Um soziale und ökologische Nachhaltigkeit zu erreichen, braucht es eine veränderte Wirtschaft. Hier stellen sich Herausforderungen auf globaler, nationaler und regionaler Ebene. Dieser Band führt umfassend in die empirischen Grundlagen, Theorien und Politikinstrumente einer nachhaltig ausgerichteten Wirtschaftsgeographie ein und ist auch für Studierende benachbarter Fächer geeignet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.2023Grüne Wirtschaftsgeographie
Eine marktorientierte Einführung
Es gibt zahlreiche gute Einführungswerke zur Wirtschaftsgeographie, der Blickwinkel dieser Neuerscheinung ist allerdings innovativer. Nimmt man grünes Wirtschaften ernst, müssen auch grüne Lehrbücher her. In klassischen wirtschaftswissenschaftlichen Fächern tut man sich damit noch schwer. Wieder einmal geht die Geographie voran. Die Autoren Ingo Liefner, Hochschullehrer in Hannover, und sein Mitarbeiter Sebastian Losacker zeigen geistreich, wie ihre Disziplin einen Beitrag zur Bekämpfung globaler ökologischer Krisen und immenser Wohlstandsunterschiede leisten kann. Dabei unterscheiden sie Theorie (Erklärung), Empirie (Analyse) und Politik (Gestaltung). Allein das ist wohltuend, weil andere Bücher alles vermischen und noch persönliche Eindrücke hineinrühren. Bei der Vermittlung der Grundlagen in der ersten Hälfte des Buches, von Kuznets-Wellen über Neoklassik bis Sticky Knowledge, liest man nur wenig über Nachhaltigkeit. Das stört aber nicht, es würde keinen Sinn ergeben, die Funktionsweise etwa von Wertschöpfungsketten zwanghaft mit einem grünen Hintergrund zu erklären.
Ab Seite 143 geht es dann um den Übergang in eine ökologisch nachhaltige Raumwirtschaft. Dessen Notwendigkeit ist heute unbestritten. Der Weg dahin ist natürlich Gegenstand politischer und wissenschaftlicher Kontroversen. Transparent erklärt das Buch die verschiedenen Ansichten, etwa darüber, ob die Verlagerung von Textilproduktion in Entwicklungsländer die globale Verschmutzung erhöht oder nicht - Letzteres, weil umweltfreundliche Produktionsverfahren transferiert werden.
Zutreffend ist die Aussage der Autoren, dass marktorientierte Instrumente in der Regel Umweltprobleme effizienter lösen als Auflagenpolitik. Als Beispiel dient der Emissionshandel. Erfreulich ist zudem, dass die Diskussionen über Postwachstumskonzepte (etwa Degrowth und Doughnut-Ökonomie) als "primär ideologisch und nicht wissenschaftlicher Natur" eingeordnet werden. Marktwirtschaft wird als faktisch effektiv bezeichnet, Armut zu beseitigen und die Umwelt zu schützen. So ist es! Hans-Jörg Naumer hat das mit "Green Growth" jüngst hervorragend ausdekliniert. Leider konnte Naumers Werk (Springer, 2022) in diesem Lehrbuch nicht mehr berücksichtigt werden. JOCHEN ZENTHÖFER
Ingo Liefner, Sebastian Losacker: Nachhaltige Wirtschaftsgeographie, Brill Schöningh, Paderborn 2023, 259 Seiten, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine marktorientierte Einführung
Es gibt zahlreiche gute Einführungswerke zur Wirtschaftsgeographie, der Blickwinkel dieser Neuerscheinung ist allerdings innovativer. Nimmt man grünes Wirtschaften ernst, müssen auch grüne Lehrbücher her. In klassischen wirtschaftswissenschaftlichen Fächern tut man sich damit noch schwer. Wieder einmal geht die Geographie voran. Die Autoren Ingo Liefner, Hochschullehrer in Hannover, und sein Mitarbeiter Sebastian Losacker zeigen geistreich, wie ihre Disziplin einen Beitrag zur Bekämpfung globaler ökologischer Krisen und immenser Wohlstandsunterschiede leisten kann. Dabei unterscheiden sie Theorie (Erklärung), Empirie (Analyse) und Politik (Gestaltung). Allein das ist wohltuend, weil andere Bücher alles vermischen und noch persönliche Eindrücke hineinrühren. Bei der Vermittlung der Grundlagen in der ersten Hälfte des Buches, von Kuznets-Wellen über Neoklassik bis Sticky Knowledge, liest man nur wenig über Nachhaltigkeit. Das stört aber nicht, es würde keinen Sinn ergeben, die Funktionsweise etwa von Wertschöpfungsketten zwanghaft mit einem grünen Hintergrund zu erklären.
Ab Seite 143 geht es dann um den Übergang in eine ökologisch nachhaltige Raumwirtschaft. Dessen Notwendigkeit ist heute unbestritten. Der Weg dahin ist natürlich Gegenstand politischer und wissenschaftlicher Kontroversen. Transparent erklärt das Buch die verschiedenen Ansichten, etwa darüber, ob die Verlagerung von Textilproduktion in Entwicklungsländer die globale Verschmutzung erhöht oder nicht - Letzteres, weil umweltfreundliche Produktionsverfahren transferiert werden.
Zutreffend ist die Aussage der Autoren, dass marktorientierte Instrumente in der Regel Umweltprobleme effizienter lösen als Auflagenpolitik. Als Beispiel dient der Emissionshandel. Erfreulich ist zudem, dass die Diskussionen über Postwachstumskonzepte (etwa Degrowth und Doughnut-Ökonomie) als "primär ideologisch und nicht wissenschaftlicher Natur" eingeordnet werden. Marktwirtschaft wird als faktisch effektiv bezeichnet, Armut zu beseitigen und die Umwelt zu schützen. So ist es! Hans-Jörg Naumer hat das mit "Green Growth" jüngst hervorragend ausdekliniert. Leider konnte Naumers Werk (Springer, 2022) in diesem Lehrbuch nicht mehr berücksichtigt werden. JOCHEN ZENTHÖFER
Ingo Liefner, Sebastian Losacker: Nachhaltige Wirtschaftsgeographie, Brill Schöningh, Paderborn 2023, 259 Seiten, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main