinbar gefügige Beach Boys den reichen Urlaubern die Sonnenschirme hinterher. Fünf sinnliche, geheimnisvolle Erzählungen über dunkles Begehren und kapitalistische Ausbeutung, über Liebe, Hoffnung und Solidarität in einer unsicheren, technologisch flirrenden Welt, in der Körper, Himmel und Licht die einzigen Konstanten sind. Jonas Eika hat eines jener Bücher geschrieben, die die Literatur an einen neuen Ort führen.
Ein IT-Berater stellt fest, dass die Bank, für die er arbeitet, mitten in Kopenhagen in einem Krater versunken ist. Ein Ehepaar lässt sich in der Wüste Nevadas nieder, wo die Menschen auf das Erscheinen von Außerirdischen warten. Eine Obdachlose findet in den grauen Trümmern Londons ein Zuhause und verliert es wieder. Und unter dem knallblauen Himmel Cancuns tragen scheinbar gefügige Beach Boys den reichen Urlaubern die Sonnenschirme hinterher. Fünf sinnliche, geheimnisvolle Erzählungen über dunkles Begehren und kapitalistische Ausbeutung, über Liebe, Hoffnung und Solidarität in einer unsicheren, technologisch flirrenden Welt, in der Körper, Himmel und Licht die einzigen Konstanten sind. Jonas Eika hat eines jener Bücher geschrieben, die die Literatur an einen neuen Ort führen.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.08.2020Bis die Erde lila leuchtet
Völlig neuer Ton der Zukunftserzählung: Der dänische Shooting-Star
Jonas Eika überschreitet mit seinen Novellen körperliche Grenzen
VON SOPHIE WENNERSCHEID
Die Operation am offenen Herzen ist eine riskante, aber medizinisch anerkannte Maßnahme zur Lebensrettung. Weniger gefährlich, aber weitaus umstrittener ist die Arbeit sogenannter Bodyhacker, die Menschen Nahfrequenz-Chips injizieren, um damit Türen zu öffnen oder elektronische Geräte zu steuern. Hier geht es nicht um die Rettung von Leben, sondern um die technologisch induzierte Optimierung des Menschen.
In der Novellensammlung „Nach der Sonne“ des dänischen Autors Jonas Eika kommt es zu sehr viel bizarreren Eingriffen in den menschlichen Körper. In „Rachel, Nevada“, der mittleren der fünf Novellen, lesen wir von einem alten Mann, Antonio, der nach dem Tod seiner zwei erwachsenen Töchter ein neues Zuhause für seine Gefühle sucht. Er wird es in der unendlichen Weite der Wüste Nevadas finden.
Während seine Frau sich den örtlichen Ufologen angeschlossen hat und ihnen im örtlichen Pub Little A’Lee’Inn Vorträge über Science Fiction hält, wandert Antonio nachts in der Wüste umher und entdeckt dort einen Gegenstand, der an den schwarzen Monolithen aus Stanley Kubricks „2001: A Space Odyssey“ von 1968 erinnert und einen merkwürdigen Ton von sich gibt, eine Art Schrei. Der Schrei des Gegenstandes, den der Mann „den Sender“ nennt, verfügt über eine gleichsam magische Wirkung. Alle Wüstenpflanzen, Kriech- und auch Säugetiere zieht es zu ihm hin: „In einem verfilzten Knäuel aus Fell und Schnauzen schoben sie sich aneinander vorbei, ein Mufflon, drei Gabelböcke und eine Flut von Präriehasen.“
Antonio jedoch will dem Sender noch ganz anders nahe sein als die anschmiegsamen Tiere. Und drei Jahre nach der Entdeckung des Senders ist er endlich bereit. Er bricht ein Stück aus dem anorganischen Körper des Senders heraus, fügt sich einen tiefen Schnitt in die Luftröhre zu und implantiert das Teilstück in die eigene Kehle. Kaum kann er den Schmerz aushalten. Doch nicht ein einfacher Schmerzensschrei ist hier gefragt. Antonio muss den Schrei des Senders in sich selbst erzeugen. Nur so kann er mit dem obskuren Objekt der Begierde eins werden. Und es gelingt. Er schreit, er singt, es ist so, „als würde jemand oder etwas seine Kehle zum Klingen bringen und als Nebeneffekt die Erinnerung eines fernen, wüstenartigen Lebens aktivieren“.
Auch in der zweigeteilten Novelle „Bad Mexican Dog“ werden Körpergrenzen aufgehoben und damit eine neue Form von Gemeinschaft zelebriert. Ein 15-jähriger Ich-Erzähler berichtet im ersten Teil von Beachboys, die im mexikanischen Urlaubsparadies Cancún ihr Geld verdienen, indem sie sich reichen Touristen gefällig machen. Als einer der Boys im Affekt von einem Besucher erschlagen wird, praktizieren die anderen ein erotisch-mystisches Ritual. Sie versammeln sich um den Leichnam, stimmen einen repetitiven Gesang an und haben mit umgekehrt in den Sand gesteckten Sonnenschirmen Analsex bis Blut und Sperma fließen und den toten Ginger ins Leben zurückholen.
Doch nicht nur das, was erzählt wird, mutet seltsam an, auch die Art des Erzählens taucht die Szene in ein schräges Licht. Wie die verschiedenen Dinge – die Liegestühle, die Menschen, das Meer selbst – ihre Kontur verlieren und wieder Form annehmen, löst sich die feste Struktur mancher Sätze auf. „Als wir auf der Umkleidebank sitzen, orange funkelnde Messer in Orange die Sonne versunken in Booten und Meer, steht Manu auf und zieht mich ins Bassin.“ Die Frage, was hier geschieht, treibt nicht nur Eikas Leserinnen und Leser um, sondern es stellt sie in der Novelle auch ein junges Paar aus Dänemark, das am Strand von Mexiko Urlaub macht.
In einer vom übrigen Text abgehobenen Schrifttype wird erzählt, wie die beiden sich darauf einlassen, bei einem Kurzfilm mitzumachen, den einer der Beachboys drehen will. Er selbst wolle einen Hund spielen, der ihr die Füße leckt, die junge Frau solle ihn demütigen, ihr Freund möge das bitte filmen. Darauf einzugehen, ist keine gute Idee. Das stellt sich spätestens im zweiten Teil der Novelle heraus, die den Band abschließt und von der wir dann auch verstehen, warum sie den Titel „Bad Mexican Dog“ trägt.
Doch nicht das Hundethema und das damit in den Erzählraum gestellte Problem von Macht und Kapital, Unterwerfung und Betrug, steht im Zentrum der Erzählung, sondern die eigenartigen Facetten einer Sinnlichkeit, die in die Welt eingreift und sie formt. Eine Sinnlichkeit, die brutal anmutet, die aber auch eng mit der Kraft des Poetischen verwoben ist. Dinge und Worte hängen in Eikas erzählter Welt auf eine Art und Weise zusammen, die es in der entzauberten Spätmoderne eigentlich nicht mehr geben kann. Eikas Figuren können so singen, dass sich über dem Wasser, das schleimig ist vor Ejakulat, ein Körper materialisiert und zum Resonanzraum für das Gesungene wird. Sänger und Gesungenes werden eins: „Als das Wort das Ding ergriff, nahm das Ding das Wort zu sich und zog es mit einem Platschen ins Wasser hinab.“ Eine posthumane Schöpfungsmythologie, die den ersten Versen des Johannesevangeliums nachgebildet ist. „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott“ – und etwas später, wir wissen es, wird es Fleisch. An performativer Kraft steht Eikas Sprachmagie der des Johannes in nichts nach. Nur dass das singend geschaffene Ding mit einem Platsch ins Wasser fällt, nimmt dem Geschehen etwas von seiner Aura des Weihevollen und lässt Humor aufblitzen.
Mit „Nach der Sonne“ schafft der 1991 geborene Eika eine neue Form der Zukunftserzählung. Dystopie und Utopie verschmelzen im lila-orange flirrenden Licht einer untergegangenen Sonne, in der die eigentümlich erregenden Körper wie fluoreszierend leuchten. Zu dieser Erregung trägt auch der messianische Ton von Eikas mystisch-vitaler Ästhetik bei. Er durchzieht die Novellen mit einem metallischen Klang, der die Sehnsucht von Menschen hörbar macht, die vor der Verletzung des eigenen Körpers nicht zurückschrecken. Nicht Nihilismus und Verzweiflung treibt sie dabei an, sondern eine apokalyptisch gestimmte Dringlichkeit.
Eikas Texte rufen ein endzeitliches Denken auf, wie man es aus den Briefen des Apostels Paulus kennt, auf den in „Nach der Sonne“ einmal verwiesen wird. Auch in der sozialrevolutionären Mystik einer Simone Weil findet es sich. Wie Weil mit ihrem spirituell geprägten radikalen Einsatz für die Unterdrückten gehen Eikas Figuren mit ihrem Leben bis zum Äußersten.
„Nach der Sonne“, von Ursel Allenstein aus dem Dänischen übersetzt, ist das zweite Buch des jungen Autors. Es folgt dem 2015 erschienenen Roman „Lageret Huset Marie“ (Das Lager Das Haus Marie), in dem zwar realistischer, aber nicht weniger exzessiv erzählt wird. Für beide Werke wurde Eika in Dänemark mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 2019 erhielt er für „Nach der Sonne“ als bislang jüngster Preisträger den renommierten Literaturpreis des Nordischen Rats.
Für Aufsehen sorgte außerdem, dass Eika in seiner Dankesrede in Stockholm mit deutlichen Worten den zunehmenden islamophoben Nationalismus der nordeuropäischen Länder anprangerte. Der im Publikum sitzenden dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen warf er vor, dass sie mit ihrer Migrationspolitik um Asyl suchende Familien auseinanderreiße und „Kinder wie Erwachsene in den sogenannten Ausreisezentren einer langsamen, zersetzenden Gewalt“ aussetze.
In seinen Büchern findet Eika für seine Kritik an den herrschenden Verhältnissen eine subtilere Form. Seine literarische Sprache berührt, ohne pathetisch, sentimental oder belehrend zu sein. Seine Texte sind so queer wie ihr Autor. Selbstbewusst und sprachsicher zeigt Jonas Eika, dass Nähe da entsteht, wo Grenzen überschritten werden. So trägt das Buch eine gesellschaftliche Botschaft in sich, ohne littérature engagée zu sein.
Eine Sinnlichkeit, die brutal
anmutet, aber mit der Kraft des
Poetischen verwoben ist
Seine Texte sind so queer wie der
Autor, sie haben eine Botschaft,
ohne engagierte Literatur zu sein
Jetzt schon preisgekrönt: Der 1991 in Aarhus geborene Schriftsteller Jonas Eika.
Foto: Aphinya Jatuparisakul
Jonas Eika: Nach der Sonne. Erzählungen.
Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein. Hanser Berlin, München.
160 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Völlig neuer Ton der Zukunftserzählung: Der dänische Shooting-Star
Jonas Eika überschreitet mit seinen Novellen körperliche Grenzen
VON SOPHIE WENNERSCHEID
Die Operation am offenen Herzen ist eine riskante, aber medizinisch anerkannte Maßnahme zur Lebensrettung. Weniger gefährlich, aber weitaus umstrittener ist die Arbeit sogenannter Bodyhacker, die Menschen Nahfrequenz-Chips injizieren, um damit Türen zu öffnen oder elektronische Geräte zu steuern. Hier geht es nicht um die Rettung von Leben, sondern um die technologisch induzierte Optimierung des Menschen.
In der Novellensammlung „Nach der Sonne“ des dänischen Autors Jonas Eika kommt es zu sehr viel bizarreren Eingriffen in den menschlichen Körper. In „Rachel, Nevada“, der mittleren der fünf Novellen, lesen wir von einem alten Mann, Antonio, der nach dem Tod seiner zwei erwachsenen Töchter ein neues Zuhause für seine Gefühle sucht. Er wird es in der unendlichen Weite der Wüste Nevadas finden.
Während seine Frau sich den örtlichen Ufologen angeschlossen hat und ihnen im örtlichen Pub Little A’Lee’Inn Vorträge über Science Fiction hält, wandert Antonio nachts in der Wüste umher und entdeckt dort einen Gegenstand, der an den schwarzen Monolithen aus Stanley Kubricks „2001: A Space Odyssey“ von 1968 erinnert und einen merkwürdigen Ton von sich gibt, eine Art Schrei. Der Schrei des Gegenstandes, den der Mann „den Sender“ nennt, verfügt über eine gleichsam magische Wirkung. Alle Wüstenpflanzen, Kriech- und auch Säugetiere zieht es zu ihm hin: „In einem verfilzten Knäuel aus Fell und Schnauzen schoben sie sich aneinander vorbei, ein Mufflon, drei Gabelböcke und eine Flut von Präriehasen.“
Antonio jedoch will dem Sender noch ganz anders nahe sein als die anschmiegsamen Tiere. Und drei Jahre nach der Entdeckung des Senders ist er endlich bereit. Er bricht ein Stück aus dem anorganischen Körper des Senders heraus, fügt sich einen tiefen Schnitt in die Luftröhre zu und implantiert das Teilstück in die eigene Kehle. Kaum kann er den Schmerz aushalten. Doch nicht ein einfacher Schmerzensschrei ist hier gefragt. Antonio muss den Schrei des Senders in sich selbst erzeugen. Nur so kann er mit dem obskuren Objekt der Begierde eins werden. Und es gelingt. Er schreit, er singt, es ist so, „als würde jemand oder etwas seine Kehle zum Klingen bringen und als Nebeneffekt die Erinnerung eines fernen, wüstenartigen Lebens aktivieren“.
Auch in der zweigeteilten Novelle „Bad Mexican Dog“ werden Körpergrenzen aufgehoben und damit eine neue Form von Gemeinschaft zelebriert. Ein 15-jähriger Ich-Erzähler berichtet im ersten Teil von Beachboys, die im mexikanischen Urlaubsparadies Cancún ihr Geld verdienen, indem sie sich reichen Touristen gefällig machen. Als einer der Boys im Affekt von einem Besucher erschlagen wird, praktizieren die anderen ein erotisch-mystisches Ritual. Sie versammeln sich um den Leichnam, stimmen einen repetitiven Gesang an und haben mit umgekehrt in den Sand gesteckten Sonnenschirmen Analsex bis Blut und Sperma fließen und den toten Ginger ins Leben zurückholen.
Doch nicht nur das, was erzählt wird, mutet seltsam an, auch die Art des Erzählens taucht die Szene in ein schräges Licht. Wie die verschiedenen Dinge – die Liegestühle, die Menschen, das Meer selbst – ihre Kontur verlieren und wieder Form annehmen, löst sich die feste Struktur mancher Sätze auf. „Als wir auf der Umkleidebank sitzen, orange funkelnde Messer in Orange die Sonne versunken in Booten und Meer, steht Manu auf und zieht mich ins Bassin.“ Die Frage, was hier geschieht, treibt nicht nur Eikas Leserinnen und Leser um, sondern es stellt sie in der Novelle auch ein junges Paar aus Dänemark, das am Strand von Mexiko Urlaub macht.
In einer vom übrigen Text abgehobenen Schrifttype wird erzählt, wie die beiden sich darauf einlassen, bei einem Kurzfilm mitzumachen, den einer der Beachboys drehen will. Er selbst wolle einen Hund spielen, der ihr die Füße leckt, die junge Frau solle ihn demütigen, ihr Freund möge das bitte filmen. Darauf einzugehen, ist keine gute Idee. Das stellt sich spätestens im zweiten Teil der Novelle heraus, die den Band abschließt und von der wir dann auch verstehen, warum sie den Titel „Bad Mexican Dog“ trägt.
Doch nicht das Hundethema und das damit in den Erzählraum gestellte Problem von Macht und Kapital, Unterwerfung und Betrug, steht im Zentrum der Erzählung, sondern die eigenartigen Facetten einer Sinnlichkeit, die in die Welt eingreift und sie formt. Eine Sinnlichkeit, die brutal anmutet, die aber auch eng mit der Kraft des Poetischen verwoben ist. Dinge und Worte hängen in Eikas erzählter Welt auf eine Art und Weise zusammen, die es in der entzauberten Spätmoderne eigentlich nicht mehr geben kann. Eikas Figuren können so singen, dass sich über dem Wasser, das schleimig ist vor Ejakulat, ein Körper materialisiert und zum Resonanzraum für das Gesungene wird. Sänger und Gesungenes werden eins: „Als das Wort das Ding ergriff, nahm das Ding das Wort zu sich und zog es mit einem Platschen ins Wasser hinab.“ Eine posthumane Schöpfungsmythologie, die den ersten Versen des Johannesevangeliums nachgebildet ist. „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott“ – und etwas später, wir wissen es, wird es Fleisch. An performativer Kraft steht Eikas Sprachmagie der des Johannes in nichts nach. Nur dass das singend geschaffene Ding mit einem Platsch ins Wasser fällt, nimmt dem Geschehen etwas von seiner Aura des Weihevollen und lässt Humor aufblitzen.
Mit „Nach der Sonne“ schafft der 1991 geborene Eika eine neue Form der Zukunftserzählung. Dystopie und Utopie verschmelzen im lila-orange flirrenden Licht einer untergegangenen Sonne, in der die eigentümlich erregenden Körper wie fluoreszierend leuchten. Zu dieser Erregung trägt auch der messianische Ton von Eikas mystisch-vitaler Ästhetik bei. Er durchzieht die Novellen mit einem metallischen Klang, der die Sehnsucht von Menschen hörbar macht, die vor der Verletzung des eigenen Körpers nicht zurückschrecken. Nicht Nihilismus und Verzweiflung treibt sie dabei an, sondern eine apokalyptisch gestimmte Dringlichkeit.
Eikas Texte rufen ein endzeitliches Denken auf, wie man es aus den Briefen des Apostels Paulus kennt, auf den in „Nach der Sonne“ einmal verwiesen wird. Auch in der sozialrevolutionären Mystik einer Simone Weil findet es sich. Wie Weil mit ihrem spirituell geprägten radikalen Einsatz für die Unterdrückten gehen Eikas Figuren mit ihrem Leben bis zum Äußersten.
„Nach der Sonne“, von Ursel Allenstein aus dem Dänischen übersetzt, ist das zweite Buch des jungen Autors. Es folgt dem 2015 erschienenen Roman „Lageret Huset Marie“ (Das Lager Das Haus Marie), in dem zwar realistischer, aber nicht weniger exzessiv erzählt wird. Für beide Werke wurde Eika in Dänemark mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 2019 erhielt er für „Nach der Sonne“ als bislang jüngster Preisträger den renommierten Literaturpreis des Nordischen Rats.
Für Aufsehen sorgte außerdem, dass Eika in seiner Dankesrede in Stockholm mit deutlichen Worten den zunehmenden islamophoben Nationalismus der nordeuropäischen Länder anprangerte. Der im Publikum sitzenden dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen warf er vor, dass sie mit ihrer Migrationspolitik um Asyl suchende Familien auseinanderreiße und „Kinder wie Erwachsene in den sogenannten Ausreisezentren einer langsamen, zersetzenden Gewalt“ aussetze.
In seinen Büchern findet Eika für seine Kritik an den herrschenden Verhältnissen eine subtilere Form. Seine literarische Sprache berührt, ohne pathetisch, sentimental oder belehrend zu sein. Seine Texte sind so queer wie ihr Autor. Selbstbewusst und sprachsicher zeigt Jonas Eika, dass Nähe da entsteht, wo Grenzen überschritten werden. So trägt das Buch eine gesellschaftliche Botschaft in sich, ohne littérature engagée zu sein.
Eine Sinnlichkeit, die brutal
anmutet, aber mit der Kraft des
Poetischen verwoben ist
Seine Texte sind so queer wie der
Autor, sie haben eine Botschaft,
ohne engagierte Literatur zu sein
Jetzt schon preisgekrönt: Der 1991 in Aarhus geborene Schriftsteller Jonas Eika.
Foto: Aphinya Jatuparisakul
Jonas Eika: Nach der Sonne. Erzählungen.
Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein. Hanser Berlin, München.
160 Seiten, 20 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension
Rezensent Kevin Hanschke bemerkt das Fluide in den Erzählungen des Dänen Jonas Eika. Junge Strandverkäufer in Mexiko, die ihren Körper anbieten, IT-Berater, die sich im Untergrundhandel verlieren, Esoteriker in der Wüste Nevadas, die den Kontakt mit Aliens suchen - für Hanschke kreisen die Texte um unsere nomadische Arbeits- und Lebenswelt, um Surrogate für unsere Träume, um Sex, Identität und Religion. Dass der Autor in Dänemark zu den wichtigsten Stimmen seiner Generation zählt, scheint Hanschke plausibel. Die fünf Erzählungen überzeugen ihn durch ihre poetische Sprache, Fantastik und ihren realistischen Kern.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Dieses Buch ist schmal, 150 Seiten dünn, aber die Geschichten darin sind so dicht und magisch, dass man sich am Ende fühlt, als wäre man aus einem bildgewaltigen und fantastischen Traum aufgewacht. ... Die große Kunst des dänischen Autors Jonas Eika ist es, seine Geschichten glasklar zu erzählen, um sie dann langsam ins Mystische und Surreale abdriften zu lassen." Kristine Harthauer, SWR2, 18.1.2021
"Seine Erzählungen können politisch gelesen werden. Dabei sind sie zugleich subtiler als auch kraftvoller als das meiste, was an politischer Literatur derzeit erscheint." Michael Wolff, Neues Deutschland, 3.12.2020
"Und gerade hier, im scheinbar Irrealen zwischen kollektiver Halluzination und übernatürlichem Geschehen, offenbart sich das politische Potenzial dieser Erzählungen: So wie der Autor und seine Figuren aus ganz alltäglichen Dingen ästhetische Anderswelten bauen, ließe sich vielleicht auch mit dem Material unserer Wirklichkeit arbeiten." Moritz Klein, Saarländischer Rundfunk, 25.11.2020
"Das Umwerfende ist, wie Jonas Eika politische Haltung in seine Literatur hineinträgt und sich daraus eine weite, flimmernde und selbstzerstörerische Attacke auf die europäische Mittelstandsgemütlichkeit entwickelt ... Jonas Eika attackiert das Persönlichkeitsbild des modernen westeuropäischen Menschen." Jörg Schieke, MDR Kultur, 24.11.20
"In seinen Erzählungen findet der neue dänische Literaturstar Jonas Eika den Sound unserer verschwimmenden Gegenwart. ... Jonas Eika sind Texte gelungen, die politische und ökonomische Fragen verdichten - und zugleich von sich auflösender Körperlichkeit und einer grenzüberschreitenden Sexualität erzählen." Kevin Hanschke, FAS, 25.10.2020
"Jonas Eika macht es einem in seinem allemal guten, verstörenden Buch nicht einfach, denn seine Figuren sind nur unter starken Vorbehalten Sympathieträger. Doch trotz dieser unterkühlenden Distanzeffekte mit metallischem Nachgeschmack halten sie einen in Bann. Könnte diese crazy Shockdown-Welt, die Eika beschreibt, am Ende unsere eigene sein? Und wie viel After-Sun (oder wie es im Band lyrisch heißt: Nachsonne) bräuchten wir dann, bis unsere verbrannte Haut wieder heil ist?" Stefan Hochgesand, taz, 13.10.2020
"Diese Prosa von Jonas Eika sprüht nur so vor Lebendigkeit, Vitalität, Grellheit, Buntheit, Abwechslungsreichtum. ... Für mich ein Autor und ein Buch auf der Höhe unserer Zeit." Günter Kaindlstorfer, ORF, 12.10.2020
"Dieses Buch hat mich vom ersten Satz an gepackt. ... Dieses Verschmelzen zwischen Mensch und Tier und Zeitebenen... all diese Dinge übersetzt Jonas Eika in eine wirklich bemerkenswerte Prosa. Ich habe das auf die Art und Weise noch nie irgendwo gelesen, so wunderbar poetisch und überzeugend übersetzt. Ich fand das wirklich großartig." Johanna Öttl, ORF, 12.10.2020
"Wie er sprachlich präzise arbeitet, ist sehr beeindruckend. Dieses Motiv des Zerfließens, der Auflösung, setzt er genial um, indem er Sätze zerfließen lässt, ohne dass das zu beliebig oder zu gewollt wirkt, sondern sehr präzise konstruiert ist. Es ist realistisch und zugleich surreal - das widerspricht sich bei ihm nicht." Paula Pfoser, ORF, 12.10.2020
"Eine ungewöhnlich ausdrucksstarke literarische Stimme in einem eigenständigen Duktus. ... Zudem brilliert Eika mit Fantasie und Einfühlungsvermögen." Andreas Müller, Darmstädter Echo, 12.10.2020
"Visionäre Erzählungen, die ganz ohne Science-Fiction-Kostümierung auskommen, die (zu) viel von der Welt wissen und Ernüchterndes, Verstörendes und Ekliges gleichermassen unbestechlich registrieren ... Jonas Eika schreibt befremdliche, großartige Geschichten, wie man sie noch nie gelesen hat." Verena Stössinger, NZZ am Sonntag, 27.09.2020
"So haltlos wie seine Figuren ist auch Eikas Sprache. Spannend, wie er seine biopolitischen Themen in radikale Poesie kleidet." Karin Cerny, Profil, 20.09.2020
"Eika gibt Figuren Stimmen, die man wirklich selten hört und zeigt auf verschiedene Weisen die verheerenden Auswirkungen des Kapitalismus. ... Eine ganz klare, einfache Sprache mit starken Bildern, die sehr geheimnisvoll sind." Lara Sielmann, DLF Kultur, 09.10.2020
"Die Erzählungen des jungen Dänen Jonas Eika sind beides: welthaltig und phantasmagorisch... Schon die ersten paar Sätze spannen einen flirrenden Realismus auf, der den Leser einsaugt und dann umgibt wie ein hyperschnelles Netz, gegen das 5G alt aussieht. Jonas Eika zu lesen ist, als würde man einem fremdartigen, transparenten Organismus beim Atmen zuzuschauen. Von innen." Juliane Liebert, Die Zeit, 03.09.2020
"Der junge dänische Autor Jonas Eika zerstört Gewissheiten: Sein Buch 'Nach der Sonne ' gewinnt explosive Kraft aus der Sehnsucht nach einer ganz anderen Welt - und weitet den Begriff der Fiktion. ... Mit solcher Wucht hat schon lange kein Dichter mehr die Bühne betreten. ... Die Sprache seiner Novellen ist von großer Dringlichkeit, Zerbrechlichkeit und Schönheit. ... Vor allem aber hat Eikas Prosa eine ganz originäre Kraft, die sich aus der Sehnsucht nach einer ganz anderen Welt speist." Volker Weidermann, Spiegel Online, 20.08.2020
"Verstörend gut" Nadine Kreuzahler, RBB Inforadio, 23.08.2020
"Alles in 'Nach der Sonne' flimmert und flirrt, gewinnt Konturen und verliert sie wieder: Die Sonnenschirme, die Liegen, die Körper, die Worte. Das ist weit mehr als esoterische Gedankenspielerei oder reines Sprachexperiment - es ist, nimmt man Eikas Texte ernst, vielleicht das einzig mögliche Schreiben im Anthropozän." Anja Kümmel, Tagesspiegel, 09.09.2020
"Jonas Eika verzaubert seine Leser... In den Erzählungen des jungen Dänen Jonas Eika geht es um die inneren Reisen, die Sehnsüchte, welche die Protagonisten der rauen Wirklichkeit entheben." Kerstin Hellberg, Stern, 10.09.2020
"Seine Erzählungen können politisch gelesen werden. Dabei sind sie zugleich subtiler als auch kraftvoller als das meiste, was an politischer Literatur derzeit erscheint." Michael Wolff, Neues Deutschland, 3.12.2020
"Und gerade hier, im scheinbar Irrealen zwischen kollektiver Halluzination und übernatürlichem Geschehen, offenbart sich das politische Potenzial dieser Erzählungen: So wie der Autor und seine Figuren aus ganz alltäglichen Dingen ästhetische Anderswelten bauen, ließe sich vielleicht auch mit dem Material unserer Wirklichkeit arbeiten." Moritz Klein, Saarländischer Rundfunk, 25.11.2020
"Das Umwerfende ist, wie Jonas Eika politische Haltung in seine Literatur hineinträgt und sich daraus eine weite, flimmernde und selbstzerstörerische Attacke auf die europäische Mittelstandsgemütlichkeit entwickelt ... Jonas Eika attackiert das Persönlichkeitsbild des modernen westeuropäischen Menschen." Jörg Schieke, MDR Kultur, 24.11.20
"In seinen Erzählungen findet der neue dänische Literaturstar Jonas Eika den Sound unserer verschwimmenden Gegenwart. ... Jonas Eika sind Texte gelungen, die politische und ökonomische Fragen verdichten - und zugleich von sich auflösender Körperlichkeit und einer grenzüberschreitenden Sexualität erzählen." Kevin Hanschke, FAS, 25.10.2020
"Jonas Eika macht es einem in seinem allemal guten, verstörenden Buch nicht einfach, denn seine Figuren sind nur unter starken Vorbehalten Sympathieträger. Doch trotz dieser unterkühlenden Distanzeffekte mit metallischem Nachgeschmack halten sie einen in Bann. Könnte diese crazy Shockdown-Welt, die Eika beschreibt, am Ende unsere eigene sein? Und wie viel After-Sun (oder wie es im Band lyrisch heißt: Nachsonne) bräuchten wir dann, bis unsere verbrannte Haut wieder heil ist?" Stefan Hochgesand, taz, 13.10.2020
"Diese Prosa von Jonas Eika sprüht nur so vor Lebendigkeit, Vitalität, Grellheit, Buntheit, Abwechslungsreichtum. ... Für mich ein Autor und ein Buch auf der Höhe unserer Zeit." Günter Kaindlstorfer, ORF, 12.10.2020
"Dieses Buch hat mich vom ersten Satz an gepackt. ... Dieses Verschmelzen zwischen Mensch und Tier und Zeitebenen... all diese Dinge übersetzt Jonas Eika in eine wirklich bemerkenswerte Prosa. Ich habe das auf die Art und Weise noch nie irgendwo gelesen, so wunderbar poetisch und überzeugend übersetzt. Ich fand das wirklich großartig." Johanna Öttl, ORF, 12.10.2020
"Wie er sprachlich präzise arbeitet, ist sehr beeindruckend. Dieses Motiv des Zerfließens, der Auflösung, setzt er genial um, indem er Sätze zerfließen lässt, ohne dass das zu beliebig oder zu gewollt wirkt, sondern sehr präzise konstruiert ist. Es ist realistisch und zugleich surreal - das widerspricht sich bei ihm nicht." Paula Pfoser, ORF, 12.10.2020
"Eine ungewöhnlich ausdrucksstarke literarische Stimme in einem eigenständigen Duktus. ... Zudem brilliert Eika mit Fantasie und Einfühlungsvermögen." Andreas Müller, Darmstädter Echo, 12.10.2020
"Visionäre Erzählungen, die ganz ohne Science-Fiction-Kostümierung auskommen, die (zu) viel von der Welt wissen und Ernüchterndes, Verstörendes und Ekliges gleichermassen unbestechlich registrieren ... Jonas Eika schreibt befremdliche, großartige Geschichten, wie man sie noch nie gelesen hat." Verena Stössinger, NZZ am Sonntag, 27.09.2020
"So haltlos wie seine Figuren ist auch Eikas Sprache. Spannend, wie er seine biopolitischen Themen in radikale Poesie kleidet." Karin Cerny, Profil, 20.09.2020
"Eika gibt Figuren Stimmen, die man wirklich selten hört und zeigt auf verschiedene Weisen die verheerenden Auswirkungen des Kapitalismus. ... Eine ganz klare, einfache Sprache mit starken Bildern, die sehr geheimnisvoll sind." Lara Sielmann, DLF Kultur, 09.10.2020
"Die Erzählungen des jungen Dänen Jonas Eika sind beides: welthaltig und phantasmagorisch... Schon die ersten paar Sätze spannen einen flirrenden Realismus auf, der den Leser einsaugt und dann umgibt wie ein hyperschnelles Netz, gegen das 5G alt aussieht. Jonas Eika zu lesen ist, als würde man einem fremdartigen, transparenten Organismus beim Atmen zuzuschauen. Von innen." Juliane Liebert, Die Zeit, 03.09.2020
"Der junge dänische Autor Jonas Eika zerstört Gewissheiten: Sein Buch 'Nach der Sonne ' gewinnt explosive Kraft aus der Sehnsucht nach einer ganz anderen Welt - und weitet den Begriff der Fiktion. ... Mit solcher Wucht hat schon lange kein Dichter mehr die Bühne betreten. ... Die Sprache seiner Novellen ist von großer Dringlichkeit, Zerbrechlichkeit und Schönheit. ... Vor allem aber hat Eikas Prosa eine ganz originäre Kraft, die sich aus der Sehnsucht nach einer ganz anderen Welt speist." Volker Weidermann, Spiegel Online, 20.08.2020
"Verstörend gut" Nadine Kreuzahler, RBB Inforadio, 23.08.2020
"Alles in 'Nach der Sonne' flimmert und flirrt, gewinnt Konturen und verliert sie wieder: Die Sonnenschirme, die Liegen, die Körper, die Worte. Das ist weit mehr als esoterische Gedankenspielerei oder reines Sprachexperiment - es ist, nimmt man Eikas Texte ernst, vielleicht das einzig mögliche Schreiben im Anthropozän." Anja Kümmel, Tagesspiegel, 09.09.2020
"Jonas Eika verzaubert seine Leser... In den Erzählungen des jungen Dänen Jonas Eika geht es um die inneren Reisen, die Sehnsüchte, welche die Protagonisten der rauen Wirklichkeit entheben." Kerstin Hellberg, Stern, 10.09.2020