Was genau ist Heimat? Was bedeutet sie? Und warum ist sie wichtig? Jörn Klare geht dem sehr persönlich und ganz wörtlich nach. Von seiner Berliner Haustür aus wandert er an den Ort seiner Kindheit und Jugend am Rand des Ruhrgebiets. Ein Weg über gut 600 Kilometer, erst durch Ostdeutschland, das ihm immer noch fremd ist, dann durch Westdeutschland, das ihm oft nicht mehr vertraut ist. An Orten, die Alte Hölle, Elend oder Wilde Wiesen heißen, begegnet er Menschen, die ihre Heimat lieben, an ihr leiden und für sie kämpfen. Schließlich erreicht er die kleine Stadt, die einst sein Leben war. Jörn Klares Weg führt zum Ziel. Seine Wanderung durch ein Deutschland, das man kaum kennt, liefert die Grundlage für eine persönliche und großartig geschriebene Auseinandersetzung mit der Frage: Wohin gehöre ich in einer Welt, die sich immer schneller wandelt?
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2016Eine Wanderung in die Kindheit
Was ist Heimat? Braucht man sie? Und wenn ja, wofür? Als der Autor Jörn Klare feststellt, dass er sich in der Stadt, in der er seit dreißig Jahren lebt, nicht wirklich heimisch fühlt, geht er diesen Fragen im buchstäblichen Sinne nach. Von seiner Berliner Haustür aus wandert er an den Ort seiner Kindheit und Jugend am Rand des Ruhrgebiets. Sechshundert Kilometer durch ein Ostdeutschland, das ihm immer noch fremd ist, und ein Westdeutschland, das ihm oft nicht mehr vertraut ist. An bisweilen surreal anmutenden Orten, die Alte Hölle, Elend, Zwergen oder Wildewiese heißen, spricht er mit Menschen, die ihre Heimat lieben, an ihr leiden und auch für sie kämpfen. Dabei erweist sich Klares Ausgangsfrage immer wieder als ein Türöffner für oft nur kurze, aber tief- und auch abgründige Gespräche über gelungene oder vermisste Zugehörigkeit und Verwurzelung. Da ist der Heimatvereinsvorsitzende von Walternienburg, der erklärt, wie man sich Heimat schaffen kann, oder der Schützenbruder im Hochsauerland, der darauf hinweist, dass es für das Leben im Dorfidyll unbedingt ein "breites Kreuz" brauche. Am beeindruckendsten ist die Begegnung mit einem mehr als achtzig Jahre alten Mönch, der im Jugendalter seine niederschlesische Heimat verlassen musste, ohne diesen Verlust jemals verwinden zu können. Selbst das Kloster, in dem er seit mehr als sechzig Jahren lebt, kann er nicht als Zuhause begreifen. So heiter wie sehnsüchtig wartet er als Fremder in dieser Welt auf seinen Eintritt in die ewige Heimat. Über die persönlichen Begegnungen hinaus führt Klares Weg ihn immer wieder auch an Orte, an denen sich die kulturgeschichtliche Idealisierung von "Heimat" verorten lässt - ein Denkmal zu Ehren des Turnvaters Jahn, ein Schlachtfeld der Befreiungskriege gegen Napoleon, der Brocken im Harz oder die ehemalige Reichsbauernstadt Goslar. Am Ende seines Weges verrät ihm zur eigenen Überraschung seine Nase, dass er in seiner Heimat angekommen ist, dann der Schock über den wirtschaftlichen Niedergang des in den Erinnerungen verklärten Städtchens, die Einsicht, dass Heimweh vor allem Zeitweh ist, und die Erkenntnis, dass Heimat mehr sein muss als ein nostalgiegesättigter Gegenentwurf zu den Herausforderungen einer schwierigen Gegenwart. Ein Heimat-Wander-Buch, das zu eigenen Gedanken- und Fußreisen anregt.
F.A.Z.
"Nach Hause gehen - Eine Heimatsuche" von Jörn Klare. Ullstein Verlag, Berlin 2016. 240 Seiten. Gebunden, 20 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was ist Heimat? Braucht man sie? Und wenn ja, wofür? Als der Autor Jörn Klare feststellt, dass er sich in der Stadt, in der er seit dreißig Jahren lebt, nicht wirklich heimisch fühlt, geht er diesen Fragen im buchstäblichen Sinne nach. Von seiner Berliner Haustür aus wandert er an den Ort seiner Kindheit und Jugend am Rand des Ruhrgebiets. Sechshundert Kilometer durch ein Ostdeutschland, das ihm immer noch fremd ist, und ein Westdeutschland, das ihm oft nicht mehr vertraut ist. An bisweilen surreal anmutenden Orten, die Alte Hölle, Elend, Zwergen oder Wildewiese heißen, spricht er mit Menschen, die ihre Heimat lieben, an ihr leiden und auch für sie kämpfen. Dabei erweist sich Klares Ausgangsfrage immer wieder als ein Türöffner für oft nur kurze, aber tief- und auch abgründige Gespräche über gelungene oder vermisste Zugehörigkeit und Verwurzelung. Da ist der Heimatvereinsvorsitzende von Walternienburg, der erklärt, wie man sich Heimat schaffen kann, oder der Schützenbruder im Hochsauerland, der darauf hinweist, dass es für das Leben im Dorfidyll unbedingt ein "breites Kreuz" brauche. Am beeindruckendsten ist die Begegnung mit einem mehr als achtzig Jahre alten Mönch, der im Jugendalter seine niederschlesische Heimat verlassen musste, ohne diesen Verlust jemals verwinden zu können. Selbst das Kloster, in dem er seit mehr als sechzig Jahren lebt, kann er nicht als Zuhause begreifen. So heiter wie sehnsüchtig wartet er als Fremder in dieser Welt auf seinen Eintritt in die ewige Heimat. Über die persönlichen Begegnungen hinaus führt Klares Weg ihn immer wieder auch an Orte, an denen sich die kulturgeschichtliche Idealisierung von "Heimat" verorten lässt - ein Denkmal zu Ehren des Turnvaters Jahn, ein Schlachtfeld der Befreiungskriege gegen Napoleon, der Brocken im Harz oder die ehemalige Reichsbauernstadt Goslar. Am Ende seines Weges verrät ihm zur eigenen Überraschung seine Nase, dass er in seiner Heimat angekommen ist, dann der Schock über den wirtschaftlichen Niedergang des in den Erinnerungen verklärten Städtchens, die Einsicht, dass Heimweh vor allem Zeitweh ist, und die Erkenntnis, dass Heimat mehr sein muss als ein nostalgiegesättigter Gegenentwurf zu den Herausforderungen einer schwierigen Gegenwart. Ein Heimat-Wander-Buch, das zu eigenen Gedanken- und Fußreisen anregt.
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"Nach Hause gehen - Eine Heimatsuche" von Jörn Klare. Ullstein Verlag, Berlin 2016. 240 Seiten. Gebunden, 20 Euro.
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"Ein Heimat-Wander-Buch, das zu eigenen Gedanken-und Fußreisen anregt." FAZ 20160331