Eine ehem. Tänzerin in der Nervenklinik um 1890. Literarisch anspruchsvoll.
Paris 1890, der Schauplatz ist die berühmt-berüchtigte Nervenheilanstalt Salpêtrière. Ein Arzt möchte der Krankenheit „Hysterie“ auf den Grund kommen – seine Patientinnen und Opfer: junge Frauen. Die Behandlungen finden
teils vor Publikum statt, es entstehen oft mehr Fragen als Antworten, da sich das Verhalten der…mehrEine ehem. Tänzerin in der Nervenklinik um 1890. Literarisch anspruchsvoll.
Paris 1890, der Schauplatz ist die berühmt-berüchtigte Nervenheilanstalt Salpêtrière. Ein Arzt möchte der Krankenheit „Hysterie“ auf den Grund kommen – seine Patientinnen und Opfer: junge Frauen. Die Behandlungen finden teils vor Publikum statt, es entstehen oft mehr Fragen als Antworten, da sich das Verhalten der Frauen, auch mit den verabreichten Medikamenten, in unvorhergesehene Richtungen verändert. Die Anstalt wurde nicht umsonst die „weibliche Hölle genannt.
Eine Tänzerin wird von ihrem Patron eingeliefert, da sie nicht mehr tanzen wollte. Um während des Aufenthaltes nicht völlig den Verstand zu verlieren, zeichnet sie ihre Erfahrungen in einem Notizbuch auf.
Der Nervenarzt gibt sich freundlich, verständnisvoll, doch man kommt ihm nicht auf die Schliche, ob sein Getue nur gespielt ist. Es gibt bestimmte Momente zwischen Arzt und Patientin, die auf der einen Seite fast schon väterliche Fürsorge entdecken lassen, auf der anderen Seite kommt es zu ungewollter Nähe. Der Autor spielt mit dem Vertrauen zum Arzt – es könnte eines da sein. Es wird versucht, es den Leser:Innen einzuflößen, genauso wie den Patientinnen. Doch zu sehr sind die Vorurteile mit dem Ort verschränkt. Die Tänzerin passt sich an, spielt ihrerseits, um diesen Klauen zu entwischen. Der Patron, der sie anfangs noch besucht, damit sie wieder in den Club kommt, und auf sie einredet, was er alles für sie getan hat, scheint irgendwann sein Interesse zu verlieren und kommt nicht mehr.
Dabei ist der einzige Grund, warum die junge Frau in der Anstalt ist, weil sie partout nicht mehr tanzen will.
Die Erzählung liest sich leicht, ist von einer bestimmten Spannung durchdrungen, hat mich aber dennoch irgendwie unschlüssig zurückgelassen. Auch wenn sich viel zwischen den Zeilen findet, eine Quintessenz habe ich nicht gefunden – außer dem immerwährenden Umstand, das Frauen den alten weißen Männern hilflos ausgeliefert waren und sind.
Wer sich gerne für ein literarisches Abenteuer, zumal noch schnell gelesen, einlassen möchte, kommt hier sehr auf seine Kosten.